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Kommunalpolitik ist ein hartes Pflaster. Die Diskussionen sind oft endlos und wenig zielführend; zusätzlich ist es schwer, distanziert und sachlich zu bleiben, wenn man weiss, wo Herbert seine Felder hat und in welche Kita Michaela ihre Kinder schickt – zumindest, wenn der Bau einer neuen Strasse oder eine Kita-Gebührenerhöhung ansteht.
Ich wusste ganz ehrlich nicht, worauf ich mich eingelassen hatte, als ich mich mit 18 Jahren dafür entschied, bei den Grünen für die Stadtverordnetenversammlung der Städtegemeinschaft Ginsheim-Gustavsburg (das Stadtparlament) zu kandidieren. Aber ich habe eine Meinung, Politik ist nice und sowohl Frauen als auch junge Menschen sind auf Kommunalebene absolut unterrepräsentiert. Ausserdem kenne ich meine Heimatstadt wie meine Westentasche und weiss, wie die Leute ticken. Aber damit, dass die Grünen ihre Stimmen verdoppeln und ich noch einige Plätze nach vorne gewählt werden würde, hatte ich dann doch nicht gerechnet. Ohne Erwartungen, aber motiviert und neugierig, sass ich also im Frühjahr 2021 in meiner ersten Stadtverordnetenversammlung. Stolz kann die Stadt von sich behaupten, 2021 das jüngste und weiblichste Parlament ihrer Geschichte zu haben. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, obwohl ich mich dennoch in den Reihen von überwiegend alten weissen Männern befand.
Juli Sixel
...ist Praktikantin in der Redaktion von Forbes DACH und sass von März bis September 2021 als Abgeordnete in der Stadtverordnetenversammlung von Ginsheim-Gustavsburg.
Und genau diese Männer drehen sich bei manchen Tagesordnungspunkten schon geraume Zeit im Kreis. Ein heikles Thema ist zum Beispiel seit 15 Jahren die Umfahrungsstrasse für einen Ortsteil – extrem teuer (vor allem, wenn man bedenkt, dass unser Haushalt aufgrund der grossen Minusbilanz nicht genehmigungsfähig ist) und noch dazu nicht wirklich sinnvoll. Die Untersuchungen, die dazu vor eineinhalb Jahrzehnten durchgeführt wurden, sind nicht mehr aktuell. Die Meinungen der Fraktionen sind festgefahren, viele Abgeordnete wurden im Prozess als befangen erklärt, wodurch sich die Mehrheitsverhältnisse grundlegend verschoben haben. Es herrscht ein Gleichstand der Stimmen von Grünen/SPD/Linken gegen CDU/Freie Wähler/FDP – statt an einem innovativen, weitreichenden Verkehrskonzept wird am alten Plan der konservativen Parteien festgehalten. Das kann schon mal frustrierend sein, aber niemand gibt gerne nach, erst recht nicht nach so langer Zeit. Denn die Liebe und Verbundenheit zur Heimatstadt, die die Menschen motiviert, sich für sie zu engagieren, kann einem manchmal die klare Sicht vernebeln.
Es ist eben eine doch sehr persönliche Angelegenheit, wenn wir über die Zukunft von Herberts Feldern entscheiden. Die Kommunalpolitik ist wie keine andere politische oder verwalterische Ebene nah an den Menschen und dem, was ihnen mit am meisten bedeutet: ihrem Zuhause. Jede Entscheidung hat einen direkten Einfluss auf die 16.000 Bewohner von Ginsheim-Gustavsburg – selbst wenn nur entschieden wird, ob öffentliche Altpapiertonnen aufgestellt werden sollen. Denn so banal Altpapiertonnen auf Aussenstehende auch wirken mögen – nahe geht so etwas einem trotzdem.
Gastkommentar: Juli Sixel
Opinions expressed by Forbes Contributors are their own.
Dieser Gastkommentar erschien in unserer Ausgabe 7–21 zum Thema „Smart Cities".