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Das Dresdner Unternehmen Kiwigrid will eine saubere und faire Energiewelt aufbauen – und setzt dabei vor allem auf digitale Produkte.
Forbes: Wie kam es zur Gründung von Kiwigrid?
Matthias Hertel (Geschäftsführer, Sprecher): Die Gründer der Kiwigrid haben sich 2011 darüber geärgert, dass man Energiegeräte wie Batterien, Heizsysteme und Solaranlagen so schlecht verbinden und steuern kann. Damals gab es noch nicht einmal Begriffe wie „M2M“ oder „Das Internet der Dinge“. Doch die ersten Megatrends wie „Dezentrale Energieversorgung“ oder „Elektromobilität“ waren bereits zu sehen. Kiwigrid hat diesen Fokus auf „Energie-IT“ behalten und damit ganz neue Wertschöpfungsmodelle jenseits der klassischen Rollen am Energiemarkt etabliert. Kunden aus ganz verschiedenen Branchen wie BMW, Innogy und Solarwatt schätzen auch deshalb unsere Lösungen.
Was ist die grosse Vision von Kiwigrid? Was will man erreichen?
Wir wollen, dass unsere Kinder Freitags beruhigt in die Schule gehen können. Deshalb glauben wir daran, dass alles, was Energie verbraucht, von nachhaltiger Energie angetrieben werden kann. Unsere Arbeit soll dabei helfen, eine saubere, faire und digitale Energiewelt aufzubauen. Wir unterstützen Energieunternehmen in dieser Welt ein neues Geschäft zu generieren und Kunden zu binden. Wir ermöglichen den Akteuren aus den verschiedenen Branchen sich miteinander zu vernetzen, nicht nur durch IoT-Technologie sondern indem wir unseren Kunden eine erweiterte Wertschöpfung innerhalb unseres offenen Ökosystems anbieten. So gestalten wir die Energiewende aktiv mit, treiben sie voran und fassen die Stärken der verschiedenen Akteure im Markt zusammen.
Im Mittelpunkt steht bei Kiwigrid die offene Kommunikations- und Steuerungsplattform für intelligentes Energiemanagement. Was sind die derzeitigen Einsatzgebiete für diese Plattform – und die zukünftigen?
Wir schreiben die Software, mit der Solaranlagen, Stromspeicher, Ladesäulen für Elektrofahrzeuge und andere Maschinen ans Internet angeschlossen werden können. Das bedeutet, dass diese Geräte miteinander kommunizieren können und aus der Ferne überwacht, gesteuert und instandgehalten werden können.
Zu den Einsatzgebieten gehören Eigenheime mit Photovoltaikanlagen auf dem Dach, Stromspeicher im Keller und Elektroautos vor der Tür, Fertigungsanlagen, Fuhrparkbetreiber und Hotels sowie sogenannte intelligente Quartiere.
Eigenheimbesitzer können ihre Energie zukünftig zum Beispiel mit ihrem Nachbarn direkt austauschen. Innerhalb unserer intelligenten Apps können Nutzer passende Endgeräte zur Energieoptimierung auswählen, um eine fundierte Entscheidung über den Kauf eines Elektrofahrzeugs zu treffen. Fertigungsanlagen, Fuhrparkbetreiber und Hotels können wie Eigenheime mit Kiwigrid ihren Stromverbrauch analysieren und ihren Energiehaushalt optimieren und darüber hinaus die Betriebskosten ihrer Anlagen senken. Intelligente Quartiere mit hoher Lebensqualität und niedrigem Energieverbrauch werden zukünftig ihre Energie selbst erzeugen und verbrauchen, zum Beispiel in einer Ladestation für Elektrofahrzeuge.
Wie sieht das Geschäftsmodell aus?
Unser Geschäftsmodell zielt auf nachhaltige dauerhafte Umsätze aus der Nutzung unserer Energie-Services (SaaS) ab bzw. über eine Provision für die über unsere Plattform ausgetauschten Güter. Unsere Kunden und Reseller-Partner können Kiwigrid-Energie-Services unter ihrem Label ganz einfach zu Lösungen für ihre Kunden kombinieren und so echte Mehrwerte auch für sich selbst schaffen. Auf diesem Weg bringen die „Grossen“ aus den einzelnen Branchen Kiwigrid-Services bis in jedes Haus.
Welche Lösungen – The Independent Home, The Optimized Business, The Electrifying City, The Transactive Grid – werden am meisten von den Kunden genutzt?
Eines unser am meisten genutzten Produkte ist „The Independent Home“. Es ermöglicht simples Energiemonitoring in Echtzeit, Eigenverbrauchsoptimierung, den virtuellen Speicher „suncloud” sowie solarbasiertes Laden. Aber auch in allen Produktsegmenten bieten wir fertige Lösungen und sind in spannenden internationalen Projekten. Zum Beispiel entwickeln wir mit einem der grössten Netzbetreiber Deutschlands eine Lösung für eine intelligente Integration von Elektrofahrzeugen in die Stromnetze.
Was uns von anderen Anbietern unterscheidet, sind drei Dinge, die unseren Kunden sehr wichtig sind. Zum Ersten die Möglichkeit zum Upselling: der Energiedienstleister kann seinen Kunden zunächst das Energiemonitoring mit einem Batteriesimulator anbieten und sie dann Schritt für Schritt zu einem vollautarken Prosumer weiterentwickeln. Zum Zweiten unsere IoT-Konnektivität und Interoperabilität mit Drittsystemen: unsere „KiwiOS“-Gateways enthalten Treiber für Wechselrichter, Batteriespeicher, Wärmepumpen und Ladesäulen der weltweit führenden Hersteller. Zum Dritten die Zukunftssicherheit: zum Beispiel unterliegen viele Anwendungsfälle zukünftig der Pflicht, auf der Infrastruktur der sogenannten intelligenten Messsysteme betrieben zu werden. Unsere Lösungen werden mit intelligenten Messsystemen kompatibel sein. Dafür sorgt unter anderem unser gemeinsam mit devolo entwickeltes Smart-Meter-Gateway und unsere KiwiOS-Cloud, die den gesetzlichen Anforderungen des Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) entspricht.
Kiwigrid hat wie erwähnt grosse Kunden wie BMW, E.on, Sharp und Nissan. Aus welchem Bereich stammen die meisten Kunden?
Unsere Kunden kommen aus unterschiedlichen Wirtschaftszweigen und nutzen unsere Lösungen aus den verschiedensten Gründen. Der Wandel in der Energiewelt bringt immer wieder neue Akteure aus ursprünglich branchenfremden Bereichen hervor. Daraus resultiert eine Branchenkonvergenz. Wir unterstützen unsere Kunden, sich für neue Märkte zu öffnen, ihr Angebot zu diversifizieren, branchenübergreifende Geschäftsmodelle zu entwickeln und die Energiewende aktiv mitzugestalten anstatt ihr passiv hinterherzulaufen. Die meisten Kunden finden sich im Energiesektor.
Sie haben bereits über 70 Projekte umgesetzt. Welches war bisher am erfolgreichsten?
Es gibt zahlreiche Erfolgsgeschichten. Wenn ich zwei wählen soll, dann würde ich mich für SOLARWATT und enviaM entscheiden.
Kiwigrid unterstützt SOLARWATT seit Jahren bei der Neupositionierung vom reinen PV-Modulhersteller hin zum Premium-Anbieter für intelligente Solar- und Speichersysteme. Wir haben gemeinsam ein PV-Monitoringsystem entwickelt, das den selbst erzeugten Strom der Verbraucher visualisiert. Aus dem Monitoringsystem entwickelte sich ein Energiemanagementsystem, in das der Stromspeicher „MyReserve“ integriert wurde: Damit steht tagsüber erzeugter Sonnenstrom auch abends und nachts zur Verfügung. Zusätzlich hat sich SOLARWATT den Vertriebskanal Solarteur aufgebaut. Unsere Installer Center App ist dabei ein hilfreiches Tool, welches den Solarteur bei der Installation und Systemüberwachung unterstützt.
Energieversorger wie die enviaM stehen vor der Herausforderung, eine gestaltende Rolle beim Umbau des Energiesystems einzunehmen. Schlüssel hierfür ist die Digitalisierung. Gemeinsam mit Kiwigrid und anderen Partnern entwickelte enviaM in Ostdeutschland das „Internet der Energie“: Der ganzheitliche Ansatz bedient vom Hauseigentümer bis zum Industrieunternehmen alle Kundensegmente und verknüpft Wärme, Strom und Mobilität mittels intelligentem Energiemanagement miteinander. Jenseits der klassischen Energielieferung entstehen so neue IoT-basierte Geschäftsmodelle für die enviaM sowie Arbeitsplätze in der Region.
Inwiefern hat sich die Unternehmensstrategie durch die Einstiege von AQTON SE, LG Electronics und innogy SE als strategischen Gesellschaftern geändert?
Wir und unsere Gesellschafter glauben an dieselbe Vision. Hier und da wird natürlich an kleinen Stellschrauben der Strategie gedreht. Das ist auch absolut entscheidend für den Erfolg, da die Dynamik des Marktes extrem hoch und in vielen Teilen unvorhersehbar ist. Der Einstieg dieser Gesellschafter hat uns geholfen, unsere Produkte voranzutreiben, Prozesse zu beschleunigen und Strukturen zu stärken.
E.on steht davor, Innogy zu übernehmen. Würde sich dadurch für Ihr Unternehmen etwas ändern?
Wir befinden uns in einem guten und regelmässigen Austausch mit unseren Gesellschaftern. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns zu diesem Thema nicht weiter äussern können.
Kiwigrid hat an seinem Hauptsitz in Dresden ein neues Labor speziell für KiwiOS eingerichtet. Wie viele Mitarbeiter arbeiten dort? Was wird dadurch speziell erleichtert?
Von den Mitarbeitern aus der Qualitätssicherung bis hin zu den Kollegen der User Experience nutzen alle Teams aus der Produktentwicklung das KiwiOS-Lab. Das sind insgesamt 20 Mitarbeiter. Wir können dort schneller als bisher systematische Funktions- und Dauerläufertests durchführen, mit denen wir das intelligente Zusammenspiel bestimmter Wechselrichter, Stromspeicher und Wallboxen perfektionieren, und schneller neue Systeme, bzw. Apps, zur Verwertung von Gerätedaten für datengetriebene Geschäftsmodelle entwickeln.
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