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Was als kleines Start-up in der Schweiz begann, hat sich zu einer global erfolgreichen Marke im Sportmarkt entwickelt. Doch das Team hinter On, getrieben vom eigenen „Explorer Spirit“, hat noch nicht genug. Denn für Mitgründer David Allemann ist das Ziel klar: „Wir wollen die stärkste Premiummarke im Sport bauen – und zwar weltweit.“
Die vollständig in Blau gehaltene Bibliothek am Hauptsitz der Sportmarke On vermittelt eine fast meditative Ruhe – ein krasser Kontrast zur dynamischen Welt, die ausserhalb dieser vier Wände (oder eher: vier Bücherregale) auf Besucher wartet. Insgesamt 17 Stöcke zählt das On-Bürogebäude in Zürichs ehemaligem Industrieviertel. Neben Meetingräumen und begrünten Terrassen finden sich hier auch die On Labs, ein Hybrid aus Showroom, Store und Labor. David Allemann, Mitgründer und Executive Co-Chairman bei On, zeichnet gleich zu Beginn des Interviews mit Forbes ein klares Ziel für das Unternehmen: „Unser Ziel ist es, die stärkste Premiummarke im Sport zu bauen, und zwar weltweit. Um das zu schaffen, müssen wir auch eine Head-to-Toe-Brand sein.“
Head to Toe heisst, dass On nicht nur in der Kerndisziplin Schuhe, sondern auch in Sachen Bekleidung (neudeutsch „Apparel“) präsent sein muss. Wer die Geschichte von On über die letzten 15 Jahre etwas genauer verfolgt hat, merkt, dass die Mission relativ konsistent geblieben ist: Auch damals waren Allemann und Co davon überzeugt, dass sie On trotz aller Widerstände am Weltmarkt etablieren werden. Wirklich glauben wollte ihnen damals aber niemand – denn eine Sportmarke in einem Markt zu etablieren, der von Giganten dominiert wird (noch dazu aus Europa kommend, wo der Kontinent doch nicht unbedingt für seine Consumer Brands bekannt ist), erschien reichlich unrealistisch. Doch seit die „drei Abenteurer“ 2010 mit ihrer Expedition starteten, haben sie einige Meilensteine erreicht: Für 2024 prognostiziert das Unternehmen ein Wachstum von 32 %, was einen Jahresumsatz in Höhe von 2,29 Mrd. CHF bedeuten würde; die EBITDA-Marge soll bei rund 16 % liegen – also deutlich über 300 Mio. CHF. Die Marktkapitalisierung lag zu Redaktionsschluss bei 17,2 Mrd. US-$.
„Wir wollten von Anfang an eine internationale Marke schaffen“, erinnert sich Allemann. „Dass wir aus der Schweiz kommen, hat uns nur zusätzlich motiviert, global zu denken.“ Natürlich ist On weiterhin ein Zwerg unter Riesen – Nike erwirtschaftet weltweit 50 Mrd. US-$ Umsatz, bei Adidas sind es über 20 Mrd. €. Und doch darf On sich mittlerweile als ernsthafter Herausforderer bezeichnen, der noch dazu den Vorteil des Underdogs geniesst. Neben der Kerndisziplin Laufen expandierte On zuletzt stark ins Tennis – auch, weil 2019 mit Roger Federer der vielleicht beste Spieler aller Zeiten bei On Miteigentümer wurde und dem neuen Feld einen Boost verpasste. Als drittes grosses Feld soll nun „Training“ folgen; denn laut Allemann tragen bereits heute viele Fitnesscenterbesucher On-Schuhe – und für die Apparel-Sparte des Unternehmens ist der Bereich hochinteressant.
Und auch in Sachen Innovation will On immer wieder eins draufsetzen. Zuletzt gelang es dem Team, mit der Spray-on-Technologie innerhalb von drei Minuten einen ganzen Laufschuh zu sprühen. „Das ist ein kompletter Paradigmenwechsel“, so Allemann.
Es wird also nicht langweilig bei On. In all der Dynamik müssen Allemann und seine Mitgründer aber auch ihre eigene Rolle hinterfragen. Nach Abschied klingt es derzeit jedoch nicht, ganz im Gegenteil. Allemann: „Gründer ist der beste Job der Welt. Wir entwickeln mit unserem Führungsteam und dem Board die Vision und haben das Privileg, diese mit operativer Arbeit an Produkt, Marke und Expansion auch in die Realität zu bringen. Daher denke ich, dass wir weiterhin viel für die Zukunft beitragen können.“
Es war eine kleine Sensation, als Roger Federer 2019 verkündete, Miteigentümer bei On zu werden. Dass Athleten als Markenbotschafter aktiv sind, ist nichts Neues, und zunehmend gehen Sportler auch mit eigenen Marken an den Start. Dass ein Topathlet aber während seiner aktiven Karriere bei einem bestehenden Unternehmen finanziell einsteigt, gab es bisher nicht so oft.
Der Kontakt kam über ein Instagram-Posting von Federer zustande, später traf sich der Tennisstar mit den Köpfen hinter On. „Roger hat uns gleich herausgefordert“, erzählt Allemann, „er wollte wissen, ob wir unsere Cloudtec-Technologie auch auf einen Tennisschuh übertragen können.“ Nach ersten Tests und Ergebnissen war Federer überzeugt: Er stieg bei On ein und wurde zu einem „Co-Entrepreneur“, wie Allemann sagt. 2020 kam dann der erste Tennisschuh auf den Markt, der „The Roger“ hiess. Doch dass Lauf- und Tennisschuhe verschiedene Regeln haben, zeigte sich schnell: Der Schuh war stark auf den Spielstil von Federer zugeschnitten, der meist über den Platz gleitet. Spieler, die stärker in ihre Schläge „hineinrutschen“ und somit mehr Halt benötigen, konnten mit dem Schuh weniger gut umgehen.
So kam es, dass die Nummer eins der Frauen, Iga Swiatek, trotz eines bereits unterschriebenen Vertrags mit On monatelang in Schuhen anderer Marken spielte. Marc Maurer, Co-CEO bei On, sagte damals gegenüber Forbes US: „Es stellt sich heraus, dass es sehr schwer ist, einen Tennisschuh für Profisportler zu kreieren.“ Die Probleme wurden schliesslich behoben; mittlerweile spielen einige der spannendsten Tennisspieler in On: Neben Swiatek, die aktuell auf Rang zwei der Weltrangliste steht, zählt dazu auch Shootingstar Ben Shelton, der insbesondere für den US-Markt grosse Bedeutung haben könnte.
Doch On arbeitet bereits am nächsten grossen Wurf: Training. Der Bereich sei nämlich einerseits ein logischer nächster Schritt, sagt Allemann, und ermögliche On gleichzeitig, die eigene Bekleidung stärker zu pushen. „Das hat sich recht organisch entwickelt – wenn man in ein Premium-Gym in den USA geht, ist heute schon etwa jeder Vierte mit einem On-Schuh unterwegs. Gleichzeitig gibt es dort eine grosse Chance für Apparel, denn Training ist ein Apparel-first-Sport.“ Während On über Schuhe bekannt wurde, soll Apparel (also T-Shirts, Shorts, Hoodies etc.) mittelfristig 10 % des Umsatzes ausmachen. Das sei durchaus realistisch, so Allemann, und auch Teil der Strategie – denn wer sich Marken ansieht, die fast ausschliesslich auf (Lauf-)Schuhe setzen, sieht, dass deren Umsatz oft deutlich hinter Nike, Adidas und Co liegt. Die US-Schuhmarke Hoka erwirtschaftet etwa 570 Mio. US-$ Umsatz pro Jahr; bei Saucony werden für 2024 rund 1,73 Mrd. US-$ prognostiziert. Zum Vergleich: New Balance, ebenfalls stark im Laufschuhsegment, aber eben auch mit Apparel vertreten, machte 6,5 Mrd. US-$ Umsatz.
Wenn On sich also in Richtung „der Grossen“ strecken will, sind eine starke Präsenz im Bereich Training und damit verbunden auch Apparel unausweichlich. Bis zu einem gewissen Grad gelingt das auch, so Allemann: „Auf mich ist kürzlich jemand zugekommen, der gesagt hat: ‚Ich wusste gar nicht, dass ihr auch Schuhe macht.‘ Das war ein schöner Moment.“ Doch das Feld ist heiss umkämpft, man muss sich also etwas einfallen lassen, um aufzufallen. Das tat On im Zuge der ersten Marketingkampagne, die mit Hollywoodstar Zendaya umgesetzt wurde. Die ist zwar keine Topathletin, aber ermöglicht der Marke, den Übergang zwischen Sport und Lifestyle zu navigieren. „Vor 20 Jahren war Sport für viele Menschen eine Wochenendaktivität, heute ist Sport ein Lebensgefühl. Die Grenze zwischen Arbeit, Sport und Leben ist fliessend. Sportbekleidung ist darum Teil der Identität geworden und hat einen ganz anderen Stellenwert“, so Allemann.
Das zeige sich auch in der Modewelt, wo die Veränderung ebenfalls zu spüren ist: „Wenn man heute über die führenden Fashion-Archetypen nachdenkt, dann ist es eben nicht mehr der Stiefel, sondern es ist der Sneaker. Es ist nicht mehr die Tasche, sondern es ist das Backpack. Es ist nicht mehr das Veston, sondern es ist vielleicht mal der Hoodie“, so Allemann.
Die Anfänge von On reichen ins Jahr 2009 zurück. Die Story mit dem zerschnittenen Gartenschlauch, der auf eine Schuhsohle geklebt wurde und schliesslich zur Cloudtec-Technologie führte, ist oft erzählt. Allemann selbst brachte Erfahrungen aus branchenfernen Feldern mit, als er mit seinen Mitgründern Caspar Coppetti und Olivier Bernhard startete: Vor seiner Zeit als Unternehmer war der Zürcher vier Jahre lang Marketingchef beim Möbelunternehmen Vitra und zuvor bei der Werbeagentur Advico Y&R sowie McKinsey tätig. Und auch er war am Anfang nicht ganz sicher, ob die Idee, die sein Freund Olivier Bernhard ihm vorstellte, besonders erfolgversprechend ist: „Als Olivier erstmals mit seiner Idee auf mich und Caspar zukam, dachten wir: ‚Du spinnst doch komplett!‘ Doch dann standen wir in dem Schuh und haben gemerkt, dass das Gefühl wirklich ganz anders ist.“
„Anders“ – so wollte On auch das Mindset im Unternehmen etablieren; denn auch mit über 3.000 Mitarbeitenden, davon über 1.000 in der Schweiz, will On sich den Innovationsgeist der frühen Tage behalten. Allemann: „Es geht uns darum, die Innovationskultur zu bewahren, die uns dahin gebracht hat, wo wir heute sind.“ Immer wieder spricht er auch vom „Explorer Spirit“, der On dazu bringe, auch Verrücktes auszuprobieren, wie es etwa bei der Cloudtec-Technologie zu Beginn der Fall war. Einen ähnlich grossen Wurf sieht Allemann nun auch bei der Spray-on-Technologie. Diese könnte einerseits das Thema Nachhaltigkeit fördern, so der Mitgründer: „Wir sehen darin eine Chance, den CO2-Fussabdruck zu reduzieren und gleichzeitig ein performanteres Produkt anzubieten.“ Zudem könnte die Produktion auch wieder lokal stattfinden, denn Schuhe würden dann mit Maschinen etwa auch in Zürich bzw. in der Schweiz hergestellt werden können statt wie aktuell in Asien.
Das würde auch einer Kritik vorbeugen, die On zuletzt einstecken musste: Anfang 2024 publizierte das Konsumentenmagazin K-Tipp eine Recherche, laut der On das Achtfache der Produktionskosten für seine Schuhe verlange. Die Suppe wurde vielleicht etwas heisser gekocht als gegessen, doch die mediale Berichterstattung zeigte eines: On hat eine kritische Grösse erreicht und ist somit auch nicht mehr „Everybody’s Darling“. Und genau wie bei der Entwicklung des Tennisschuhs zeigt sich, dass auch ein so erfolgreiches Unternehmen Fehler macht oder Kritik einstecken muss. Doch da wie dort bemüht sich Allemann um eine sportliche Haltung: „Wenn du immer wieder Grosses probierst, wirst du auch häufig verlieren. Dann musst du wieder aufstehen und noch besser trainieren – wie ein Athlet.“
Ein wenig Kritik kassierten die Gründer auch wegen einiger Aktienverkäufe, die im Jahr 2024 getätigt wurden: So zeigen Veröffentlichungen der US-Börsenaufsicht SEC etwa, dass zwischen 19.8. und 6.9. mehrere Transaktionen passierten. Gründer Caspar Coppetti verkaufte Aktien im Wert von insgesamt 18,22 Mio. US-$, bei Allemann waren es 17,16 Mio. US-$. Verwaltungsrat Kenneth Fox verkaufte Anteile in Höhe von 14,8 Mio. US-$, bei On-Mitgründer Olivier Bernhard waren es 11,3 Mio. US-$ und bei Co-CEO Marc Maurer fast acht Mio. US-$. On konnte damals an den Transaktionen «nichts Ungewöhnliches» entdecken, und sprach von «bestehenden langfristigen Verkaufsplänen». Das erscheint durchaus nachvollziehbar, denn gemessen am gesamten Anteil der Gründer sind die Verkäufe minimal: Allemann hielt etwa Ende 2023 etwa 4,7 % der Anteile, was bei der aktuellen Marktkapitalisierung einem Wert von über 800 Mio. CHF entspricht – und Allemann fast zum Milliardär macht.
Allemann betont, dass das Geld eigentlich keine grossen Auswirkungen auf ihn hatte. „Ich bin in der Stadt Zürich geboren, wohne immer noch hier und fahre mit dem Bike einen ähnlichen Weg zur Arbeit wie früher an die Uni. In meinem Leben hat sich also erschreckend wenig verändert“, so Allemann lachend. Für On steht jedenfalls noch einiges auf dem Programm: der Vorstoss in „Training“, die neue Spray-on-Technologie, aber auch ein neuer Flagship-Store in der Heimatstadt der Marke – 2025 eröffnet On im traditionsreichen Musik-Hug-Haus am Limmatquai in der Zürcher Innenstadt einen neuen Store. Allemann: „Eigene Stores ermöglichen es uns, die Marke genau so zu präsentieren, wie wir es uns vorstellen. Besonders in Märkten, in denen der Sportfachhandel weniger stark vertreten ist, sind eigene Stores wichtig.“
Die physische Präsenz soll die Mission erneut unterstreichen, an der sich bei On aber ebenfalls recht wenig verändert hat. Heute wie damals will On mit innovativen Premiumprodukten beitragen, Menschen „in Bewegung zu bringen“. Allemann: „Wir glauben, dass bei Bewegung nicht nur etwas mit deinem Körper passiert, sondern dass du auch mit einer Spur mehr Optimismus und vielleicht auch mit einer neuen Idee von deinem Training zurückkommst.“ Wer das Hauptquartier von On in Zürich sieht, weiss, was aus so einer neuen Idee alles entstehen kann …
David Allemann studierte Rechtswissenschaften an der Universität Zürich. Er war Mitgründer der Digital Practice bei der Agentur Advico Young & Rubicam, war zwischenzeitlich für McKinsey tätig, bevor er wieder zurückkehrte und Managing Director wurde. 2006 wechselte er als Chief Marketing Officer zu Vitra, 2010 gründete Allemann mit Caspar Coppetti
Fotos: Remo Neuhaus