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Seit 1357 ist die in Luzern ansässige St. Niklausen Schiffgesellschaft (SNG) am Schweizer Vierwaldstättersee tätig. Doch trotz seines hohen Alters..

Seit 1357 ist die in Luzern ansässige St. Niklausen Schiffgesellschaft (SNG) am Schweizer Vierwaldstättersee tätig. Doch trotz seines hohen Alters präsentiert sich das von Geschäftsführer Beat Plüss geleitete Unternehmen hungrig. Denn die SNG will wachsen – und zwar nachhaltig und nicht auf Pump. Doch auf dem Weg gibt es auch Herausforderungen.

Auf die Frage nach der ­Geschichte des Unternehmens, das er seit 2014 als Geschäftsführer leitet, holt Beat Plüss erst einmal Luft – und fängt an: „Die Anfänge des Unternehmens gehen zurück ins Mittelalter. Unsere Vorgänger, die das Unternehmen betrieben haben, waren Ruderknechte. Diese haben Säumerware, also Handelsware, transportiert.“

„1357 wurde die St. Niklausen Schiffgesellschaft (SNG) erstmals urkundlich erwähnt. Das Unternehmen besteht noch heute.“

Was bei anderen Unternehmen wie ein Märchen wirken würde, ist bei der in Luzern tätigen St. Niklausen Schiffgesellschaft (SNG) fester Bestandteil der Unternehmens­geschichte. Denn der heute noch ­bestehende Betrieb wurde 1357 ­erstmals urkundlich erwähnt, ­feiert also 2017 sein 660-jähriges Jubiläum. Dabei ist der Name kein Zufall: „St. Niklaus ist der Schutzpatron der Seeleute, deswegen heisst die Firma auch heute noch so.“ Damit gehört die Schifffahrtsgesellschaft zu den ­ältesten noch bestehenden Unter­nehmen der Schweiz. Seitdem hat sich klarerweise viel getan: Neben dem Namen – heute firmiert der Betrieb unter der Abkürzung SNG – hat sich auch das Geschäftsmodell gewandelt.

Bildschirmfoto 2017-06-15 um 11.18.33Ursprünglich auf Warentransporte über den Vierwaldstättersee spezialisiert, verschifft die SNG heutzutage mit ihren fünf Fahrgastschiffen nur noch Personen. Doch nicht die Seefahrt, sondern der Handel mit Privatbooten – Segel- und Motorboote aller Grössen – ist das grösste Umsatz­standbein des Unternehmens. Rund 65 Prozent des Umsatzes kommen aus diesem Kanal, 30 Prozent stammen aus Personenfahrten, etwa für Touristen oder private Anlässe. Den Rest der Erlöse erzielt die SNG aus Bootsvermietungen und Chartern.

Wie hoch dieser Umsatz ist, gibt Beat Plüss jedoch nicht bekannt. „Wir geben keine Umsatzzahlen bekannt, denn wir sind auch heute noch als Genossenschaft organisiert. Dabei halten 50 Mitglieder – stets alteingesessene Luzerner Familien – je einen Anteilsschein an der Genossenschaft. Wenn jemand als Genossenschafter stirbt, geht sein Titel zurück an die SNG – und das Unternehmen sucht einen neuen Vertreter, der hineinpasst.“

Dabei nimmt man aber nicht jeden: „Das können nur verantwortungsvolle Personen aus Luzern sein, die einen wirtschaftlichen Back­ground haben und sich in der Region auskennen.“ Es zeigt sich: Im Gegensatz zu Name und Geschäftsfeld hat sich die Unternehmensform über die Jahre nie geändert. Dass einmal ein Zürcher oder Berner einen Anteilsschein hält – oder einer der Genossenschafter weiblich ist –, ist laut Plüss unmöglich: „Dazu müsste man die Statuten, die seit über sechs Jahrhunderten bestehen, ändern. Diese bestehen noch nach altem Schweizer Recht – das will man nicht antasten.“ Zudem sieht der CEO die Gesellschaftsform auch als Möglichkeit, langfristig und ohne den Druck von Aktionären zu arbeiten. Darin sieht Plüss auch die Basis für das nachhaltige Wirtschaften des Unternehmens: „Das von uns verdiente Kapital bleibt im Unternehmen. Wir können das Geld also wieder in die Zukunft investieren, haben keine Aktionäre, die etwa zu Jahresende Dividenden fordern.“

Das Geschäft scheint gesund, rund 50 Mitarbeiter zählt das Unternehmen heute. Doch damit ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. „Wir wollen grösser werden und wachsen.“ Auch deswegen übernahmen die Luzerner 2016 die benachbarte Bootswerft Bucher+Schmid, die acht Mitarbeiter wurden in die SNG integriert. Dass man den Nachbarn übernimmt, ist für die SNG ein logischer Schritt, um die Präsenz am Vierwaldstättersee zu stärken.

Bildschirmfoto 2017-06-15 um 11.18.54Doch mit 350 Stellplätzen für Motorboote und rund 650 für Segelboote sind die Kapazitäten gerade im Bootshandel nicht unendlich. Wachstumsmöglichkeiten muss man also auch fernab des Heimatortes suchen. Plüss schliesst nicht aus, dass die SNG auch an andere Schweizer Seen expandieren könnte.

 

Dabei ist die regionale Nähe bei potenziellen Partnerschaften oder Übernahmen jedoch von grosser Bedeutung, wie der Geschäftsführer erzählt: „Wir möchten wachsen und prüfen diverse Angebote. Es muss aber in unser System passen. Wir wollen nicht in Genf eine Werft führen, wo die Distanz so gross ist, dass die Führung schwierig wird. Die Verwaltung soll an einem Ort bleiben, denn nur eine schlanke Verwaltung kann effektiv sein.“

Dass man auch durch Zukäufe wächst, hat noch einen anderen Grund. Denn der Fachkräftemangel macht auch vor Traditionsbetrieben nicht halt. Die Schiffsgesellschaft setzt daher auf interne Ausbildungen, fünf der 50 Mitarbeiter sind Lehrlinge, die im Unternehmen für den künftigen Beruf geschult werden. Doch die SNG zeigt sich auch kreativ, wenn es um die Anstellung neuer Mitarbeiter geht: „Wir haben kürzlich einen Automechaniker eingestellt, der jetzt zum Boots­mechaniker ausgebildet wird. Solange jemand Inte­resse für den Wassersport hat, ist das alles kein Problem.“

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Die Tatsache, dass man selbst keine Boote produziert, sondern diese bei den Herstellern ­Bavaria Yachts aus Bayern, Sunbeam aus ­Österreich oder Jeanneau aus Frankreich zukauft, hat für die SNG Vor- und Nachteile. Denn dass die Schweiz ein verhältnismässig kleiner Markt mit – im Gegensatz zu den EU-Staaten – oft strengeren Vorschriften hinsichtlich Umweltschutz ist, macht spezielle Anforderungen nötig: „Für die Händler ist die Schweiz mit 100 oder 200 verkauften Booten pro Jahr im ­Gegensatz zu beispielsweise Frankreich, wo vielleicht 5.000 Boote verkauft werden, ein kleiner Markt. Die fokussieren sich auf die grösseren Absatzmärkte. Und dann müssen wir in der Schweiz auch oft um den Einbau von in der Schweiz zugelassenen Motoren bitten.“ Doch gleichzeitig profitiert man als Händler von einer Entwicklung, die anderen Schweizer Unternehmen Kopfzerbrechen bereitet. Denn der starke Schweizer Franken, der nach der Aufhebung des ­Mindestkurses durch die Schweizer Nationalbank Anfang 2015 auf hohem Niveau verbleibt, macht die Boote bei in Euro fakturierenden Herstellern in Deutschland, Frankreich und Österreich verhältnismässig billiger. „Da wir vor allem im- und nicht exportieren, hat sich das für uns positiv ausgewirkt.“ Die Kunden werden gegen allfällige Währungsschwankungen jedenfalls abgesichert. Denn die Lieferung eines Boots dauert nach Kaufabschluss oft noch sechs oder sogar zwölf Monate. Doch der Preis wird am Tag des Kaufs festgesetzt. Auch die SNG sichert sich dann durch den Zukauf von Euro ab: „Im Vertrag ist der aktuelle Tageskurs für den Kunden fixiert. Wir als Unternehmen kaufen dann Euro ein, um die Schwankungen so zu umgehen. Die Bewegungen des Euro können uns somit egal sein.“

Zwischen 70 und 100 Boote verkaufen die Luzerner je nach Jahr, die Verkaufspreise schwanken zwischen 5.000 und 500.000 CHF. Dabei soll der Schiffshandel auch in Zukunft ein Wachstumstreiber sein, um rund zehn Prozent wuchs die SNG in den letzten Jahren in diesem Bereich pro Jahr. Im zweiten Wachstumsmarkt, der Seefahrt, kämpft man hingegen mit ganz anderen Herausforderungen: „Wir haben viele Touristen aus Asien, vor allem China. Diese wollen sich oft Rom und dann Paris ansehen – und machen dabei meist einen Zwischenstopp in der Schweiz. Das ist natürlich positiv für uns, doch das Geschäft ist zyklisch. Denn nach jedem Terroranschlag in Europa verzeichnen wir sofort einen Rückgang bei den chinesischen Besuchern.“ Und trotz anhaltender Terrorvorfälle ist man bei der Schiffsgesellschaft zuversichtlich, auch in diesem Bereich in Zukunft Wachstumsraten erzielen zu können.

„Wir müssen das Geld selbst mit unserem Unternehmen erwirtschaften, um es dann in die Zukunft zu investieren.“

Wenn man Plüss nach seiner Definition von gesundem Geschäft fragt, kommt der ursprünglich aus der Baubranche stammende Manager ohne Umschweife wieder auf die Philosophie des eigenen Unternehmens zurück:

Bildschirmfoto 2017-06-15 um 11.18.18„Unser Vorstand hat die Devise, den erzielten Cashflow wieder zu investieren. Das ist ganz klar. Das ist für mich nachhaltig: Wir müssen das Geld selbst mit unserem Unternehmen erwirtschaften, um es dann in die Zukunft zu investieren. Dank dieser These sind wir sehr agil, können uns entwickeln und haben eine klare Strategie.“ Denn „auf Pump“ zu wachsen kommt für das Urgestein am Vierwaldstättersee nicht infrage. „Wir müssen mehr verdienen, als wir ausgeben.“ Wohin der Weg für die 660-jährige St. Niklausen Schiffgesellschaft in Luzern führen wird, ist derzeit noch unklar. Trotz solider Basis birgt das vom Unternehmen angestrebte Wachstum zahlreiche Herausforderungen.

Mit der Devise „Mehr Geld einnehmen, als wir ausgeben“, die CEO Plüss 2014 von seinem Vorstand mit auf den Weg bekam, ist das Unternehmen aber vermutlich gut bedient. Und vielleicht geht sich dann auch noch das tausendjährige Jubiläum für das aus dem Mittelalter stammende Unternehmen aus. Schon im Jahr 2357 wäre es ja so weit.

 

Text: Klaus Fiala | klaus.fiala@forbes.at

fotos: Kilian Kessler

 

Klaus Fiala,
Chefredakteur

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