Europas bester Burger

Die Gründungsgeschichte von XO Grill könnte kaum schöner sein: Zwei beste Freunde aus Oberösterreich, die sich auf einem Techno-Rave in Linz kennenlernten, eröffnen aus der Not heraus ein Burger-Restaurant in Wien – und werden mit dem Titel „Bester Burger Europas“ ausgezeichnet. Doch die Gründer ruhen sich nicht auf diesem Erfolg aus: Das erklärte Ziel ist es, eine feste Grösse in der Wiener Gastronomieszene zu werden.

In seinem Restaurant in der Neubaugasse im siebten Wiener Gemeindebezirk fühlt sich Benjamin Hofer, Mitgründer von XO Beef und XO Grill, besonders wohl. Hier kann er seine lang­jährige Erfahrung als Food & Beverage Director in London einbringen, um kontinuierlich Abläufe zu beobachten und sie zu optimieren. Bei seiner Tätigkeit in England entstand auch die Idee, sein eigenes Fleisch-Business zu starten: „Ich habe in London gearbeitet und mich dort intensiv mit spanischen und portugiesischen Köchen aus­einandergesetzt. Dabei bin ich auf das Thema der ­alten Milchkühe aus Österreich gestossen, die auf der Iberischen Halbinsel sehr geschätzt werden“, erzählt er.

Dass das beste Rindfleisch Österreichs nur in Frankreich, Spanien, Portugal und anderen Steak-Nationen als exklusive Spezialität erhältlich ist – jedoch nicht in seiner Heimat –, liess Hofer nicht ruhen. Im ersten Schritt wandte er sich an seinen Jugendfreund Robert ­Weishuber, einen WU-Absolventen und „Zahlenmenschen“, und überredete ihn, gemeinsam einen Schlachthof in Salzburg zu besuchen. Die alten Milchkühe, die zu 100 % von kleinen österreichischen Bauern stammen, werden im Alter von zehn Jahren verarbeitet. Beim sogenannten Dry-Aging wird das aromatische Fleisch besonders zart und geschmackvoll. „Wir haben uns gefragt, ob wir ­etwas von diesem Fleisch kaufen könnten – und so begann es. XO steht für ‚extra old‘, und wir begannen damit, dieses Fleisch zu kaufen und zu vermarkten“, so Hofer. XO Beef spezialisierte sich auf den Handel mit Fleisch von alten Milchkühen und beliefert seitdem eine Vielzahl von Restaurants in Österreich und Süddeutschland. Dazu wird auch ein Onlineshop betrieben, in dem hochwertige Fleischschnitten, exklusive Spezialitäten, Feinkostprodukte und festgelegte Rindfleischboxen bestellt werden können.

Doch mit dem Beginn der Covid-19-Pandemie im Jahr 2020 sah sich XO Beef vor einer massiven Herausforderung. „Wir hatten eine Menge Fleisch, das wir aufgrund des Lockdowns nicht verkaufen konnten“, erzählt Hofer. Die Lösung, die die Geschäftsführer fanden, war ebenso kreativ wie pragmatisch: Sie entschlossen sich, ein Pop-up-Restaurant zu eröffnen, um das überschüssige Fleisch in Form von Burgern anzubieten.

Im Januar 2021 starteten sie in der Gumpendorfer Strasse in Wien-Mariahilf mit einem Pop-up-Restaurant, das schnell grosse Aufmerksamkeit erregte: „Wir haben damals Bio-Buns von Joseph Brot verwendet und gemeinsam mit Spitzenköchen einen Burger entwickelt. Einer unserer Mitarbeiter war früher Sternekoch und hatte durch den Lockdown viel Zeit, weshalb wir ihn zusammen mit einigen Freunden einbezogen haben, um einen richtig grossartigen Burger zu kreieren – den Smash Burger“, sagt Hofer. Der Name Smash kommt von der Zubereitungsmethode, bei der eine Kugel Faschiertes auf die heisse Grillplatte geworfen und flach gedrückt wird. Dieser Prozess führt zu einer dünnen, knusprigen Kruste auf der Unterseite des Burgers, während das Innere saftig und voller Geschmack bleibt.

Die Tageszeitung Kurier veröffentlichte ­einen grossen Bericht über die US-­amerikanische Burgerkette Five Guys, der den Hype und die ­langen Warteschlangen thematisierte. In ­diesem Artikel wurde auch kurz über „Two Guys“ in der Gumpendorfer Strasse berichtet, die ebenfalls Smash-Burger – mit österreichischem Fleisch und Bio-Buns – anbieten. Die Story sorgte dafür, dass sich auch vor „Two Guys“ eine lange Schlange bildete. Hofer und seine Familie lebten zu der Zeit noch in London – „als wir sahen, wie gut das Geschäft lief, entschieden meine Frau, unsere Kinder und ich uns kurzfristig, nach Wien zurückzukehren. Der Plan war, das Pop-up in ein festes Lokal umzuwandeln“, so Hofer.

Im Januar 2022 eröffneten sie ihr erstes fixes Restaurant in der Kettenbrückengasse in Wien-Margareten, ein kleines, aber feines Lokal mit etwa 25 Sitzplätzen und einer offenen Küche. Trotz anfänglicher Bedenken, ob die Menschen nach der Pandemie weiterhin Interesse an ihrem Angebot haben würden, erwies sich das Restaurant als Erfolg. Hofer: „Es hat sich herausgestellt, dass die Leute unser Konzept wirklich lieben und sich gerne wieder auswärts zum Essen treffen.“ Mehr noch: Die enorme Nachfrage machte die Expansion unumgänglich. „Das erste Lokal lief so gut, dass wir nach nur sechs Monaten gemerkt haben, dass wir an unsere Kapazitätsgrenzen stossen“, erzählt Hofer. „Die Griller haben nur eine begrenzte Grösse, aber die Nachfrage wurde so gross, dass die Leute auf Tische warten mussten. Wir wollten vermeiden, dass das irgendwann zu Frust bei den Gästen führt.“ So entstand der Plan, ein zweites Lokal zu eröffnen, um den Andrang besser bewältigen zu können und gleichzeitig eine neue Kundenschicht zu erreichen.

Die Wahl fiel auf den hippen siebten Bezirk. Nach einer dreimonatigen Renovierungsphase öffnete das neue Lokal in der Neubaugasse im Oktober 2022 seine ­Türen. Auch wenn es nicht sofort von Beginn an voll war, hat sich der Standort über die Monate etabliert. „Bis Februar hat es gedauert, bis wir hier richtig Fuss gefasst haben, aber dann hat es sich wirklich gut entwickelt“, sagt Hofer zufrieden. Eine Mittagskarte, die speziell für den neuen Standort kreiert wurde, half dabei, auch das Mittagsgeschäft anzukurbeln.

Der Erfolg der beiden Restaurants basiert auf innovativer Anpassungsfähigkeit und der strategischen Zusammenarbeit mit bekannten Köchen, die zur schnellen Bekanntheit und Exklusivität des Lokals beitrugen. So wurde beispielsweise Lukas Mraz, einer der bekanntesten Köche im deutschsprachigen Raum, ­eingeladen, einen eigenen Burger für das Restaurant zu ­kreieren. „Das ist ein Freund von mir, der bei mir in London auf der Couch geschlafen hat, und das hat natürlich voll eingeschlagen“, sagt Hofer und lächelt.

Diese Zusammenarbeit sorgte für viel ­Aufmerksamkeit, vor allem in den ­sozialen ­Medien, die eine wichtige Rolle im ­Marketing von XO Grill spielen. „Wir machen alle paar ­Wochen eine Kollaboration“, erklärt Hofer. Die Zusammen­arbeit mit Köchen wie ­Konstantin Filippou und anderen internationalen ­Grössen sorgt dafür, dass XO Grill als innovatives gastro­nomisches Erlebnis wahrgenommen wird: „Solche Sachen halten uns in den ­Köpfen der Leute“, betont Hofer. Auch die ­professionelle Medien­arbeit hat massgeblich zum Erfolg ­beigetragen – das Team von XO Grill ­arbeitete von ­Anfang an mit einer PR-Agentur zusammen, um hoch­wertige Fotos und Presse­mitteilungen zu ­er­stellen und an die richtigen Verteiler zu ­schicken. „Wenn du das nicht weisst, dann machst du es nicht, und dann schreibt auch ­niemand darüber“, sagt Hofer. Die Kombination aus Social Media, Medien­arbeit und kreativen Kooperationen hebt XO Grill von anderen Burgerläden ab. „Es gibt viele gute Burger in Wien, aber wir wollen etwas Einzigartiges schaffen“, fasst Hofer zusammen. Die intensive Arbeit und das durchdachte Konzept machten auch über die Wiener Stadt­grenzen hinaus von sich reden.

Im Mai 2024 erhielt XO Grill unerwartet ein ­E-Mail von der internationalen Reiseplattform Big 7 Travel, die das Restaurant auf ihre jähr­liche Liste der „50 Best Burgers in Europe“ setzte. Hofer und sein Team waren zunächst skeptisch und hielten die Nachricht für Werbung, bis sie die Liste durchgingen und feststellten, dass sie tatsächlich auf Platz eins standen. Die Frage, wie diese Liste zustande kommt, war für den Gastronomen von grossem Interesse – denn Big 7 Travel setzt nicht nur auf den Geschmack der Burger, sondern bewertet das Gesamtpaket. „Es ist nicht nur das einmalige In-den-Burger-Beissen“, erklärt Hofer; neben dem Geschmack spielen auch der Social-Media-Auftritt sowie Bewertungen in ­lokalen Medien eine entscheidende Rolle. „Sie haben das Gesamtpaket bewertet, und das macht uns stolz“, sagt Hofer.

Die Auszeichnung führte nicht nur zu medialer Aufmerksamkeit, sondern auch zu einem enormen Anstieg an internationalen Gästen. Die Welle von Touristen, die wegen des „besten Burgers Europas“ nach Wien kamen, brachte jedoch auch neue Herausforderungen mit sich: Während XO Grill bekannt dafür ist, hochwertige und kreative Burger zu servieren, waren manche Gäste offenbar auf der Suche nach etwas ­völlig Übertriebenem – „vielleicht mit Kaviar oder anderen exklusiven Zutaten“, so Hofer. „Aber das ist ein positives Problem. Lieber das als ein leeres Lokal.“ Doch der plötzliche Ansturm setzte das Team stark unter Druck. „Wir waren nach ein paar Wochen wirklich an der Grenze“, erinnert sich Hofer. Um dem Andrang gerecht zu werden, musste das Team schnell neue Mitarbeiter rekrutieren. „Die Mitarbeiter waren alle ausgebrannt, und dann versuchst du schnell, neue Leute zu ­bekommen“, erklärt er. Zum Glück half die Auszeichnung auch bei der Personalbeschaffung: „Es war ein Vorteil, dass die Leute gehört haben, dass es bei uns viel Nachfrage gibt“, so Hofer. Stand heute arbeiten 27 Mitarbeiter an den beiden Standorten von XO Grill.

Was die Zukunft angeht, sind Hofer und Weishuber ehrgeizig, aber auch realistisch: Zurzeit sind keine Schritte zur Expansion ausserhalb des Landes geplant. „Wir glauben, dass in Wien noch Platz für ein bis zwei weitere Lokale ist“, meint Hofer. Der zweite und der neunte Bezirk seien potenzielle Standorte, die das Unternehmen im Blick hat. Doch bevor XO Grill weiter ­expandiert, steht die interne Organisation im Vordergrund: „Wir wollen unsere Struktur festigen, bevor wir weitere Schritte machen“, sagt Hofer. „Das bedeutet, dass wir unsere Trainingsprogramme, das Personal­management und die Logistik verbessern müssen, damit alles auf ­einem soliden Fundament steht.“

Ein Franchisemodell kann sich das XO-Grill-Team nicht vorstellen: „Ich bin unfähig, das alles detailliert aufzuschreiben und einen Franchisekatalog zu machen. Das interessiert mich null“, stellt Hofer klar und ergänzt: „Wenn ich zehn Lokale eröffne, brauche ich wahrscheinlich einen Investor, der dann auch Vorgaben macht. Wir wollen aber weiterhin unsere eigenen Entscheidungen treffen und uns nicht von aussen beeinflussen lassen.“

Für die Zukunft peilen Hofer und sein ­Geschäftspartner Weishuber an, ein paar aus­gewählte Standorte zu eröffnen. Der persön­liche Bezug soll nicht verloren gehen: „Für uns ist eher Plachutta ein Vorbild als irgendwelche inter­nationalen Ketten wie Le Burger. Wir wollen, dass jedes unserer Lokale wie das Original wirkt – unabhängig davon, wie viele Standorte wir haben.“

Nach einem Studium der Tourismuswirtschaft an der Johannes Kepler Universität Linz startete Benjamin Hofer seine Karriere in der Gastronomie Londons, wo er führende Positionen in renommierten Hotels wie dem Hotel Café Royal und dem Nobu Hotel London Portman Square innehatte. 2016 gründete Hofer mit XO Beef sein eigenes Unternehmen in Österreich, dem 2020 sein erstes Restaurant, XO Grill, folgte.

Fotos: Katharina Gossow

Up to Date

Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen Sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.