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Als Direktorin des deutschsprachigen Knotenpunkts von EIT Health – einer von acht Knowledge and Innovation Communities des Europäischen Instituts für Innovation und Technologie (EIT) – begleitet Katharina Ladewig ein europäisches Gesundheitsnetzwerk aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Corona bedeutete für EIT Health ein Umdenken auf allen Ebenen – und eine Chance.
Im Schnitt sind es 9,9 % des Bruttoinlandsprodukts – umgerechnet satte 340 Milliarden € pro Jahr –, die die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union für die Gesundheit ihrer Bürger ausgeben. 2.887 € pro Einwohner werden im EU-Schnitt in das Wohlergehen investiert. Doch während Bereiche wie Aussen-, Sicherheits- und vor allem Wirtschafts- und Währungspolitik in Europa in den letzten Jahren zunehmend integriert wurden, ist die Gesundheit weiterhin nationale Hoheit.
Seit 1997 regelt der Vertrag von Amsterdam dieses Prinzip völkerrechtlich, und obwohl immer wieder Diskussionen aufkommen, spielte die Idee einer europäischen Gesundheitspolitik auch im Europa-Wahlkampf 2019 nur eine untergeordnete Rolle. Unterschiedliche Versicherungs-, Verwaltungs- und IT-Systeme machen die sowieso schon komplexe europäische Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich besonders herausfordernd. Doch die Coronavirus-Pandemie verdeutlichte auf einen Schlag nicht nur die Relevanz der Gesundheitssysteme für Gesellschaft und Wirtschaft, sondern stellte auch die Frage der europäischen Zusammenarbeit neu.
Denn während die Politik sich auch in Gesundheitsfragen stark auf nationale Fragen fokussierte, zeigte sich in der Wirtschaft, dass eine enge überregionale und europäische Zusammenarbeit nicht nur vorteilhaft, sondern notwendig ist – denn nicht nur bei der Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten gegen Covid-19, sondern auch bei der Skalierung von Jungunternehmen in der Gesundheitsbranche sind nationale Grenzen irrelevant.
Wir haben in den letzten Wochen unheimlich schnell zahlreiche Initiativen auf die Beine gestellt.
Und genau da setzt die Arbeit von EIT Health an. Das Europäische Innovations- und Technologieinstitut (EIT) mit Sitz in Budapest verknüpft Unternehmen sowie Bildungs- und Forschungseinrichtungen, damit diese besser zusammenarbeiten – um so ein günstiges Umfeld für Innovation und Unternehmertum in Europa zu schaffen. Das EIT unterstützt derzeit acht sogenannte Knowledge and Innovation Communities (KICs), Katharina Ladewig leitet den deutschsprachigen Knotenpunkt jener KIC, die durch Corona zunehmend in den Fokus rückte: EIT Health. EIT Health arbeitet wie die anderen KICs auch an der Schnittstelle von Wissenschaft und Wirtschaft, bringt relevante Akteure zusammen und baut in der EU Netzwerke, die Europas Innovationskraft verstärken und so Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen sollen. „Wir unterstützen Wissenschaft – vor allem in der späten Transferphase –, damit die Forschung wirklich beim Menschen ankommt“, so Ladewig im Interview, das wir aufgrund der Pandemie via Zoom mit ihr führten.
Ladewig selbst weiss um die Herausforderungen in der wissenschaftlichen Arbeit. Sie studierte ursprünglich Chemie an der Technischen Universität in Chemnitz, bevor sie im australischen Brisbane an der University of Queensland ihr Doktorat in Biomedizintechnik ablegte.
Ihre Karriere startete sie dann an der University of Melbourne, wo sie zunächst an der Schnittstelle zwischen Biomedizin, Biotechnologie und Chemie tätig war und sich später mit der Translation von ersten Forschungsansätzen im Labor hin zum Patienten beschäftigte. 2015 schloss sie einen MBA an der University of Melbourne ab und übernahm dann erst die Leitung von EIT Health UK-Ireland für Grossbritannien und Irland und Anfang 2018 dann schliesslich den deutschsprachigen Knotenpunkt EIT Health Germany (mit Verantwortung für Deutschland, Österreich und die Schweiz). Ihre Erfahrung kommt Ladewig heute zugute: „Ich fand die interdisziplinäre Übersetzungsarbeit in meiner früheren wissenschaftlichen Arbeit immer sehr spannend. Heute versuche ich, diese Erfahrungen in den Gesprächen mit Gründern einzubringen, wenn sie mit ihren ersten Ideen an uns herantreten“, sagt Ladewig.
Katharina Ladewig
... studierte bzw. promovierte in Chemie und Biomedizintechnik in Deutschland und Australien. Seit Anfang 2018 ist sie Direktorin von
EIT Health Germany.
Covid-19 erschwerte die Zusammenarbeit für EIT Health. Sowohl die Kooperation von Forschung und Wirtschaft als auch jegliche supranationalen Projekte wurden hart auf die Probe gestellt. Ladewig: „Viele unserer Partner mussten über Nacht komplette Stationen schliessen, das hatte natürlich negative Effekte auf laufende Projekte.“ Zu den EIT-Health-Partnern zählen derzeit rund 150 Unternehmen und Institutionen, darunter etwa Industriekonzerne wie Siemens, Philips, Roche, Boehringer Ingelheim oder das österreichische Versicherungsunternehmen Uniqa – aber auch Universitäten wie die ETH Zürich, die RWTH Aachen, die Universitäten in Cambridge, Oxford, Heidelberg oder Stockholm oder universitäre Initiativen wie der TU-Wien-Inkubator Inits zählen zu den Verbündeten von EIT Health. Doch Corona stellte nicht nur die Partner, sondern auch EIT Health selbst vor neue Herausforderungen. „Wir sind ein Innovationsnetzwerk, das Menschen und Ideen zusammenbringt“, so Ladewig über das eigene Tun. „Wir konnten plötzlich keine Veranstaltungen mehr ausrichten – da musste sich das gesamte Netzwerk umorientieren.“ Sie fügt hinzu: „Die digitale Kaffeemaschine, an der man sich trifft, hat bisher leider noch niemand erfunden.“
Damit die Vernetzung trotzdem funktionierte, hat EIT Health sehr früh eine „Community Response Plattform“ ins Leben gerufen. In Spanien herrschte schon bald nach Ausbruch der Pandemie ein Mangel an Beatmungsgeräten – über die Plattform wurden spanische EIT-Health-Partner daraufhin mit einem französischen Arzt vernetzt, der ein klinisches Protokoll entwickelt hatte, mit dem es möglich war, mit einem Gerät nicht nur einen, sondern zwei Patienten beatmen zu können. „Das ist nur eine kleine Anekdote, an der man aber sehr gut den Mehrwert eines europäischen Netzwerks zeigen kann“, so Ladewig. Zudem wurden im Zuge der Covid-19-Aktivitäten von EIT Health Industrie- und universitäre Partner in sogenannten „Rapid Response“-Projekten kurzfristig finanziell unterstützt und die bereits etablierten „Headstart-Projekte“ für Start-ups, die deren Anschubfinanzierung gewährleisten sollen, wurden um eine eigene Covid-19-Kategorie erweitert. Dort sollen Lösungen gefunden werden, die dabei helfen, die Zeit bis zu einer Impfung zu überbrücken. EIT Healths Covid-19-Aktivitäten kamen aber auch Gründern zugute, deren Investitionsrunden durch die Coronakrise zu platzen drohten.
Ladewig: „Die Start-ups hätten die Finanzierungssummen in normalen Zeiten auch ohne uns aufgestellt, aber die Verunsicherung der Investoren machte dies zum Zeitpunkt der Krise nahezu unmöglich. Viele Jungunternehmen haben uns daher kontaktiert, weil sie nicht sicher waren, ob sie diese Phase überhaupt überleben werden.“ Hier konnte EIT Health mit einem Start-up-Rettungsschirm seine Stärken beweisen: Über ein eigenes Start-up-Rescue-Investment-Instrument wurden insgesamt elf Health-Start-ups mit jeweils 500.000 € unterstützt und durch die von EIT Health gegebene Sicherheit weitere Co-Investments durch externe Investoren garantiert.
Die acht Knowledge and Innovation
Communities (KICS) des EIT
„Wir haben in den letzten Wochen unheimlich schnell zahlreiche Initiativen auf die Beine gestellt. Dabei war die Zusammenarbeit mit dem EIT in Budapest wichtig, die unbürokratisch und gemeinschaftlich ablief“, so Ladewig. Im Rahmen des „Rapid Response“-Programms zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie wurden den EIT-Health-Partnern zudem noch einmal sechs Millionen € für auf Covid-19 fokussierte Initiativen zur Verfügung gestellt. Im ganzen EIT-Verbund wurden rund 60 Millionen € an zusätzlicher Finanzierung organisiert, die der Bekämpfung der Folgen des Coronavirus zugutekommen sollen.
Ladewig ist überzeugt, dass die aktuelle Krise genau aufgezeigt hat, welchen Mehrwert paneuropäische Netzwerke wie EIT Health insbesondere in Krisenzeiten bieten: „Wir konnten Start-ups, Innovatoren, Grosskonzernen und Universitäten neben der finanziellen Unterstützung schnell eine Vernetzungsplattform bieten.“
Damit geht das EIT in gewisser Weise zurück zur Idee der Gründung, die 2010 stattfand. Alte und junge Unternehmen, Organisationen aus Wissenschaft und Politik sollten überregional enger zusammengebracht werden. Neben dem Health-KIC gibt es sieben weitere KICs, in denen diese Arbeit passiert: Climate, Digital, Food, InnoEnergy (nachhaltige Energie), Manufacturing, Raw Materials und Urban Mobility. Ziel einer jeden dieser Communitys ist es, dass am Ende der Förderung durch die EU ein lebendiges, überregionales, sich selbst tragendes Netzwerk bestehen bleibt. „Dann ist es an dem Netzwerk selbst, die notwendigen Mittel für das Weiterbestehen aufzubringen“, so Ladewig. Künftig wird es also wichtig sein, dass EIT Health wie alle EIT-KICs ein eigenes „Geschäftsmodell“ entwickelt, um die Finanzierung des Netzwerks langfristig zu sichern.
Bereits heute tragen die Mitglieder des Netzwerks einen Grossteil der Netzwerkkosten selbst bei, während die EU einen Grossteil der Projektkosten trägt. Zukünftig werden kluge Investitionen in vielversprechende Start-ups, die später Renditen abwerfen, aber auch nationale Fördertöpfe die derzeitige Projektförderung der EU (aktuell rund 95 Millionen €) ersetzen. Bereits heute unterstützen die Länder Bayern und Baden-Württemberg die Arbeit von EIT Health finanziell und sichern so insbesondere die europäische Vernetzung lokaler Universitäten und Gründerzentren.
Wir unterstützen Wissenschaft, damit die Forschung wirklich beim Menschen ankommt
Zehn Mitarbeiter sind für EIT Health Germany in Mannheim tätig – von hier aus werden Partner in der gesamten DACH-Region betreut. Europaweit arbeiten für EIT Health rund 160 Personen (wovon 70 am Hauptsitz in München tätig sind). Wie viel Geld EIT Health in Deutschland zur Verfügung hat, will Ladewig nicht sagen. „Wir brechen die Summen bewusst nicht auf einzelne Regionen herunter, um diese nicht gegeneinander auszuspielen. Wir sehen uns als Verbund, alle Projekte sind grenzüberschreitend. Initiativen wie unsere Innovation Days finden zum Beispiel in zehn Ländern
gleichzeitig statt.“
Doch ebendiese Idee der europäischen Zusammenarbeit kam durch die jüngste Krise ordentlich unter Druck. Reisebeschränkungen, Lockdowns, nationale Rettungspakete und Uneinigkeit unter den EU-Regierungschefs führten zu einem Fokus auf das eigene Land. Ist Corona also eine fundamentale Gefahr für die Grundidee des EIT? Ladewig sieht diese Gefahr nicht: „Auf die eigenen nationalen Interessen zu achten schliesst ja nicht aus, sich auch mit jenen auf europäischer Ebene auseinanderzusetzen. Und Deutschland und Frankreich haben in der Krise eindeutig gezeigt, dass sie an europäischen Lösungen interessiert sind.“
Insbesondere die Gesundheitsbranche ist jedoch noch stark national organisiert. Doch auch das sieht Ladewig als Vorteil: „Wenn ein österreichisches Start-up aus dem Healthcare-Bereich Erfolg am heimischen Markt hatte, muss es bei einer Expansion nach Deutschland wieder Aufbauarbeit leisten, um den neuen Regulatorien zu entsprechen. Bei solchen Anstrengungen können wir mit unserem Netzwerk helfen und begleiten.“ Und wer weiss – vielleicht ist die aktuelle Pandemie tatsächlich die Initialzündung für eine ernst zu nehmende Gesundheitspolitik auf europäischer Ebene? Denn wenn die Krise eines gezeigt hat, dann, dass Gesundheit zwar noch nationale Angelegenheit ist – aber in Zeiten von Corona kann ein einzelner Staat weder die Ausbreitung stoppen noch die Bekämpfung des Virus alleine schaffen. Und EIT Health und Katharina Ladewig haben für sich selbst bewiesen, dass die eigene Arbeit Sinn und Mehrwert stiftet: „Wir glauben, dass unser Ansatz gerade jetzt der richtige ist.“
Text: Klaus Fiala
Fotos: EIT Health
Dieses Advertorial erschien in unserer Forbes Daily "Health & Wealth".