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Bei mir am Institut für Entrepreneurship und Innovation an der Wirtschaftsuniversität Wien haben wir uns die im Titel gestellte Frage im Rahmen einer Studie vor Kurzem genauer angesehen – mit überraschenden Ergebnissen. Forscherin Donatella Rubelj befragte 89 angehende Entrepreneure und 70 Nicht-Entrepreneure von gleichem Alter und Bildungsgrad sowie der gleichen Geschlechterverteilung mithilfe eines Messinstruments, das von Brauer und Chaurand (2009) entwickelt worden war.
Den Versuchsteilnehmern wurden insgesamt 21 alltägliche Regelverletzungen vorgelegt. Ihre Aufgabe war es, diese nach dem von ihnen subjektiv wahrgenommenen Grad der Normverletzung zu beurteilen. Sie sollten sich vorstellen, sie würden einen ganz normalen jungen Mann beobachten, wie er die jeweiligen Verhaltensweisen zeigen würde. Wie schlimm würden sie den Regelverstoss finden? Die Skala reichte von 1 = kein Problem bis 10 = sehr schlimm.
Betrachtet man zunächst die Gruppe der kleineren strafrechtlichen Vergehen, so zeigt sich, dass Entrepreneure diese insgesamt signifikant weniger dramatisch finden als Nicht-Entrepreneure. Durchaus noch entschuldbar finden es Entrepreneure beispielsweise, wenn jemand Zierblumen in einem botanischen Garten pflückt (Mittelwert = 5,1); das möglicherweise romantische Ziel des Übeltäters scheint sie etwas zu besänftigen. Nicht-Entrepreneure verstehen in diesem Punkt signifikant weniger Spass (Mittelwert = 6,3).
Auch unerlaubtes Parken auf dem Gehsteig erscheint Entrepreneuren eher als lässliche Sünde (Mittelwerte 5,2 vs. 6,0). Wenn es um wirkliche Delikte geht, wie eine Zeitung im Geschäft „mitgehen“ zu lassen (Mittelwerte 7,2 vs. 7,5), gibt es jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen – solches Verhalten lehnen beide stark ab. Taschendiebstahl kommt Entrepreneuren sogar etwas schlimmer vor als Nicht-Entrepreneuren (8,3 vs. 8,1).
Auch bei der Gruppe der kleineren zivilrechtlichen Vergehen gibt es insgesamt keinen signifikanten Unterschied. Entrepreneure und Nicht-Entrepreneure sehen Regelverletzungen in diesem Bereich gleichermassen besonders kritisch – eher kritischer sogar als kleine strafrechtliche Sünden. Gewisse Unterschiede zwischen den Gruppen zeigen sich dennoch auch hier: So finden es Entrepreneure am schlimmsten, wenn eine Person in einem öffentlichen Gebäude raucht – die patzige Unhöflichkeit, die in diesem Verhalten liegt, scheint sie besonders zu stören. Nicht-Entrepreneure dagegen stossen sich vor allem am glatten Regelbruch, der zum Ausdruck kommt, wenn eine Person sich weigert, einen reservierten Platz im Zug freizugeben. Am erstaunlichsten ist jedoch, dass es auch im Bereich der moralisch begründeten Normen und Konventionen insgesamt keine signifikanten Unterschiede zwischen Entrepreneuren und Nicht-Entrepreneuren gibt.
Insgesamt ergibt sich ein interessantes Bild: Die Entrepreneure wirken eher wie Schlitzohren, die es mit dem Übertreten von kleineren Vorschriften nicht immer genau nehmen. Bei aller Bereitschaft zum Regelbrechen scheinen ihnen Höflichkeit und persönlicher Respekt aber dennoch sehr wichtig zu sein – ein sympathischer Zug. Wer die Welt ändern will, kann dies schliesslich auch auf nette Weise tun!
Nikolaus Franke ist Akademischer Leiter des Professional MBA Entrepreneurship & Innovation der WU Executive Academy, Leiter des Instituts für Entrepreneurship & Innovation an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU), des WU Gründungszentrums und der WU User Innovation Research Initiative.