Elektro-Entertainment auf dem Wasser

Bei der Rennserie E1 treten elektrische ­Powerboote ­gegeneinander an. Die Gründer präsentieren den neu ­entwickelten Sport als nachhaltig und innovativ – und als Spektakel mit Promifaktor.

Früher Morgen in London. Die Themse schleppt sich als grauer Strom am Big Ben vorbei. Der vertraute Glockenschlag ruft das Regierungsviertel zur Arbeit. Da flitzen plötzlich zwei Boote über den Fluss; sie erinnern an Raumschiffe aus „Star Wars“ und scheinen über der Wasseroberfläche zu schweben. Touristen und Passanten staunen, während die futuristischen Flitzer am London Eye vorbei in Richtung Tower Bridge jagen.

Die beiden vollelektrischen Powerboote sind „Race Birds“ der Rennserie E1. An diesem Tag Anfang August präsentiert sich der noch junge Sport – und das damit verbundene Spektakel – in London. Die Regatta will bekannter werden und frisches Geld von Inves­toren einsammeln. Die Londoner Bank Rothschild,
die als Beraterin fungiert, soll Family Offices und Risiko­kapitalgeber für eine Finanzierungsrunde im ­Umfang von 25 Mio. € auftreiben.

Auch Rodi Basso, ein aus Italien stammender Ingenieur und ehemaliger Formel-1-Techniker, ist an diesem Tag in London anwesend. Basso hat den Sport mitgegründet und verantwortet als CEO den Aufbau der Marke. „Ein sehr emotionaler Moment“, sagt Basso, während er seine Rennboote begutachtet und Journalisten den Sport vorstellt. „In London wurde die Idee von E1 während eines Spaziergangs am Ufer der Themse geboren. Vier Jahre später sind wir zurück und die Vision ist wahr geworden.“ Doch was steckt hinter der Marke E1? Was ist Bassos Vision?

Die erste vollelektrische Powerboat-Rennserie der Welt will Motorsport, Segeln und Elektromobilität vereinen. Die „Race Bird“-Boote werden mit Trag­flügel-Technik (Hydrofoils) angetrieben, wodurch sie über die Wasseroberfläche zu schweben scheinen. Die Boote sind rund 50 Knoten schnell, was umgerechnet rund 90 Stundenkilometern entspricht.

Elektroingenieur Basso hat viele Jahre Erfahrung
in der Formel 1 gesammelt. Er arbeitete für Ferrari, Red Bull Racing und zuletzt für McLaren. Während seiner Zeit beim englischen Rennstall kam ihm die Idee, die Elektrifizierung von der Strasse aufs Wasser zu bringen. So entstand das Konzept zur weltweit ersten vollelek­trischen Regatta. Mit Alejandro Agag, einem Unternehmer und ehemaligen Politiker, fand er einen Mitstreiter. Agag gilt als Pionier des nachhaltigen Motorsports und hat bereits die Elektro-Rennserien Formel E und Ex­treme E erfolgreich entwickelt.

Die Idee war da – nun ging es ans Fundraising. Die Gründer pitchten ihre Idee Amerikas NFL-Legende Tom Brady, der heute in Sportunternehmen und -teams investiert, vom englischen Fussballklub Birmingham City bis zum NFL-Team Las Vegas Raiders. Brady liess sich überzeugen und investierte in ein Team mit seinem Namen (das im vergangenen Jahr prompt die erste Rennserie gewann).

Kaum war Brady an Bord, folgten weitere Promis. Heute wird jedes der neun E1-Teams von einem berühmten Investor angeführt, darunter Tennisstar Rafael Nadal, Schauspieler Will Smith, Latino-Ikone Marc Anthony, Ex-Fussballstar Didier Drogba und Basketball-Legende LeBron James.

Das Geschäftsmodell der E1 basiert auf Hosting-­Gebühren, die Gastgeberstädte wie Monaco, Venedig, Puerto Banús (Marbella) und Genf entrichten. Auch in exotischen Zielen abseits der üblichen Regatta-Zirkusse, etwa Lagos (Nigeria) und Jeddah (Saudi-Arabien), flitzen die Powerboote. Wich­tiger als der Wettkampf, so wirkt es, ist aber das Spektakel drum herum. Deswegen würde Basso auch gerne einen Wettbewerb in einer Weltstadt veranstalten – in London etwa.

In London wurde die Idee von E1 während eines Spaziergangs am Ufer der Themse geboren. Vier Jahre später sind wir zurück und die Vision ist wahr geworden.

Rodi Basso

Zum Markenkern von E1, so erklärt Basso, gehöre „Nachhaltigkeit“. Das sei kein Marketing-Gag, sondern die Basis des Unternehmens. Der Gründer zählt auf: Die Antriebstechnik der Boote sei emissionsfrei, die Wettrennen seien klimaneutral und die Auswirkung auf die Umwelt und die Ökosysteme am Ufer sei gering. Während eines Events auf dem Comer See, erzählt Basso, hätten Wissenschaftler untersucht, ob das Surren der Boote die Vögel störe. Ergebnis: Man habe die Vögel sogar zwitschern und singen gehört – von Lärmbelästigung könne also keine Rede sein.

Auch auf Inklusion setzt die E1-Serie: Jedes Team besteht aus einem Pilotenduo, einem Mann und einer Frau, die in unterschiedlichen Phasen des Wettkampfs das Steuer übernehmen. Das futuristische Design der Powerboote geht auf die Norwegerin Sophi Horne zurück, deren Start-up Seabird Technologies die Dekarbonisierung der maritimen Schifffahrt vorantreiben will.

Wie traditionelle Regatten spricht E1 ein vermögendes Publikum mit einem Sinn für Luxus an. Basso aber sieht seinen Sport als Innovationstreiber. Das erwartet auch sein wichtigster Investor, der Public Investment Fund (PIF), der Staatsfonds von Saudi-Arabien. Das autokratisch regierte Königreich, das häufig wegen seiner schwerwiegenden Einschränkungen der Menschenrechte kritisiert wird, investiert massiv in Sport; auch, um sein Image aufzupolieren. Basso kennt diese Vorwürfe, er will aber lieber über die Chancen für sozialen Wandel sprechen: E1 soll laut ihm junge Menschen beider Geschlechter für Zukunftstechnologien und Ingenieurwissenschaften begeistern – auch in Saudi-Arabien.

Auch dank des saudischen Geldgebers glaubt Basso an langfristigen Erfolg. In fünf Jahren, so der Plan, soll die E1-Rennserie mehr als 500 Mio. € wert sein. Die Schifffahrtsindustrie, so Basso, hinke hinsichtlich nachhaltiger Antriebe der Automobilindustrie weit hinterher – mit seiner glamourösen Rennserie will er dazu beitragen, dass sich das ändert.

Fotos: E1 Series

Reinhard Keck

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