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Sieben Jahre sind vergangen, seit der ehemalige Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg seine „zweite Karriere“ gestartet hat. Seither hat sich Rosberg als Investor einen Namen gemacht, der vorrangig in grüne Tech-Start-ups investiert. Doch nun plant der Deutsche den nächsten Wurf: Rosberg will seine Aktivitäten als Investor bündeln und setzt sich dabei das grosse Ziel, einen eigenen VC-Fonds aufzulegen.
Und hier war dann immer mein Platz“, sagt Nico Rosberg grinsend, als er mit seinem vollelektrischen Audi über den Boulevard Albert 1er düst. Mit „seinem Platz“ meint der ehemalige Rennfahrer in diesem Fall jenen Ort, der beim Grossen Preis von Monaco stets für die Poleposition reserviert ist. 2013 und 2014 startete Rosberg tatsächlich als Erster in das vielleicht prestigeträchtigste Formel-1-Rennen, beide Male gewann er den Grand Prix dann auch. Und der Deutsche setzte 2015 noch einen drauf, als er den Hattrick komplett machte und sein „Heimrennen“ – Rosberg wurde zwar in Wiesbaden geboren, wuchs aber in Monaco auf – zum dritten Mal hintereinander für sich entschied.
Dass er ein Jahr später, in der Formel-1-Saison 2016, in Monaco nur als Siebter ins Ziel fuhr, machte am Ende keinen Unterschied – denn in der gleichen Saison sollte der heute 38-Jährige vor Lewis Hamilton Formel-1-Weltmeister werden. Direkt danach gab er mit 31 Jahren seinen Rücktritt bekannt.
Doch im Ruhestand ist Rosberg nur in Bezug auf die Formel 1 – denn in den letzten sieben Jahren hat er sich einen exzellenten Ruf als Investor und Unternehmer aufgebaut; 35 Start-ups befinden sich in Rosbergs Portfolio, Tendenz steigend. „Wir machen aktuell einen Deal pro Monat“, so der ehemalige Formel-1-Weltmeister, als Forbes ihn zum Interview in Monaco trifft. Zwar ist Rosberg gemessen an „den Grossen“ in der Venture-Capital-Szene ein eher kleiner Investor (seine Tickets betragen meist unter 100.000 US-$), er bringt aber mit seinem Namen und seiner Bekanntheit einen ganz eigenen, anderen Reiz mit.
Auf Instagram folgen ihm rund zwei Millionen Menschen, bei Youtube hat er rund 1,4 Millionen Follower. Rosberg: „Ich investiere Seite an Seite mit den Besten der Welt. Die Frage ist dann immer: Wie kann ich dem Start-up überhaupt helfen?“ Die Antwort gibt der ehemalige Leistungssportler gleich selbst: mit seinem Netzwerk und seiner Präsenz. „Als ehemaliger Rennfahrer ist man schon ein gewisser Joker. Doch dann muss ich auch liefern, sonst bringt das niemandem etwas.“ Mit seinen sportlichen Erfolgen sowie seinen anschliessenden Investments hat sich Rosberg ein achtstelliges Nettovermögen aufgebaut. Doch für ihn ist das erst der Anfang: Unter dem Namen „Rosberg Ventures“ bündelt der Investor nicht nur seine Aktivitäten in der Start-up-Welt, sondern will zudem auch einen eigenen VC-Fonds starten. „Ich habe mir jetzt acht Jahre lang ein starkes Netzwerk sowie Stakes in zahlreichen spannenden Start-ups erarbeitet. Ein eigener Fonds wäre der logische nächste Schritt.“
Aufzulisten, was Rosberg in seiner zweiten Karriere alles macht, braucht etwas Zeit. Der grösste Teil ist sein Start-up-Portfolio, das Unternehmen wie die deutschen Robotaxihersteller Volocopter und Lilium Aviation, das Schokolade-Start-up The Nu Company, das britische Unternehmen „What3Words“, das die Welt über Wortkombinationen georeferenziert, sowie das deutsche Fintech Ivy umfasst. Kürzlich kam Guided Energy dazu, ein SaaS-Start-up mit Sitz in Paris, das Unternehmen eine Lösung für das Energiemanagement ihrer Elektroflotten anbietet.
Rosberg investiert mittlerweile branchenagnostisch, der Grossteil seiner Portfoliounternehmen stammt aber noch immer aus den Bereichen Climate Tech und grüne Mobilität. Seinen Ruf als „grüner Investor“ hat er sich über die Jahre erarbeitet: 2019 gründete er gemeinsam mit Marco Voigt und Sven Krüger das Greentech Festival in Berlin mit, das zuletzt rund 20.000 Besucher anzog. Rosberg ist ausserdem bei der Formel E investiert und besitzt – wie auch seine Rennfahrerkollegen Lewis Hamilton oder Jenson Button – einen Rennstall in der Extreme E. Diese Rennserie lässt Autos mit alternativen Antrieben (ab der nächsten Saison sind alle Fahrzeuge mit Wasserstoffantrieb unterwegs) in abgelegenen Locations fahren, die von der Klimakrise negativ beeinflusst wurden. Sie zog 2022 rund 135 Millionen Zuseher an.
Aufgrund steigender Zinsen und schwächelnder Konjunktur ist 2023 ein „Innovationswinter“ über den Markt hereingebrochen. Die deutlich korrigierten Bewertungen am VC-Markt gehen auch an namhaften Investoren nicht spurlos vorbei. „Ich spüre das schon im Portfolio, klar“, sagt Rosberg. Beispiele wären etwa der E-Scooter-Hersteller Tier, in den Rosberg investiert ist und der zwischenzeitlich mit zwei Mrd. € bewertet war; nach grossen Schwierigkeiten fusionierte Tier zuletzt mit dem direkten Wettbewerber Dott. Eines von Rosbergs ersten Investments, der US-amerikanische Ladeinfrastrukturanbieter Chargepoint, verlor vom Höhepunkt des Börsenkurses im Jahr 2020 (46,10 US-$) bis zuletzt rund 95 % seines Kurswerts.
Wegen des schwierigeren Marktumfelds seine Positionen signifikant zu reduzieren hält er dennoch für falsch. „Ich investiere auf einen Horizont von zehn Jahren, da darf man nicht versuchen, den Markt zu timen. Man muss konstant bleiben.“ Rund 25 % seines Gelds investiert er in Venture Capital, neben den direkten Start-up-Investitionen auch in Fonds. Der Grossteil seines Geldes, rund drei Viertel, steckt aber in Public Equities, also Aktien oder Anleihen. Und auch da hält der Deutsche nichts davon, den Markt zu timen, sondern folgt dem Rat von Investorenlegende Warren Buffett: „Einfach ETFs kaufen.“
Dass der ehemalige Weltmeister eines Sports, bei dem hoch bezahlte Rennfahrer mit Verbrennungsmotoren stundenlang und teils in der Wüste im Kreis fahren, nun als Aushängeschild für grüne Mobilität gilt, entbehrt natürlich nicht einer gewissen Ironie. Rosberg: „Ist das ein Widerspruch? Nein. Das eine ist meine sportliche Leidenschaft – und Elektromobilität und Nachhaltigkeit sind eben einige der Themen, die mich heute am meisten begeistern. Die habe ich aber erst nach meinem Sport entdeckt; ich kann ja nicht einfach die Leidenschaft für meinen Sport ausschalten.“
Heute ist der Ex-Rennfahrer als Kommentator noch immer Teil des Formel-1-Zirkus. Das hat aber nicht nur mit seiner Passion zu tun – den medialen Höhenflug, den der Rennsport in den letzten Jahren erfuhr, kann Rosberg auch anders nutzen: „Ich mache das auch, weil es eine Beschleunigung für alle anderen Projekte bedeutet, die ich umsetzen möchte.“
Für den nächsten Schritt ist Rosberg durchaus bereit, viel zu opfern. Seine Immobilienobjekte – Rosbergs Frau Vivian Sibold ist als Innenarchitektin tätig – hat er fast gänzlich verkauft, auch Autos besitzt Rosberg überraschenderweise keine. Er nutzt im Alltag zwei Fahrzeuge – einen Audi und einen Mercedes –, die aber beide geleast sind. Auch seine Social-Media-Tätigkeit fährt Rosberg aktuell etwas zurück. „Social Media sind einfach sehr zeitaufwendig. Dort mache ich gerade etwas weniger, um mehr Zeit als Investor zu haben“, so der Deutsche.
Ob und wann der Fonds kommt, welches Volumen er hat oder welche Investment-Hypothese er verfolgen wird – und auch, unter welchem Namen er letztendlich firmiert –, all das ist derzeit noch offen. „Das ist aktuell unmöglich zu sagen“, so Rosberg. Die Vergangenheit zeigt aber auch, dass Rosberg Ziele, die er sich setzt, meist auch erreicht.
Dass der damalige Mercedes-Pilot 2013 erstmals auf der Rennstrecke in Monaco triumphierte, war nicht nur besonders, weil er im Stadtstaat aufgewachsen war. Der Triumph kam auch, exakt 30 Jahre nachdem sein Vater Keke Rosberg den Grand Prix 1983 zum ersten Mal gewonnen hatte. Im Jahr zuvor war Rosberg senior, ein Finne, Formel-1-Weltmeister geworden – den Rennsport hat Nico Rosberg also quasi im Blut. Neben Deutsch spricht Rosberg auch Französisch, Italienisch und Spanisch – die Familie hat ein Haus auf Ibiza, Rosbergs Frau betreibt dort heute eine beliebte Eisdiele. Finnisch spricht er trotz der Tatsache, dass er die Staatsbürgerschaft des nordischen Staats hat, nicht.
Rosberg fing mit sechs Jahren an, Gokart zu fahren. Im Alter von 13 Jahren wurde er Vizeeuropameister in der Formel A – geschlagen nur von seinem späteren Teamkollegen und Rivalen Lewis Hamilton. Über die verschiedenen Klassen schaffte er es 2006 zu Williams in die Formel 1, 2010 wechselte er zu Mercedes. Erst fuhr er neben Michael Schumacher, 2013 besetzte dann Hamilton das zweite Mercedes-Cockpit. 2014 und 2015 wurde der Deutsche hinter dem Briten Zweiter in der Fahrerwertung, 2016 klappte es dann mit dem grossen Titel.
Das lag vor allem auch daran, dass Rosberg wie ein Besessener arbeitete, um sich und seine Leistung zu optimieren. So erzählte er etwa mehrfach in Interviews, dass er im Sommer vor seinem WM-Titel aufhörte, Rad zu fahren, um Muskelmasse zu reduzieren. Denn jedes Gramm mehr im Auto – dazu zählt auch Körpergewicht – kostet Zeit. Doch vor allem kostet solch ein strenges Regiment auch Energie. „So ans Limit wie während meiner Formel-1-Karriere will ich nicht mehr gehen“, sagt Rosberg heute. Nach dem Titel gab der Rennfahrer – für die meisten Beobachter völlig überraschend – sein Karriereende bekannt. Er erhielt ein Angebot, in der Formel E zu fahren, entschied sich aber dagegen. „Ich war länger auf der Suche, in welche Richtung ich gehen will“, sagt Rosberg heute. 2018 wurde er dann als Investor in der Rennserie aktiv; ungefähr zur gleichen Zeit fing er auch an, in Start-ups zu investieren.
Ein eigener Fonds könnte für mich schon so etwas wie eine neue Formel-1-Weltmeisterschaft sein.
Nico Rosberg
Sein neuer Plan, als VC durchzustarten, kostet Rosberg viel Zeit und Energie – und verursacht Stress. Doch damit kennt sich Rosberg aus. „Ich bin ja Experte für Human Performance. Jetzt kann ich in stressigen Zeiten auf all meine Werkzeuge zurückgreifen.“ Ein Beispiel: Rosberg verzichtet aktuell gänzlich auf Zucker, achtet verstärkt auf seinen Schlafrhythmus und macht mehr Sport. „Diese Themen finden natürlich auch alle VCs spannend – denn auch Investoren haben irgendwann ein Ablaufdatum“, so Rosberg.
Wie hoch sein Nettovermögen heute ist, will der ehemalige Spitzensportler nicht näher kommentieren. Ganz wenig dürfte es nicht sein, Forbes bezifferte Rosbergs Verdienste alleine in der Saison 2016 mit 21 Mio. US-$ – damals landete er auf der Liste der „Highest-Paid Athletes“ auf Rang 98. Rund 15 Mio. US-$ könnten es Medienberichten zufolge in regulären Saisons gewesen sein. Und: Rosberg hat in Interviews mehrfach behauptet, dass er mit seinem Rücktritt aus der Formel 1 auf rund 100 Mio. US-$ verzichtet hat.
Rund 50 Mio. US-$ Vermögen werden kolportiert, der Deutsche selbst will sich zu solchen Schätzungen aber nicht äussern. „Ich habe in meiner Karriere sehr gut verdient“, sagt Rosberg nur. „Es ist jedenfalls mehr als das, was Forbes bisher veröffentlicht hat.“ Doch als Vollblutrennfahrer hat Rosberg vor allem die Performance seines Vermögens im Blick. „Das Ziel muss ja vor allem sein, sein Vermögen alle zehn Jahre zu verdoppeln“, so der ehemalige Formel-1-Weltmeister, „und das habe ich leider noch nicht so gut hinbekommen.“ In den letzten sieben Jahren hatte er laut eigenen Angaben zwar eine steile Lernkurve, die Verdoppelung auf dem Konto habe er aber nicht erreicht. „In den nächsten zehn Jahren habe ich aber gute Chancen, das zu schaffen.“ Das würde eine jährliche Rendite von 7 % für ein Jahrzehnt bedeuten – „das zu erreichen ist extrem schwierig.“
Dass er nicht wieder, wie damals in der Formel 1, voll in sein neues Projekt abtaucht, liegt auch und vor allem an seiner Familie. „Das ist der einzige Kompromiss, den ich heute machen muss. Ich will ein guter Vater und Ehemann sein, das ist mir sehr wichtig. Ich bin jetzt gerade in der Intensivphase (in Bezug auf das Investieren; Anm.), da muss ich mich selbst auch ein bisschen bremsen.“ Dass er die Lancierung eines eigenen VC-Fonds aber als absoluten Meilenstein in seinem Leben ansehen würde, ist auch klar. „Ich muss einfach schauen, was wir da hinbekommen. Ein eigener Fonds könnte für mich schon so etwas wie eine neue Formel-1-Weltmeisterschaft sein.“
Nico Rosbergs Rennkarriere startete, als er sechs Jahre alt war. Von 2006 bis 2016 fuhr er in der Formel 1, in seinem letzten Jahr wurde er Weltmeister. Seither ist Rosberg als Investor und Unternehmer aktiv; er lebt mit seiner Familie in Monaco.
Fotos: Baris Demiray