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Dominik Prousek führt die Café-Konditorei-Kette Aida in vierter Generation – und bringt das bekannte Pink in neue Länder. Im Gespräch mit Forbes erklärt der Wiener, wie er Tradition mit neuen Ideen verbindet.
Geht man in Wien spazieren, kommt man an einem gewissen Pink-Ton kaum vorbei – allein in der Innenstadt gibt es vier Filialen von Aida, der Café-Konditorei-Kette, die 1913 von Josef Prousek gegründet wurde. Insgesamt finden sich in der österreichischen Hauptstadt 22 Filialen. Nicht nur das Markenlogo ist pink, auch manche der Möbel und Theken strahlen rosa, selbst Teile der Outfits der Mitarbeiter sind in Barbies Lieblingsfarbe gehalten – die Farbe war ein Liebesbeweis von Gründer Josef Prousek an seine Frau Rosa Nerad. Auf dem Papier ist zwar noch sein Enkel Michael Leiter des Familienunternehmens, doch seit einigen Jahren hält dessen Sohn Dominik Prousek als Executive Director die Zügel von Aida in der Hand.
Seit einigen Jahren versucht Prousek, das Traditionsunternehmen zu modernisieren, ohne dabei dessen Wurzeln aus den Augen zu verlieren; mittlerweile mit Erfolg: Nach Filialeröffnungen in München und Berlin, öffnete im November auch eine Aida-Filiale in Saudi-Arabien am Flughafen in Dschidda ihre Türen. Im Dezember folgte eine Filiale in Bratislava. Weitere internationale Standorte seien, so Prousek, in Planung. „Behutsam kombinieren wir Moderne und Tradition, um daraus ein Produkt zu kreieren, das weltweit bekannt werden kann“, erklärt Prousek seine Vision. Aber wie kann eine über 110 Jahre alte Wiener Institution, die heute im Schnitt 13.000 Tassen Kaffee am Tag verkauft, mit ihrer Tradition im Ausland bestehen? Und wie sichert der Jungunternehmer die Werte, die das Familienunternehmen seit vier Generationen begleiten?
Dass Prousek Teil des Familienunternehmens werden würde, war keineswegs vorbestimmt. „Uns wurde nie vorgeschrieben, einzusteigen“, erzählt er über seine Kindheit. Nach seiner Schulzeit begann Prousek trotzdem, im Betrieb mitzuarbeiten. So entspannt, wie er es sich damals als Sohn der Eigentümer vorgestellt habe, sei es nicht gewesen: „Die Mitarbeiter haben mir ziemlich Druck gemacht – und das war auch gut so“, erzählte er Forbes in einem Interview im Jahr 2019.
Die Geschichte von Aida reicht zurück bis 1913, als Josef Prousek, ein eingewanderter Zuckerbäcker aus Nordböhmen, zusammen mit seiner Frau Rosa Nerad eine Konditorei im neunten Wiener Bezirk kaufte. Seine Süsswaren verkaufte er auch vor der Wiener Staatsoper. Josef Prousek, so der Gründungsmythos, liebte die Komponisten Giuseppe Verdi und Giacomo Puccini – für die Namensgebung seines Betriebs schwankte er zwischen den Opern „Aida“ und „Tosca“. Für welche er sich entschieden hat, ist heute klar.
Es sollte die erste Kaffeehauskette der Welt werden. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg betrieb das Unternehmen elf Filialen in Wien. In der Nachkriegszeit produzierte Aida für die amerikanischen Besatzungstruppen Donuts und Eiscreme. Felix Prousek, Dominiks Grossvater, brachte 1946 die erste Espressomaschine nach Wien und machte aus der reinen Konditorei eine Kaffeekonditorei. Seitdem hat sich Aida zu einer Wiener Institution entwickelt.
Heute betreibt das Familienunternehmen 22 eigene Filialen und beschäftigt dort 140 Mitarbeiter. 90 weitere arbeiten in der Produktion, 25 in der Administration. Die restlichen 12 Standorte sind Franchisenehmer; dort werden nochmal rund 200 Personen beschäftigt. Das Sortiment umfasst rund 300 Produkte. „Mein Urgrossvater hat vor mittlerweile mehr als 112 Jahren damit begonnen, ein Luxusprodukt – das handgemachte Torten nun einmal sind – für fast jedermann leistbar zu machen. Und wir bleiben dem heute noch treu“, erklärt Dominik Prousek das Erfolgsrezept des Familienunternehmens. Diese Zugänglichkeit sei ein wichtiger Teil der Unternehmensphilosophie.
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Qualität der Erzeugnisse. Anders als bei anderen Konditoreiketten werden bei Aida alle Produkte von Hand hergestellt. „Wir produzieren unsere eigenen Cremes, wir machen unsere eigenen Teige, wir kochen unsere eigene Marmelade ein. Es wird alles bei uns produziert, und das mit ausschliesslich regionalen und saisonalen Zutaten", betont Prousek. Drei Tonnen Mehlspeisen werden jeden Tag in Wien hergestellt. Auch auf Nachhaltigkeit legt Prousek grossen Wert: „Alle Zutaten, die aus Österreich kommen können, kommen auch aus Österreich.“ Bruchware – Stücke, die etwa beim Schneiden von Torten abbrechen – wird kiloweise verkauft. „Wer am Wochenende frühmorgens zu uns kommt, sieht eine bis zu 50 Meter lange Schlange von wartenden Menschen vor der Aida, die auf Bruchware warten“, so Prousek.
Die Kundschaft von Aida ist bunt gemischt. In den Filialen in der Innenstadt machen Touristen einen erheblichen Teil der Kundschaft aus, doch viele Kunden sind auch Stammgäste. „Fast jeder hat seine eigene und ganz persönliche Aida-Geschichte, egal ob er mit seinen Grosseltern zu Gast war, mit den Eltern oder mit der Freundin. Als Wiener hat man einfach eine Aida-Story. Aida verbindet Generationen – und das schon seit über 112 Jahren“, gibt sich Prousek überzeugt. Im 21. Bezirk, wo die Produktion angesiedelt ist, gibt es sogar Kunden, die bis zu fünfmal täglich in die Filiale kommen.

Ich will, das jeder - egal wo er lebt - eienn Apfelstrudel und eine Topfengolatsche probieren kann, ohne sein Land verlassen zu müssen.
Dominik Prousek
In den letzten Jahren hat Prousek einige Veränderungen bei Aida eingeführt. Die Filialen wurden modernisiert, ohne den nostalgischen Charme zu verlieren. Das Corporate Design wurde überarbeitet, einige Filialen bekamen einen neuen Look. „Wir haben uns ganz bewusst getraut, diesen Schritt zu setzen und Tradition und Moderne miteinander zu verbinden“, erklärt Prousek. Bedenken, dass die Stammkundschaft diese Änderungen nicht gutheissen könnte, erwiesen sich laut ihm als unbegründet: „Eigentlich ist das Gegenteil von dem, wovor wir Angst hatten, passiert – jetzt sitzt auf einmal die 70-plus-jährige Dame neben der 16- jährigen Bloggerin und die beiden unterhalten sich“, so Prousek. „Und ich finde, genau das ist es, was ein Wiener Kaffeehaus eigentlich sein sollte: ein Platz, wo sich Generationen verbinden, wo man miteinander reden kann, wo es einen Austausch gibt, wo man voneinander lernen kann.“
Auch digital hat sich das Unternehmen weiterentwickelt. Aida bietet mittlerweile einen Onlineshop und Click-and-Collect-Angebote. Die Social-Media- Präsenz verwaltet Prousek selbst. „Es macht mir einfach Spass, und ich finde, es kommt authentisch rüber, wenn wir die Fotos und Videos selbst machen“, erklärt er. Der wohl mutigste Schritt in der jüngeren Unternehmensgeschichte ist aber die internationale Expansion: „Schon als Kind habe ich meinen Eltern gesagt, dass wir Aida weltweit vermarkten sollten“, erzählt Prousek. Diesen Traum hat er nun in die Tat umgesetzt – nach ersten Filialen in Innsbruck und Graz expandierte Aida nach München und Berlin. Es folgten Saudi-Arabien und die Slowakei. In die USA möchte Prousek ebenfalls expandieren, auch wenn es dafür noch keinen konkreten Zeitplan gibt. „Ich will, dass jeder – egal, wo er lebt – einen Apfelstrudel und eine Topfengolatsche probieren kann, ohne sein Land verlassen zu müssen.“
Für die Expansion hat sich Prousek mit grossen Franchisepartnern zusammengetan. „Wir haben nicht einfach irgendwelche Franchisepartner ausgewählt, sondern die grössten der Welt“, erklärt er stolz. Konkret bestehen Partnerschaften mit Lagardère aus Frankreich und Allresto aus Deutschland, die Restaurants an Flughäfen und Bahnhöfen betreiben. Die Filiale in Saudi-Arabien betreibt SSP.

Die grösste Herausforderung bei der internationalen Expansion ist es, die Qualität der Produkte zu gewährleisten. Doch auch dafür hat Aida eine Lösung: Seit den 1950er-Jahren nutzt das Unternehmen eine spezielle Schockfrost-Technologie. „Seit 1950 frieren wir unsere Produkte, sofort nachdem sie handgemacht produziert wurden, in einem eigens entwickelten und über die Jahre immer wieder verbesserten Verfahren ein“, erklärt Prousek. „Das heisst, wir brauchen keine Emulgatoren, keine künstlichen Inhaltsstoffe, keine Chemikalien, um unsere Produkte frisch zu halten.“ Die Produkte werden acht Stunden bei minus 38 Grad Celsius tiefgefroren, dann auf minus 18 Grad gebracht und können so bis zu ein Jahr lang gelagert werden. „So schicken wir auch unsere Produkte bis nach Saudi-Arabien“, erklärt Prousek.
Die internationale Expansion soll in den kommenden Jahren weiter vorangetrieben werden. „Für mich gibt es da keine Grenzen“, sagt Prousek selbstbewusst. „Ich will, dass jeder – egal, wo er lebt – einen Apfelstrudel und eine Topfengolatsche probieren kann, ohne sein Land verlassen zu müssen.“ Dabei konzentriert sich Aida zunächst auf Reiseknotenpunkte wie Flughäfen und Bahnhöfe. „Das ist natürlich auch eine wahnsinnig gute Werbung für die Marke“, erklärt Prousek. Neben der internationalen Expansion hat Aida auch den Einzelhandel für sich entdeckt: Seit Kurzem sind Aida-Produkte in 174 Filialen von Billa Plus in ganz Österreich erhältlich.
Bei all den Neuerungen bleibt Aida seiner Tradition treu. „Wir sind ein Traditionsunternehmen, das moderne Aspekte mit einschliesst. Man darf mit der Tradition nicht brechen, muss aber trotzdem das Feingefühl haben, Trends zu erkennen“, erklärt Prousek. So bestehen zuckerfreie Himbeertörtchen Seite an Seite mit den traditionellen Schinkenrollen, die seit mehr als 100 Jahren nach dem gleichen Rezept hergestellt werden.
Auf die Frage nach den aktuellen Trends in der Branche antwortet Prousek, vielleicht überraschend: „Wir haben gemerkt, dass für Aida der grösste Trend die Tradition ist. Und diese Tradition zu bewahren, ist einfach ein Trend, der mittlerweile weit über hundert Jahre weiterging und noch weitergehen wird, denn eine Cremeschnitte wird nicht aussterben – eine Melange oder ein gezogener Apfelstrudel auch nicht.“
Dominik Prousek, 39, führt in vierter Generation die Café-Konditorei-Kette Aida. Der gelernte Betriebswirt arbeitet seit seiner Jugend im Familienbetrieb und ist heute als Executive Director tätig. Unter seiner Leitung expandiert das Unternehmen international und versucht gleichzeitig, die alte Wiener Kaffeehaustradition nicht aus den Augen zu verlieren.
Text: Paul Resetarits & Erik Fleischmann
Fotos: Gianmaria Gava