Ein süsses Erfolgsrezept

Eine weltberühmte Torte, starke Führungspersönlichkeiten und viele prominente Gäste, die für zahlreiche Anekdoten sorgten, haben den Namen Sacher rund um den Globus bekannt gemacht. Damit das auch weiterhin so bleibt, muss sich die Sacher-Gruppe aber ständig verändern, sagt CEO Matthias Winkler.

Justin Biebers Aufenthalt im Hotel Sacher sollte geheim bleiben, um grösseren Rummel zu vermeiden. Bieber parkte jedoch mit seinem Tourbus – auf dem in riesigen Lettern sein Name stand – direkt vor dem Haus und feierte mehrere Stunden darin mit seiner Band eine Party. Das sprach sich schnell herum; auf der Strasse vor dem Hotel war die Hölle los. Auch andere Künstler haben im Hotel Sacher für kuriose Momente gesorgt. Gespenstisch war der Auftritt von John Lennon und Yoko Ono, als sie nach ihrem legendären Bed-in in Amsterdam nach Wien kamen und im Sacher eincheckten. Sie wollten auch hier eine Aktion für den Frieden setzen. Zur Presse­konferenz kamen sie zwar angeblich nackt, aber beide unter einem Lein­tuch, beantworteten bereitwillig Fragen, wurden aber aufgrund der Verhüllung von niemandem gesehen. Die anwesenden Journalisten waren heillos enttäuscht.

Auch Geister der Vergangenheit scheinen in dem ehrwürdigen Haus immer wieder zu neuem Leben zu erwachen. Erzherzog Otto von Habsburg ist einmal bei einem Trinkgelage nur mit einem Säbel „bekleidet“ im Haus herumgeirrt. Das scheint Schule gemacht zu haben, denn heute machen Gäste von sich Nacktfotos und posten diese auf Instagram. Solche und unzählige andere Anekdoten kann Matthias Winkler, CEO der Sacher-Gruppe, erzählen – bei den Nacktfotos kennt er allerdings keinen Spass. Da müsse man schauen, dass das nicht überhandnehme, sagt der Sacher-Chef bei einem Gespräch mit Forbes in einer Suite des Hauses hinter der Wiener Staatsoper.

Der Erfolg und die Anziehungskraft des Namens Sacher sind eine Mischung aus mehreren Faktoren. Es wurde stets auf gesundes und organisches Wachstum gesetzt und finanzielles Risiko vermieden, sagt Winkler; grosse Charaktere hätten immer eine wichtige Rolle gespielt, wie die zigarrenrauchende Anna Sacher Anfang des 20. Jahrhunderts und nicht zuletzt Elisabeth Gürtler, die das Hotel Sacher 24 Jahre lang mit sicherer Hand geführt und die Gruppe ausgebaut hat. „Nicht umsonst wird sie in der Branche ‚Grande Dame‘ genannt, auch wenn sie das selbst gar nicht so gerne hört“, sagt Winkler, der seit 2014 die Geschäfte führt. Insgesamt sind fünf Familienmitglieder im Unternehmen tätig: Elisabeth Gürtler und ihre Tochter Alexandra – Winklers Ehefrau – kümmern sich um die Finanzholding, sein Schwager Georg Gürtler und dessen Frau Eva sind für die Qualität im Bereich Food & Beverage zuständig. Zu­sätzlich wird achtmal im Jahr ein Familienbeirat abgehalten, bei dem wichtige Themen, etwa grosse Investitionen, besprochen werden; wie jenes Megaprojekt, das aktuell ins Haus steht: die Totalrenovierung des Hotel Bristol am Ring. Experten schätzen, dass das Projekt bis zu 100 Mio. € kosten wird.

Matthias Winkler ist seit 2014 CEO der Sacher-Gruppe. Seine Vorgängerinnen und Vorgänger haben ihm die Latte hoch gelegt.

Für Neues ist die Führung des Traditionsunternehmens immer offen, wie das kürzlich in Triest eröffnete Caffè Sacher zeigt. Der Franchisenehmer Dizzi Alfons hat in einem eleganten Viertel eine Dependance eröffnet, der Wiener Sacher-Flair passt perfekt in die Hafenstadt. Neben dem Stammhaus, dem Hotel Sacher in Wien, und dem Hotel Bristol an der Ringstrasse zählen noch das Hotel Sacher in Salzburg, das Café Sacher in Graz, die Sacher-Torten-Manufaktur sowie Immobilien und Beteiligungen zur Sacher-Gruppe. Weitere Franchiseverträge be­stehen mit dem Café Sacher in Parndorf sowie dem Alpin Resort Sacher Seefeld in Tirol.

Die Coronapandemie hat die Sacher-Gruppe genauso wie den Mitbewerb hart getroffen. Nebst Umsatzrückgängen kam es 2020 und 2021 zu Verlusten, 2022 lief es wieder besser. „Jetzt haben wir ­wieder Umsätze wie in der Vor-­Corona-Zeit“, sagt Winkler. Auch wird die Sacher-Gruppe wieder einen Gewinn schreiben, allerdings nicht vergleichbar mit den Zahlen vor 2020 – zu stark sind dafür durch die hohe Inflation die Kosten gestiegen. Sacher selbst gibt keine Zahlen bekannt, laut Branchen­experten wird der Umsatz 2023 rund 100 Mio. € betragen, die Gewinnmarge soll vor der Pan­demie bei über zehn Prozent gelegen sein.

Auch nach der Pandemie hat Winkler alle Hände voll zu tun: Der Wettbewerbsdruck ist enorm und die Ansprüche der Gäste ändern sich laufend. Luxusreisen werden zwar auch in Zeiten von Kriegen und hoher Inflation gebucht, je­doch: „Die Menschen, die Luxus­reisen buchen, sind anders als vor fünf oder zehn Jahren“, sagt Winkler. Die Klientel sei jünger und individueller geworden und wolle Luxus ohne schlechtes Gewissen. Nachhaltigkeit spiele eine immer grössere Rolle.

Gaumenfreuden sind bei Sacher ein zentrales Element, denn begonnen hat alles mit einer Torte, erinnert Winkler: „1832 hat ein 16-jähriger Lehrling aus der Not und auf sich alleine gestellt mit wenigen Mitteln etwas Neues erfunden.“ Der junge Kocheleve Franz Sacher musste am Hofe des Fürsten Metternich für seinen erkrankten Küchenchef einspringen und ein Dessert für einen Staatsgast kreieren. „Dass er mir aber keine Schand’ macht heut Abend!“, soll Metternich gesagt haben. Franz Sacher machte ihm keine Schande: Das Geniale an seiner Torte war die Schokoladenglasur, die nicht nur schön aussah und für eine längere Haltbarkeit sorgte, sondern auch eine Inno­vation bei Süssspeisen war, erzählt Winkler. Später eröffnete Franz Sacher ein Delikatessengeschäft, sein Sohn Eduard das legendäre Hotel Sacher in Wien, das in der Zwischenkriegszeit an die Familien Gürtler und Siller ging – erstere ist heute Alleineigentümerin der Gruppe. Welch wesentlicher Erfolgsfaktor die Sachertorte ist, zeigen die Zahlen: Rund 360.000 Sachertorten werden jährlich verkauft, dazu kommen eine Million Sacherwürfel. Rund eine Million Gäste werden pro Jahr in den Gastronomiebereichen des Hotel Sacher verköstigt und an die 100.000 Hotelgäste pro Jahr begrüsst.

Winkler glaubt, dass das Geschäft in Zukunft nicht einfacher wird. Seine Gruppe steht im Wett­bewerb mit den grossen globalen Anbietern. Damit die Kunden im Sacher absteigen, müsse sich das Haus den sich rasch ändernden Anforderungen laufend anpassen.

Im Jahr 2024 sollte allerdings trotz aller Krisen wieder Entspannung eintreten; derzeit würden alle Daten auf ein sehr gutes Jahr hinweisen, meint der Sacher-Chef. Wenn die Führungspersönlich­keiten weiterhin so besonnen agieren, sollte einem ruhigen Jahresverlauf nicht viel im Wege stehen – sofern nicht wieder ein paar originelle Top-Promis im Hotel Sacher absteigen und für ­Aufregung ­sorgen.

Fotos: Katharina Gossow

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