Drohnentaxi

Ab Mitte der 2020er-Jahre soll die Utopie des Münchner Start-ups Lilium Aviation wahr werden: Menschen in einem fliegendem Drohnentaxi von Stadt zu Stadt zu befördern.

Die 19.000 Einwohner starke bay­ri­sche Gemeinde Gilching ist nicht unbedingt das, was man als Zentrum urbaner Mobilität vermuten würde. Dennoch wird hier an genau diesem Thema gebastelt. Denn Lilium Aviation will zwei vielversprechende Ansätze des Transports der Zukunft kombinieren und mit einem fliegenden Drohnentaxi das Mobilitätsverhalten in Städten revolutionieren. Bereits jetzt behauptet das Start-up, das effizienteste und umweltfreundlichste Transportmittel zur Personenbeförderung überhaupt zu bauen. Der „Lilium Jet“ ist ein vollelektrischer Senkrechtstarter, befindet sich derzeit aber noch im Prototypenstadium. Die Devise: „Zero Emissions“ statt stinkendem Auspuff. Das Lufttaxi soll senkrecht starten und landen, leise und einfach zu bedienen sein. Weitere Eckdaten: 300 Kilometer Reichweite, Spitzengeschwindigkeiten von 300 Kilometern pro Stunde und eine Maximalflughöhe von 3.000 Metern.

Einen ersten (erfolgreichen) Test legten die Gründer – die ­ehemaligen TU-München-Studenten ­Daniel Wiegand (CEO), Sebastian Born (Head of Mechanical Engineering), Patrick Nathen (Head of ­Calculation & Design) und Matthias Meiner (Head of Flight Control) – mit dem Flieger bereits im April 2017 hin. Der erste Versuch war zwar unbemannt, da ferngesteuert, doch in der ersten Phase nach Markteinführung – diese soll Mitte der 2020er-Jahre starten – soll der Fünfsitzer mit Pilot unterwegs sein. Und irgendwann dann wieder unbemannt, nämlich dann, wenn das Drohnentaxi von Lilium völlig ­autonom fliegt. Klingt alles spannend, aber fürs Erste auch sehr ambitioniert. Und lässt viele Fragen offen. Also haben wir die Chance genutzt, bei Patrick Nathen (im Rahmen des Pioneers'18) und Remo Gerber (COO) nachzufragen …

2017 sammelte Lilium Aviation in einer Series-B-Finanzierungsrunde 90 Millionen € ein. Unter den Investoren befand sich etwa das chinesische Internetunternehmen Tencent. Wie bewerten Sie dies im Nachhinein?
Patrick Nathen: Es hat extrem lange gedauert, das einmal sacken zu lassen. Das Bedeutendste daran war, dass die Investoren anscheinend Vertrauen in unsere Technologie haben. Die Summe zu erhalten hiess für uns aber auch: Setzen wir uns hin und arbeiten, um zu zeigen, dass es das Geld wert ist. Chinesische Unternehmen arbeiten sehr vorausschauend und wollen etwas bewegen.

Wohin fliesst das Geld?
PN: Wir haben es jedenfalls noch nicht aufgebraucht. (lacht) Ein Grossteil davon fliesst natürlich in das Engineering des Jets. Dieses Investment unterscheidet sich insofern von den vorherigen (insgesamt sammelte Lilium Aviation in zwei Finanzierungsrunden 100 Millionen € ein, Anm.), als wir uns bereits jetzt in gewissen Bereichen strategisch ausrichten, die bei anderen Unternehmen zu Pro­ble­men geführt haben – Stichwort Produktion. Vor einem Jahr stellten wir den ehemaligen Produktions­vizechef des Airbus A380 und A320, Dirk Gebse, ein; mit ihm verfügen wir über einen sehr erfahrenen Produktionsmanager. Ebenso existiert die Technologie, die wir entwickeln, in dieser Form ja noch nicht. Dementsprechend ist es wichtig, die Skalierbarkeit des Produkts von Anfang an im Blick zu behalten.

Konzerne wie Google (Co-Founder Larry Page ist in das Start-up Kitty Hawk investiert, Anm.) oder Uber (will das Ridesharing-Konzept bis 2020 in die Luft bringen, Anm.) arbeiten ebenfalls daran, Nutzer in der Luft transportieren zu können. Wie bewerten Sie den Status quo in der Branche?
PN: Die ersten drei Jahre mussten wir uns anhören, dass das nicht funktioniert – doch das Gegenteil ist der Fall. Jetzt sind wir auch in der Lage, mit grossen Playern wie Google, Uber oder Airbus mitzuhalten. Es ist eine Art Wettrennen. Uber setzt beispielsweise sehr geschickt auf Produktmanagement sowie -marketing. Wir werden später auch in Richtung On-demand-Mobility in der Luft gehen, auf die Uber bei seinem ­Sharingdienst mit Autos setzt. ­Dennoch liegt bei uns der Fokus zu 90 Prozent auf Engineering.

Inwiefern unterscheidet sich der Ansatz von Lilium Aviation denn von anderen Unternehmen?
Remo Gerber: Es gibt fundamentale Unterschiede zu den Technologien, die auf den Markt kommen. Der Lilium Jet kann wie nur wenige Fluggeräte vom Senkrechtstart in den Flügelflug übergehen. Dies ermöglicht dem Flieger eine ­sechs- bis achtfache Reichweite mit derselben Batterieleistung – im Vergleich zu Multikoptern, die nur mit Rotoren und ohne Flügel ausgestattet sind. Zudem kann man dadurch höhere Geschwindigkeiten – in unserem Fall 300 Kilometer pro Stunde – erreichen als bei Drohnen mit 50 bis 80 km/h. Somit werden die Geschäftsanwendungen sehr stark von der Technologie geprägt.
Das bedeutet, dass wir innerhalb sehr grosser Städte mit weniger Ladezeit effizienter fliegen können. Man denke an Los Angeles und kleinere umliegende Gegenden, die an Metropolen angebunden werden könnten. Besonders im Umkreis von 40 bis 60 Kilometern, wo aufgrund des Verkehrsaufkommens heute sehr lange Wege verursacht werden.

Wo werden die Drohnentaxis zu Beginn zum Einsatz kommen, im D-A-CH-Raum?
RG: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, an welchen Orten wir Verbindungen schaffen könnten, die momentan entweder schwierig zu erreichen oder mit Verkehr überlastet sind. Von der topografischen Lage her sind wir sehr offen, wir schauen uns die ganze Welt an. Derzeit sind wir mit verschiedenen Regionen in Europa in Kontakt und suchen dort die richtigen Partner.

Wie meinen Sie das konkret?
RG: Wir benötigen für unser System Landeplätze. Deshalb suchen wir Partnerschaften mit Städten, Kommunen et cetera, die solche Plätze bereitstellen und die Vision teilen, Infrastruktur in neuen Dimensionen zu denken. Denn das Einzige, was es braucht, sind zwei Landeflächen in der Maximalgrösse eines Basketballfelds – keine grossen Bauprojekte und hohen Investitionen in Tunnels oder Strassen mehr.

Was wird in Städten besser?
RG: Es werden neue Verbindungen geschaffen. Erstens aus der Stadt heraus, wodurch man schneller in Naherholungsgebiete kommt. Die zweite Möglichkeit ist, auch weiter ausserhalb einer Stadt zu leben und dennoch dort zu arbeiten und die Kultur mitzuerleben. Dadurch wird auch die Möglichkeit geschaffen, dezen­traler zu bauen; die Städte erleben ja derzeit einen extremen Wohnungsmangel. Zudem braucht es in vielen Fällen keine zentrale Infrastruktur, etwa einen Bahnhof, die man nutzen muss, um in ländliche Gebiete zu kommen. Die Jets sind in puncto Lärm nicht mit anderen Flugzeugen vergleichbar, vielmehr geht dieser im normalen Strassenlärm unter. Und: Wir reihen uns mit dem elektrischen Antrieb ins elektrische Fahren von Autos ein.

Wann erfolgt die Zertifizierung Ihres Jets?
PN: Wir sind bereits mit den Zertifizierungsstellen in Kontakt. Diese sind sehr interessiert daran, da dies einen neuartigen Flugzeugtyp darstellt und neue Konzepte in der Luftfahrt sehr selten sind. Im Rahmen der bisherigen Zertifizierungsarbeit musste man die Funktion verschiedener Bauteile eines Fliegers nachweisen, was schwierig ist, wenn man einen Flieger beispielsweise ohne Seitenruder baut. Seit 2017 gibt es aber die Möglichkeit, zusammen mit der EASA (Europäische Agentur für Flugsicherheit, Anm.) die Sicherheit neuer Flugzeugkonzepte zu beweisen – etwa beim vollelektrischen Flug.

Wie werden Menschen das Drohnentaxi in Zukunft nutzen?
RG: Das langfristige Ziel ist, dass Nutzer ihren Flug per Smartphone-App buchen. Es wird dann gewisse Standorte geben, an denen die Flieger bereitstehen. Das hängt aber auch davon ab, wie weit die Strecke ist. Von Wien nach Innsbruck mit 470 Kilometern liegt ausserhalb der Reichweite. Die Kosten werden für eine kürzere Strecke mit einer Taxifahrt vergleichbar sein.

Es wird aber viele Robotertaxis brauchen, um Städte flächen­deckend versorgen zu können.
PN: Um Metropolen zu vernetzen, braucht es sicherlich mehr als 50 Flieger. Um – wenn ich etwa Lust habe, aus Wien plötzlich nach Salzburg zu kommen – in einer halben Stunde dorthin fliegen zu können , statt drei Stunden im Zug sitzen zu müssen. Andere Orte, die mit dem Zug schwer zu erreichen sind, werden dann attraktiv, wenn es dort in der Nähe ein paar Landeplätze gibt – den Rest muss man mit dem Bus zurücklegen. Dieses Problem der „Last Mile“ werden wir nicht lösen können. Wir werden zu Beginn jedenfalls nicht mit dem Flieger auf der Strasse vor dem Supermarkt landen.

Dieser Artikel ist in unserer Sommer-Ausgabe 2018 „Stadt – Land – Berg“ erschienen.

Niklas Hintermayer,
Redakteur

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