Diversität: Genug gewartet!

Zu Beginn der Covid-Pandemie hielt die Welt den Atem an. Die Aktienkurse gingen auf Talfahrt, die Weltwirtschaft stoppte, niemand wusste so recht, was da eigentlich auf uns zukommt.

Zwei Jahre später wissen wir, dass die Pandemie die Art und Weise, wie wir arbeiten und leben, nachhaltig verändert hat. Doch die Weltwirtschaft erholte sich überraschend schnell – die Regierungen pumpten die Wirtschaft mit Geld voll, der Konsum wurde angeheizt, obwohl Unternehmen sich auf düstere Zeiten eingestellt hatten. Hotels haben heute Buchungslagen wie vor der Pan­demie, Restaurants platzen aus allen Nähten, Fluglinien wie die Lufthansa und Austrian Airlines konnten ihre Staatskredite vorzeitig zurückzahlen.

Doch die Weltwirtschaft ist ein Tanker, der sich nur langsam bewegt, und die Kurskorrektur, die im Frühling 2020 gemacht wurde, zeigt sich erst jetzt so richtig. Eine galoppierende Inflation, bröckelnde Wertschöpfungsketten, der Krieg in der Ukraine sowie Energiepreise, die durch die Decke gehen, sind das Resultat. Die Notenbanken erhöhen die Zinsen rasant; eine Rezession steht uns bevor. Zur gleichen Zeit schlägt ein anderes Problem durch: Die geburtenschwachen Jahr­gänge kommen nach, was dazu führt, dass es nicht nur an Fachkräften, sondern an Personal allgemein fehlt. Eine Studie des Beratungsunternehmens Korn Ferry sagt, dass bis 2030 weltweit rund 85 Millionen Jobs einfach nicht besetzt ­werden können, weil die Arbeitskräfte fehlen. Das schlüge sich wiederum in entgangenem Umsatz von 8,5 Billionen US-$ nieder.

Und was machen wir? Wir lassen einen der grössten noch ungenutzten Hebel für höhere Gewinne und Wachstum links liegen. Wir dis­kutieren über Frauenquoten und den Gender-Pay-Gap, statt unsere Unternehmen dramatisch umzukrempeln und viel mehr Frauen, aber auch Menschen aus dem Ausland in die Unternehmen zu holen. Es ist wieder und wieder bewiesen, dass diverse Führungsteams bessere und nachhaltigere Ergebnisse liefern; dass Vorstände, die mit Frauen und Männern verschiedener Ausbildung und Herkunft besetzt sind, Gefahren früher erkennen und strategische Entscheidungen besser treffen. Den Luxus, darüber nachdenken zu können, ob wir unsere Führungsetagen divers besetzen oder nicht, haben wir verspielt. Doch Unternehmen lassen es trotz alledem zu, dass gut qualifizierte Frauen (und teilweise auch Männer) zu Hause bleiben, um sich um ihre Familie zu kümmern, und gut qualifizierte Menschen im Ausland arbeiten, statt nach Europa zu kommen. Unternehmen müssen diesen Menschen attraktive Angebote machen, um ihre Existenz langfristig zu sichern.

Der Druck wird so enorm werden, dass Unternehmern und CEOs gar keine Wahl bleiben wird, als sich in dieser Sache nachhaltig zu bewegen und kehrtzumachen. Die Zeit der Lethargie, der Diskussion, ob wir 20, 25 oder 30 % Frauen in Vorständen wollen, ist vorbei. Es wird händeringend um jeden qualifizierten Arbeitnehmer gekämpft werden. Jene, die das früher erkennen, werden im Vorteil sein und die besseren Karten haben. Jene, die schlafen, werden leer ausgehen – und in naher Zukunft womöglich um ihre Existenz kämpfen.

Klaus Fiala,
Chefredakteur

Up to Date

Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.