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Noch immer sind trotz zahlreicher Initiativen vergleichsweise wenig Frauen in Führungspositionen. Wo greifen die Ansätze zu kurz – und inwiefern muss das Verständnis von Diversität erweitert und gelebt werden?
Vor genau einem Jahr schrieb ich – ebenso wie jetzt – den Leitartikel für unsere alljährliche Women-Ausgabe. Der Titel damals: „The (Vulner)ability to succeed“. Die Kernaussage: Unsicherheit gegenüber den eigenen Fähigkeiten und zu zögern, statt einfach zu machen, sind die falschen Ratgeber. Es geht um die Anerkennung dessen, was ist, und darum, daraus das Beste zu machen. Es geht darum, sich seinen vermeintlichen Schwächen offen zu stellen. Wer die Chance hat, Veränderung zu organisieren, muss sie ergreifen. Alles getreu dem Motto: „If you get offered a seat at the table, go and take it. Think later how you’re gonna make it.“
Doch die meisten Plätze an den meisten Tischen dieser Welt sind noch immer von Männern besetzt. Jeder Zentimeter Veränderung wurde durch Pionierinnen mühsam erkämpft – und wird das auch in Zukunft werden müssen. Männer rücken nicht von ihren Plätzen, also müssen wir Frauen sie womöglich dort wegstossen. Und weil der bisherige Fortschritt so hart erkämpft ist, ist er auch so wertvoll. Initiativen wie Stayonboard, die anhaltende Diskussion über die Frauenquote in Vorständen oder Veranstaltungen wie der Forbes Women’s Summit bleiben daher auch in Zukunft wichtige Werkzeuge, um Chancengleichheit zu fördern, Gleichstellung zu forcieren und weibliche Vorbilder sichtbar zu machen.
Doch inmitten all dieser Anstrengungen – und inmitten einer globalen Pandemie, die uns in Sachen Gleichstellung wieder zurückwirft – stellt sich die Frage, ob wir mit dem ständigen Hervorheben von Unterschieden und mit nach Geschlechtern getrennten Initiativen nicht in gewisser Weise auch den Unterschied zwischen den Geschlechtern weiter forcieren. Wie lässt sich ein noch nicht abgeschlossenes Projekt – Chancengleichheit für Männer und Frauen – auf eine grössere, noch komplexere Ebene heben, die Diversität in all ihren Ausprägungen berücksichtigt? Denn es geht doch bei Diversität um so viel mehr als das Geschlecht, Ethnie oder die sexuelle Orientierung.
Es geht darum, dass jede Persönlichkeit über ihre ganz individuellen persönlichen Erfahrungen und Fähigkeiten einen unglaublichen Mehrwert stiftet. Ebendiese verschiedenen Perspektiven führen letztendlich zu Innovation. Das zeigen auch Studien: Wer laut Accenture Vielfalt in seinem Unternehmen etabliert, fördert den Innovationsgeist. Eine Zunahme der „Culture of Equality“ um 10 % könnte demnach bis 2028 zu einer Zunahme des globalen BIPs um rund 7,1 Billionen € führen.
Das Prinzip „Diversität = Wettbewerbsvorteil“ ist seit Langem bekannt – umgesetzt wird es noch zu selten. Also machen wir gemeinsam den nächsten Schritt und zelebrieren wir trotz aller gemeinsamen Ziele unsere Einzigartigkeit, unsere Stärken und eben auch unsere Schwächen. Leben wir Vielfalt in all ihren Ausprägungen – zusammen statt getrennt. Und wer weiss? Vielleicht heisst unser nächster Summit ja dann auch nicht mehr Forbes Women’s Summit, sondern Forbes Diversity Summit. Es würde nicht einfacher werden – aber wie zuvor wäre die erkämpfte Veränderung den Versuch wohl wert.
Text: Andrea Gläsemann
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 9–20 zum Thema „Women“.