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Gegründet wurde Hubspot vor 15 Jahren, um Amerikas KMU zu unterstützen, heute fordert der Softwarekonzern den Platzhirschen Salesforce heraus, wenn es um die Digitalisierung von Sales-, Marketing- und anderen administrativen Prozessen geht. Dabei profitiert Hubspot durchaus von der neuen Arbeitsrealität – und will diesen Trend auch in der DACH-Region nutzen.
Eigentlich hätte es Hubspot gar nie geben sollen – denn 2005 hatte Dharmesh Shah, ein aus Indien in die USA emigrierter Computerwissenschaftler, gerade sein erstes Unternehmen namens Pyramid lukrativ verkauft. Frei von Geldsorgen versprach Shah seiner Frau, keine weitere Unternehmensgründung mehr zu machen. Nur ein Jahr später musste er sein Versprechen jedoch brechen: Denn als er 2006 an der MIT Business School Brian Halligan kennenlernte, verstanden die beiden sich auf Anhieb.
„Brian und ich verstanden uns sehr gut und teilten ausserdem eine Leidenschaft für KMU. Wir wollten gemeinsam ein Softwareunternehmen starten“, sagt Shah in einem Interview mit dem Podcast „Small Business Trends“. Unweit der Universität starteten sie wenig später tatsächlich ein solches Projekt und nannten das Unternehmen Hubspot. Zu Beginn fokussierte sich das Duo auf Inbound Marketing – darunter versteht man eine Strategie, bei der Unternehmen inhaltlich getriebene Initiativen wie Blogs, Events oder bezahlte Werbung nutzen, um Kunden zu akquirieren.
Die Idee ist es, so attraktiv zu kommunizieren, dass Kunden das Unternehmen von sich aus ansprechen. 15 Jahre später hat sich Hubspot zu einem der führenden Anbieter von Unternehmenssoftware entwickelt. Neben Marketingtools bietet man auch Programme für CRM (Customer-Relationship-Management), Sales, Operations oder Content-Management-Systeme. Die Pakete kosten zwischen 45 und 3.200 US-$ im Monat und werden allesamt als Abo angeboten. Mit seinen über 128.000 Kunden erzielt Hubspot einen Jahresumsatz von rund 883 Millionen US-$ (2020).
Doch der Markt ist umkämpft. Neben dem von Milliardär Marc Benioff gegründeten Platzhirsch Salesforce wagen sich auch Softwareriesen wie Adobe, Google und Microsoft zunehmend in diese Branche. Hubspot zeigt sich davon jedoch unbeeindruckt: „Wir wollen das digitale Frontoffice für unsere Kunden und Kundinnen sein“, sagt Gregor Hufenreuter, als Senior Director Sales DACH Teil des für Deutschland, Österreich und die Schweiz zuständigen Leadership-Teams. Der zweite Teil des Führungsteams ist Kathleen Jaedtke, die fürs Marketing verantwortlich ist.
Die Coronavirus-Pandemie war rein wirtschaftlich gesehen für Hubspot ein Segen: Die Relevanz digitaler Tools und Prozesse stieg sprunghaft an, zuvor beim Kunden unterwegs gewesene Sales-Teams mussten sich plötzlich vollständig aus dem Homeoffice organisieren, digitales Marketing erhielt einen Turbo. Doch was für die Kunden galt, beschäftigte in den ersten Monaten der Pandemie auch Hubspot. Hufenreuter: „Auch wir mussten von einem Tag auf den anderen aus einer In-Office-Situation in eine remote Hybrid-Welt wechseln.“
Das Unternehmen wächst jedenfalls rasant. Mit dem Umzug in das neue Berliner Büro 2019 kündigte Hubspot auch an, bis Ende 2021 150 neue Stellen in der Region zu schaffen. 2021 will Hubspot in der deutschsprachigen Region nach eigenen Angaben den Umsatz zum Vorjahr zudem um 70 % steigern. Wie hoch dieser für Deutschland, Österreich und die Schweiz konkret ist, weist das Unternehmen nicht aus. Dabei geben Hufenreuter und Jaedtke zu, dass der Aufschwung auch auf den eher langsamen Start im Markt zurückzuführen ist. „In der deutschsprachigen Region wurde lange sehr zurückhaltend agiert“, so Hufenreuter.
Mithilfe der umfassenden Produkte und verschiedenen Preispunkte hat Hubspot diese Zahl deutlich nach oben gesteigert – und will auch in Zukunft wachsen. Die Ursprünge, nämlich „Small Business“ anzusprechen und zu unterstützen, hat man dabei ein Stück weit hinter sich gelassen. Hufenreuter: „Wir haben in Deutschland da angesetzt, wo Hubspot stark ist: bei kleinen und mittelgrossen Unternehmen.“
Die Grenze waren etwa 50 Mitarbeiter. Nachdem in diesem Segment Erfolge gefeiert wurden, wagte sich Hubspot jedoch auch an grosse Unternehmen heran; zu den Kunden zählen heute etwa das Beratungsunternehmen KPMG oder der deutsche Chemiekonzern BASF. Heute hat Hubspot auch eigene Mitarbeiter, die sowohl das Mid-Market- als auch das Corporate-Segment bedienen.
Dass Hubspot Marketing-, CRM- oder Sales-Software anders denken will, zeigt sich an verschiedenen Ecken. Zu Beginn können exemplarisch die Lebensläufe der Führungskräfte im Berliner Büro genommen werden: Hufenreuter studierte Kultur- und Geschichtswissenschaften sowie Publizistik in Berlin. Er begann seine Karriere gänzlich artfremd (und noch während seines Studiums) 1999 als Accountmanager in der Softwarebranche. Fast zwei Jahrzehnte später stiess er 2017 zu Hubspot, als das Unternehmen gerade anfing, die deutschsprachige Region für sich zu entdecken.
Auch Jaedtkes Ausbildung weist nicht unbedingt auf ihre heutige Position hin. Sie studierte Volkswirtschaft in Berlin und startete ihre Karriere so richtig bei Rocket Internet. Nach sechs Jahren im Contentmarketing-Team des Onlinehändlers Zalando kam sie 2018 zu Hubspot, wo sie heute das Marketing verantwortet.
Besagtes „Anders-Denken“ zeigt sich aber nicht nur an den Lebensläufen der Mitarbeiter, sondern auch in der Strategie. Ganz in der Gründungsidee des Inbound-Marketing will auch Hubspot Mehrwert generieren, um auf sich aufmerksam zu machen. Bereits früh setzte man auf Blogs, Erklärvideos, Kurse und E-Books, um Nutzern Informationen rund um die eigenen Kernthemen bereitzustellen. So schrieb Gründer Dharmesh Shah im Oktober 2020 auf Twitter Folgendes: „Modern media companies have a software company embedded inside. Next-gen software companies will have a media company embedded inside.“ 2020 erreichte dieser Fokus seinen Höhepunkt, als Hubspot The Hustle kaufte, ein Medienunternehmen, das sich auf Themen rund um Small Business und Unternehmertum fokussierte. Der täglich erscheinende E-Mail-Newsletter von The Hustle hatte zum Zeitpunkt des Kaufs 1,5 Millionen Abonnenten.
Der Kaufpreis wurde nicht bekannt gegeben. „Bereits unsere Gründer haben erkannt, dass es keinen Sinn ergibt, potenzielle Kunden und Kundinnen mit aufdringlichen Werbebotschaften zu nerven. Durch Inbound-Marketing können Unternehmen Kunden und Kundinnen anziehen, indem sie mit relevanten und hilfreichen Inhalten auf ihr Unternehmen aufmerksam machen sowie massgeschneiderte Kundenerlebnisse anbieten,“ so Jaedtke.
Gregor Hufenreuter und Kathleen Jaedtke
...bilden das Leadership-Team für die DACH-Region bei Hubspot. Das Unternehmen wurde 2006 in den USA gegründet und bietet Softwarelösungen in den Bereichen CRM, Sales, Marketing, Operations und CMS (Content-Management-Systeme) an.
Hufenreuter sagt wiederum, er erlebe oft, dass Menschen die Marke kennen, weil sie einen Blog-Artikel zu einem passenden Thema gelesen hatten. Über 6.000 Seiten voller „Content-Pieces“ gebe es, wöchentlich würden 14 Artikel veröffentlicht, pro Monat verzeichnet der Hubspot-Blog sieben Millionen Besuche (Monthly Visits).
Der Kauf von The Hustle sei die konsequente Fortsetzung dieses Wegs. Der nächste Schritt werde der Aufbau eines Podcast-Netzwerks, im Rahmen dessen in verschiedenen Ländern Kooperationen sowie Eigenproduktionen im Audiobereich angegangen werden sollen. Bereits heute produziert Hubspot in Deutschland den Podcast „The Digital Helpdesk“, wo seit April 2020 einmal wöchentlich Themen wie E-Mail-Marketing oder Social-Media-Trends diskutiert werden. Zukäufe in diesem Bereich sind in Deutschland jedoch aktuell nicht geplant, Hubspot will im Markt vorerst über Kooperationen wachsen.
Einen digitalen Turbo durch Corona, eine konsequente Fortsetzung des auf hochqualitativen Content bezogenen Eigenmarketings und ein rasantes Wachstum in der deutschsprachigen Region gibt es also zu vermelden – doch Hubspot ist noch lange nicht dort, wo es hinwill, wenn es nach der Führungscrew geht. In Deutschland gibt es laut dem Institut für Mittelstandsforschung Bonn fast 3,5 Millionen KMU – 99,5 % aller Unternehmen in der Bundesrepublik fallen unter die Definition.
Auf Unternehmensebene hat sich Hubspot das Ziel gesetzt, der führende CRM-Anbieter für mittelständische Unternehmen zu werden. Um das zu erreichen, kann Shah jedoch nur noch seltener auf die Hilfe seines Mitgründers zählen: Halligan verliess die Position als CEO, die er seit Gründung innehatte, im September 2020. Die vormalige Chief Customer Officer Yamini Rangan übernahm, Halligan ist als Executive Chairman jedoch weiterhin in das operative Geschäft involviert. Und Shah? Der ist auch heute noch CTO von Hubspot – und bereut es vermutlich nicht, seine Meinung bezüglich einer zweiten Gründung noch mal geändert zu haben.
Text: Klaus Fiala
Fotos: Jörg Klaus
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 9–21 zum Thema „Handel“.