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Seit 1862 hilft Mammut seinen Kunden, ihre Abenteuerlust zu stillen, doch in der jüngeren Vergangenheit schwächelte der Schweizer Outdoorhersteller wirtschaftlich. Seit 2016 arbeitet Oliver Pabst daran, Mammut zum digitalen Pionier zu machen. Das Coronavirus und das Thema Nachhaltigkeit machen das für Pabst jedoch zu einem digitalen Abenteuertrip.
Wer an Mammut denkt, dem kommen glitzernde Bergseen, hohe Gipfel und Bergsteiger im Schneetreiben in den Sinn. Mammut, das ist eine Marke für Abenteurer und Pioniere, für Naturverbundene und Draufgänger. Das Schweizer Unternehmen stellt die Produkte her, die Menschen ihre eigenen Grenzen kennenlernen lassen – von der Winterjacke über die Wanderschuhe bis hin zu Schlaf- und Rucksäcken.
Als wir den CEO der Mammut Sports Group, Oliver Pabst, zum Interview treffen, lacht der gebürtige Berliner zwischenzeitlich in die Kamera: „Der höchste Berg in Berlin, der Teufelsberg“, sagt Pabst grinsend, „ist 120 Meter hoch.“ Seit 2016 leitet Pabst die Geschicke des Konzerns, und obwohl er nicht im Hochgebirge aufgewachsen ist, war er der Natur laut eigenen Angaben immer eng verbunden. Zudem hat er einen Startvorteil für den Job als Mammut-Chef: Der Deutsche ist der Sohn eines Berliner Textilunternehmers und einer Fashiondesignerin – und hat Mode somit quasi im Blut.
„Ich liebe, was ich mache. Dieser Bezug zu Materialien, Produkten und Innovation ist mir in die Wiege gelegt worden“, so Pabst. Trotz aller Leidenschaft hat er jedoch eine harte Nuss zu knacken: Mammut, eine der absoluten Erfolgsgeschichten der Schweizer Wirtschaft, wuchs nach dem Turnaround in den 90er-Jahren rasant. Doch Anfang der 2010er-Jahre schien der Gipfel erreicht, das Wachstum flachte ab – bis Mammut Minus schrieb. 2015 wurde von der Muttergesellschaft, dem Mischkonzern Conzzeta, ein fünfjähriges Strategieprogramm beschlossen, um die Krisentochter wieder in die Erfolgsspur zu bringen. Umsetzen sollte das Programm eben Oliver Pabst, der 2016 andockte. Erste Erfolge stellten sich ein – Conzzeta will sich dennoch von der Tochter trennen: Seit 2019 wird ein Käufer für die Outdoorsparte gesucht. Doch die Coronavirus-Pandemie wirbelte den Zeitplan von Strategieprogramm und Verkauf gehörig durcheinander. Lockdowns führten zur Schliessung zahlreicher Fachhändler – Mammut verpasste sein Wachstumsziel. Hatte man 2019 noch 268 Millionen CHF umgesetzt, waren es 2020 „nur noch“ 218 Millionen CHF – ein Rückgang von rund 18 %. Dennoch ist Pabst positiv gestimmt: „2020 war ein gutes Jahr für uns.“ Laut CEO ist das Team sehr viel enger zusammenwachsen, die Bindung zu den Kunden verbessern und das Wachstum im E-Commerce deutlich gesteigert werden.
Das freut Pabst insbesondere, als er Mammuts Position als „digitaler Pionier der Outdoorbranche“ bestärken möchte. Das bedeutet jedoch ein völliges Neudenken der Distribution, der Kommunikation sowie der Produktpalette. Der über dem Unternehmen und seinen weltweit 800 Mitarbeitern schwebende Verkauf sowie die starke Konkurrenz machen diese Transformation nicht gerade einfacher. Hinzu kommt ein weiterer Megatrend, der das Unternehmen zunehmend beschäftigt: „Ich bin überzeugt, dass das Thema Nachhaltigkeit für uns ähnlich disruptiv sein wird wie die Digitalisierung“, sagt Pabst.
2016, als Pabst seinen Posten antrat, fand Mammut in der digitalen Welt quasi nicht statt. 1862 gegründet, stellte das Unternehmen unter Gründer Kaspar Tanner zu Beginn Seile her. Über die Jahre wurde die Palette auf alles erweitert, was das Abenteurerherz begehrt. Die Verschiebung in die digitale Welt wurde jedoch lange Zeit verschlafen. Langzeit-CEO Rolf Schmid, der 20 Jahre an der Spitze des Konzerns stand, machte aus Mammut zwar eine profitable Weltmarke, der Webshop ging jedoch erst 2016 online. Schmid hatte sich angeblich gegen den digitalen Verkauf gewehrt.
Heute klingt das ganz anders. Pabst spricht von Touchpoints und Omnichannel, will den Kunden in den Fokus rücken und die Customer Journey besser verstehen. Seine Vorbilder? Unter anderem Nike und Lululemon. „Diese Marken zeichnet ihr unbedingter Fokus auf den Konsumenten aus“, sagt Pabst. Der Erfolg dieser Strategie zeigt sich auch in den Zahlen der genannten Unternehmen: Sowohl Nike als auch Lululemon überstanden die Coronavirus-Pandemie vergleichsweise gut – vor allem, da das E-Commerce-Geschäft zuletzt um 82 % (erstes Quartal 2021/22; Nike hat ein schiefes Geschäftsjahr) bzw. 93 % (drittes Quartal 2020 von Lululemon) anstieg.
Oliver Pabst
...wuchs in Berlin auf, studierte an der Universität St. Gallen und startete seine Karriere bei McKinsey in Zürich. Weitere berufliche Stationen waren Boards & More sowie Willy Bogner, bevor er 2016 CEO der Mammut Sports Group wurde.
Aus dem bisherigen, stark B2B-getriebenen Modell – Mammut verkauft an Fachhändler, diese verkaufen an den Endkunden – will Pabst eine Strategie formen, die Kunden auf allen Kanälen anspricht, egal ob physisch oder online. Obwohl der Stellenwert der direkten Absatzkanäle, also des Webshops und der Brand Stores, in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist, denkt Pabst jedoch nicht, dass Mammut in absehbarer Zukunft gänzlich aus dem Fachhandel verschwinden wird: „ Wir arbeiten mit starken Handelspartnern zusammen, die wir mitnehmen.“ Die Komplexität dieses Unterfangens ist in einer digitalen Welt jedoch enorm: „Der Konsument soll entscheiden dürfen, was er wann wo und wie kauft. Wir wissen aktuell jedoch nicht, ob diese Person die Jacke zuerst auf unserer Website oder im Schaufenster eines Ladens gesehen hat. Hätten wir diese Datenpunkten, würde sich die Frage stellen: Wer in der Wertschöpfungskette bekommt welchen Anteil für welche Leistung?“ Pabst spricht – angelehnt an den Automobilbereich – von „Mini-Conversions“: „Wie gestalten wir ein Modell, in dem der Einzelhandelspartner, bei dem das Produkt vielleicht entdeckt und anprobiert, aber schlussendlich nicht gekauft wird, auch finanziell partizipiert.“ Der Manager sagt, dass ihn dieses Thema fasziniert, gesteht aber auch ein, dass es bis dahin noch „ein langer Weg ist“. Aber: „Ich bin mir sicher, dass das kommen wird.“
Um dem sich verändernden Geschmack der Kunden gerecht zu werden, versucht Mammut den Spagat zwischen Berggipfel und Innenstadt. Denn Outdoormarken sind auch zu Lifestylemarken geworden. Mit seiner neuen „Urbaneering“-Kollektion will das Unternehmen nun auch Stadtbewohner ansprechen – den Fokus auf funktionale, technische, hochqualitative Kleidung dabei jedoch nicht verlieren. Zudem will Mammut nicht nur in Sachen Distribution, sondern auch bei der Kleidung selbst digitaler Pionier sein: Seit 2019 wird der NFC-Chip „Mammut Connect“ an ausgewählten Kleidungsstücken angebracht. Eine zugehörige App zeigt dabei umfassende Details über das Produkt und ermöglicht die Nutzung weiterer Dienstleistungen.
MAMMUT IN ZAHLEN
(Quelle: Mammut Sports Group)
Und dann gibt es da noch den anderen Megatrend, der die Strategie prägt: Nachhaltigkeit. Mammut ist in gewisser Weise abhängig davon, dass die Menschheit Lösungen für die Klimakrise findet. Pabst: „Für uns als Marke, die in der Natur lebt, ist es das grösste Anliegen, dass unser eigener Spielplatz nicht zerstört wird.“ So hat sich Mammut das Ziel gesetzt, bis 2050 emissionsneutral zu wirtschaften, wofür unter anderem die Wertschöpfungskette intensiv durchforstet wird.
Doch die Debatte in der Branche geht deutlich weiter, wie ein Interview mit Patagonia-CEO Ryan Gellert zeigt: In der NZZ am Sonntag sagte der Chef des kalifornischen Outdoorlabels, das Unternehmen wolle in Zukunft „nicht mehr wachsen“. Dazu will sich Patagonia insbesondere neue Umsatzströme genauer ansehen, darunter etwa Secondhand, die Vermietung von Kleidung oder die Reparatur kaputter Stücke. Bei Mammut ist das Thema laut Pabst schon lange relevant: 15 Mitarbeiter allein in der Schweiz und Deutschland würden nichts anderes tun, als Mammut-Produkte zu reparieren. „Reparaturen sind für uns enorm wichtig. Der logische nächste Schritt ist, dass Menschen ihre Produkte über uns weiterverkaufen.“ Das Produkt bekomme eine Art Stempel als Originalprodukt, würde repariert und für die Kunden weiterverkauft. „Wir arbeiten an diesen Geschäftsmodellen – das kommt.“
Pabst wuchs zwar in Berlin auf, er kam aber schon früh in die Schweiz. Bevor er sein Studium an der Universität St. Gallen absolvierte und seine erste berufliche Station bei McKinsey in Zürich startete, besuchte er jedoch 14 Jahre lang die Waldorfschule. „Beides prägt mich in meiner täglichen Arbeit: der grosse Respekt vor kreativen Menschen – und der Wunsch, ein Unternehmen erfolgreich zu führen“, sagt er. Das versuchte er später als Managing Director bei Boards & More, einem Hersteller von Surfequipment, bevor er 2006 zur Münchner Wintersportmarke Willy Bogner wechselte. Zuletzt war er dort als Chief Sales Officer bzw. Chief Marketing Officer tätig; 2016 wurde er CEO von Mammut.
Sein unternehmerisches Gen („Ich hatte immer den Wunsch, unternehmerisch tätig zu sein“) lebt Pabst nicht nur bei Mammut aus, sondern auch als Investor. Seit 2006 investiert er über den Schweizer Venture-Capital-Fonds BTOV Partners in Start-ups. Die Tätigkeit trenne er strikt von seiner Rolle als CEO, wertvolle Erfahrungen sammle er dennoch: „Ich habe einen anderen Blick darauf gewonnen, welche Chancen die Digitalisierung bietet.“ Diese Chancen will Pabst mit Mammut nutzen – und zwar global. Denn laut Conzzeta soll der Käufer des Unternehmens „jemand sein, der den notwendigen Marktzugang“ ausserhalb Europas hat. Das kann natürlich die USA meinen, wahrscheinlicher ist aber, dass die Wachstumsregion Asien gemeint ist. Pabsts Einblick in digital getriebene Start-ups helfe ihm dabei, die Zukunft zu sehen: „Es hilft sehr, einmal mit eigenen Augen gesehen zu haben, was Skalierung in der digitalen Welt wirklich heisst. Und wenn sich das dann mehrfach wiederholt, merkt man, dass man diese Erfahrungen auch auf die Transformation eines traditionellen Unternehmens anwenden kann.“
Text: Klaus Fiala
Fotos: Mammut
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 2–21 zum Thema „Health & Wealth“.