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Es gibt ein zentrales Element, das alle in der Organisation in diesen herausfordernden Zeiten vereint: die gelebte Unternehmenskultur. Ein Gastkommentar von Sunnie Groeneveld.
Home Office an jedem Tag der Woche – und das für Millionen von Arbeitnehmern. Kaum mehr hierarchische Führung über die physische Präsenz, dafür werden Unternehmen hauptsächlich über digitale Kollaborations- und Vernetzungsplattformen geleitet. Keine Geschäftsreisen mehr, dafür Verhandlungen per Videokonferenz. Starker firmeninterner Zusammenhalt ganz ohne Teamanlässe, Apéros oder All-Hand-Meetings. Kurzarbeit und Staatsinterventionen statt florierende Marktwirtschaft.
Hätte ich am 20. Januar 2020, als ich beim Wirtschaftsmoderator Reto Lipp in der TV-Sendung „Eco: Das Wirtschaftsjahr 2020“ vom Schweizer Fernsehen eingeladen war, so die Veränderung skizziert, die dieses Jahr in der Arbeitswelt stattfinden würde, hätte es das Publikum damals als Utopie abgetan. Doch heute – nur neun Wochen nach der Ausstrahlung – entspricht diese Skizze für einen Grossteil der Bevölkerung im deutschsprachigen Raum der gelebten Realität.
Covid-19 hat einen gewaltigen Ruck durch die Arbeitswelt verursacht. Als Gründerin der Unternehmesberatung Inspire 925, die Firmen seit bald einer Dekade beim Kulturwandel digitaler Transformationsprojekte begleitet, kann ich nur bestätigen: So schnell haben Firmen noch nie digital aufgerüstet. Aktuell finden Veränderungsprozesse, die vor dem Pandemie-Notstand Monate – teils Jahre – gedauert hätten, innerhalb von Tagen statt.
Wenn die Umstände herausfordernder, komplexer, ja manchmal sogar chaotisch werden in den nächsten Wochen und Monaten, gibt es ein zentrales Element, das alle in der Organisation vereint: die gelebte Unternehmenskultur.
Sunnie Groeneveld zu Gast in der TV-Sendung „Eco: Das Wirtschaftsjahr 2020“.
Was kann jeder von uns tun, um die Unternehmenskultur trotz physischer Distanz zu erhalten? Worin zeigt sich eine starke Unternehmenskultur, wenn es keine gemeinsamen Kaffeepausen, Firmenanlässe, interne Training-Workshops, Team-Meetings oder Afterwork Apéros mehr gibt?
Kultur wird vorgelebt, entsprechend zentral ist die Rolle von Führungspersönlichkeiten in den Unternehmen. Und Führung wiederum beginnt bei sich selbst - im dezentralisierten Kontext von Home Office erst recht. Worin zeigt sich „Self-Leadership“ in den eigenen vier Wänden? Zunächst einmal darin, dass man auf sich und seine Gesundheit schaut. Und dann darin, dass man bewusst einen Arbeitsplatz mit einem bequemen Stuhl einrichtet, der eine ergonomische Haltung und konzentriertes Arbeiten ermöglicht, dass man sein Bett macht und nicht im Pyjama, sondern frisch angezogen am Morgen zur Arbeit geht – auch wenn das Büro nur fünf Schritte entfernt ist. Es geht darum, dass man eigenverantwortlich Arbeitszeiten und Pausen festlegt, für guten Kaffee selbst sorgt und sich symbolträchtige Gegenstände, die an die Firmenkultur erinnern – beispielsweise ein gerahmtes Foto vom letzten Mitarbeiterfest oder die Firmentasse mit deren Logo – als Reminder in den neuen Arbeitsalltag einbaut. Zusammengefasst: Führung im Bezug auf sich selbst zeigt sich in den kleinen Dingen, die über die Zeit den grossen Unterschied machen.
Sunnie Groeneveld
... ist Unternehmerin, Verwaltungsrätin, Studiengangsleiterin, Referentin und ein „Under 30“-Listmaker (Jahrgang 2018). Sie ist Gründerin und Managing Partner der Beratungsfirma Inspire 925.
Doch „Self-Leadership“ von jedem und jeder in der Organisation ist erst der Anfang. Gelebte Unternehmenskultur setzt auch Führung auf Ebene des Teams und der Organisation voraus. Diese wiederum orientiert sich an den Werten des Unternehmens. Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Als Verwaltungsrätin der Schweizer Engineering-Gruppe Hefti.Hess.Martignoni haben wir im Verwaltungsrat – basierend auf unserem Leitsatz „Wir schaffen Vertrauen“ – beschlossen, einen unbürokratischen Solidaritätsfonds ins Leben zu rufen, um das Vertrauen bei all unseren Mitarbeitenden zu stärken, die von Kurzarbeit betroffen sind. Das Ziel: Sie sollen keine finanziellen Einbussen haben. Alimentiert wir der Fonds von freiwilligen Beiträgen von allen Mitarbeitenden, die von ihrem Lohn etwas beisteuern können und wollen. Der CEO geht mit gutem Beispiel voran, er hat bereits bei der Lancierung einen Teil seines Lohns zugesichert.
Den Entscheid für die Gründung des Solidaritätsfonds haben wir physisch getrennt aber geistig vereint getroffen – in einer Videokonferenz. Zusammengefasst: In Krisen zeigt sich Führung auf den Ebenen Team und Organisation, wenn wertebasiert innerhalb kürzester Zeit den Worten Taten folgen.
Die gelebte Unternehmenskultur ist also – nebst der finanziellen Lage der Organisation – sozusagen die zweite Fackel im dunklen Raum der Ungewissheit. Erlischt sie, verirren sich Mitarbeitende, wissen nicht weiter, und bekommen Angst im Dunkeln. Lebt man die Unternehmenskultur vor, brennt die Flamme der Kultur hingegen lichterloh und gibt dem Team in der Krise die Zuversicht, dass der Weg entsteht, wenn man ihn geht.
Text: Sunnie Groeneveld
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