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Gemma McGough wurde durch den Verkauf ihres Tech-Business zur Millionärin. Dass sie nicht mehr von ihrem Reichtum abgeben muss, findet sie ungerecht – mit anderen Vermögenden kämpft sie nun für eine höhere Besteuerung.
Als Gemma McGough vor einigen Jahren ihr Tech-Start-up verkaufte, wurde sie auf einen Schlag Multimillionärin. Doch glücklich machte der plötzliche Reichtum die Britin nicht. „Ich hatte nie erwartet, dass ich jemals so viel Geld haben würde. Das fühlte sich unbehaglich an“, erinnert sich die 43-jährige Unternehmerin.
Zusammen mit ihrem Mann Chris hatte sie im britischen Buckinghamshire die Zertifizierungsagentur Product Compliance Specialists gegründet und zu einem profitablen Unternehmen ausgebaut. Wenn Tech-Konzerne neue Produkte auf den Markt bringen, holen sie sich Unterstützung von McGoughs Betrieb: Dessen Experten können sicherstellen, dass die Geräte die jeweiligen nationalen Regulierungsvorgaben erfüllen – ein lukrativer Nischenmarkt, in dem die Britin auch mit ihrer aktuellen Firma Eleos Compliance zu den führenden Anbietern zählt.
Doch McGoughs Mission ist nicht nur unternehmerischer Erfolg. Sie will auch der Gesellschaft etwas zurückgeben, und zwar ganz konkret einen üppigen Teil ihres Vermögens. McGough gehört zu einer zunehmenden Zahl von Wohlhabenden, die den Staat geradezu anbetteln, er möge sie doch höher besteuern. In den USA und im Vereinigten Königreich hat sich sogar eine Organisation gebildet, die sich allein der Lobbyarbeit für eine Reichensteuer verschrieben hat: die Patriotic Millionaires.
Die Bewegung entstand in Amerika, wo sie inzwischen Hunderte Mitglieder hat. Unter ihnen findet sich auch Abigail Disney, eine Erbin der gleichnamigen Unterhaltungsdynastie, die sich als „zu reich“ bezeichnet. Die 62-jährige Enkelin von Roy Disney, der 1923 mit seinem Bruder Walt die Walt Disney Company gründete, hat ein Nettovermögen von etwa 120 Mio. US-$. Ihr Kontostand habe sie unglücklich gemacht, sagte sie einmal. Disney begann daher, Geld für wohltätige Zwecke zu spenden und zu verschenken. Es waren noble und grossherzige Gesten, doch gesellschaftlichen Wandel konnten sie nicht bewirken – darum versucht Disney nun, Regierungen zu überzeugen, dass sie bei „allen absurd reichen Menschen auf der ganzen Welt“ mehr Geld eintreiben.
McGough ist eine Wortführerin des britischen Ablegers der Patriotic Millionaires. In der Anglosphäre macht die Organisation schon seit einiger Zeit Schlagzeilen, doch nicht nur in der Heimat von Robin Hood stösst die Mission, von den Reichen zu nehmen, um den Armen zu geben, auf Interesse: Im deutschsprachigen Europa hat die Wienerin Marlene Engelhorn, eine Nachfahrin des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn, eine ähnliche Initiative gegründet. Bald wird sie einen Millionenbetrag erben – und will für diesen besteuert werden. Es könne doch nicht sein, argumentiert sie, dass ihr Erbe steuerfrei sei und die arbeitende Bevölkerung den Grossteil der Steuerlast trage. Ihre Initiative Taxmenow setzt sich öffentlich für Steuergerechtigkeit und eine faire Vermögensverteilung ein.
Auch der Däne Djaffar Shalchi, der mit Immobilien zum Selfmade-Multimillionär wurde, fordert eine Reichensteuer für Menschen wie ihn selbst. Auch er sieht „Überreichtum“ als Problem für die Demokratie: Das System sei viel zu stark auf die Bedürfnisse und Interessen der Vermögenden ausgerichtet. In einem Interview erklärte der Unternehmer mit iranischen Wurzeln: „Wir müssen zu einem fairen System zurückkehren, zu einem demokratischen System, in dem jeder seinen gerechten Anteil zahlt.“
McGough, die mit ihren drei Kindern in der Nähe von London lebt, hofft auf mehr internationale Zusammenarbeit bei der Besteuerung. „Es braucht eine länderübergreifende Initiative, um Menschen wie mich, die mehr zahlen können, stärker zu belasten“, sagte sie. Gerade in Grossbritannien nutzen zahlreiche Superreiche komplexe Offshore-Konstrukte, um ihre Vermögen vor dem Zugriff des Fiskus zu schützen. McGough fordert daher neben Steuergerechtigkeit auch eine „robuste Verfolgung“ von Steuervermeidung und -hinterziehung.
Noch immer blickt sie zwiegespalten auf ihren Reichtum. „Es fühlt sich an, als wäre ich überkompensiert worden. Durch Reichtum bist du plötzlich anders als andere Leute, und ich frage mich: Sollte ich so viel mehr haben?“ Nachdem sie ihr erstes Unternehmen verkauft hatte, gründete sie eine Wohltätigkeitsorganisation. Charity-Arbeit sei „liebenswert“, doch Philanthropie löse nicht die grossen Probleme unserer Zeit, sagt McGough. Und zu diesen gehöre auch die sich weitende Kluft zwischen Arm und Reich, so die Britin.
Es braucht eine länderübergreifende Initiative, um Menschen wie mich, die mehr zahlen können, stärker zu belasten.
Gemma McGough
Im vergangenen Juni trafen sich 500 Millionäre aus aller Welt in einem Ballsaal des Londoner Savoy Hotels zu einer Konferenz. Die patriotischen Millionäre nutzten das Treffen, um für ihr Anliegen zu werben. Berater von Ultravermögenden hatten auf der Veranstaltung gewarnt, es gäbe ein „echtes Risiko von Aufständen“ und „zivilen Unruhen“, sollte die ungerechte Vermögensverteilung weiter zunehmen – gerade in einer Zeit, in der viele Haushalte weltweit unter hohen Energie- und Lebenshaltungskosten leiden.
Es sind vor allem Frauen, die an vorderster Front für die Mission der Patriotic Millionaires kämpfen; unter ihnen McGoughs Kollegin Julia Davies, die im Savoy Hotel auch vor den Folgen des Klimanotstands warnte, einer Krise, die globale Armut und Vermögensungerechtigkeit noch verschlimmere. „Jeder kann die Verantwortung von sich wegschieben“, erklärte Davies, „aber es sind die Reichsten in der Gesellschaft, die tatsächlich etwas dagegen tun können.“ Die reichsten Menschen der Welt könnten in den gewaltigen Krisen der Gegenwart „die Helden“ sein.
Darum haben die patriotischen Millionäre zusammen mit fast 300 anderen Superreichen, Ökonomen und Politikern in einem offenen Brief an die G20-Staatschefs eine globale Reichensteuer gefordert. Die aktuelle Ungleichheit habe demnach ein „gefährliches Ausmass“ angenommen und bedrohe die politische Stabilität in Ländern weltweit.
Welche Rolle und Verantwortung Vermögende in einer Gesellschaft haben, wird stets aufs Neue debattiert. Oft gelten sie als Sündenböcke oder Krisenprofiteure, nun auch als Heilsbringer oder mögliche Helden. Viele vermögende Unternehmer leisten durch ihr Tun einen Beitrag zu einer besseren und gerechteren Gesellschaft – indem sie Arbeitsplätze schaffen, ihr Unternehmen nachhaltig und umweltschonend aufstellen oder für Diversität und Inklusion beim Personal sorgen. McGough aber geht das nicht weit genug.
Dass Regierungen nicht immer klug und vorausschauend mit Steuergeldern umgehen, sondern dieses Kapital oft fahrlässig, kurzsichtig oder ineffektiv verschwenden, dafür gibt es unzählige Belege. McGough glaubt dennoch, dass gesellschaftlicher Wandel nur mit dem Staat und seinen demokratisch gewählten Vertretern zu bewirken ist. Ihre Vorschläge klingen dabei nicht allzu radikal: Kapitalertragssteuern sollen an die Einkommenssteuern angeglichen werden, was ihrer Aussage nach 14 Mrd. britische Pfund an zusätzlichen Steuereinnahmen pro Jahr einbringen würde – und damit mehr als die vom britischen Premierminister Rishi Sunak vorgeschlagene Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge, die (wieder einmal) vor allem die ohnehin schon am höchsten besteuerten Durchschnittsverdiener trifft.
Zwar sagt McGough, viele Vermögende hätten Interesse an ihrer Organisation und wollten einen Beitrag leisten, auch im deutschsprachigen Raum; dennoch ist die Mission der patriotischen Millionäre eine schwierige. Das zeigt sich auch in McGoughs Heimat: Die nächste Regierung wird höchstwahrscheinlich die linke Labour-Partei stellen. Doch selbst die hat ihre Pläne für eine (hohe) Vermögenssteuer längst begraben.
Gemma McGough, 43, wurde durch ihre Gründungen und Investments in Technologiebetriebe zur Multimillionärin. Sie hat nie studiert und machte sich früh selbstständig, um als Unternehmerin „Herrin ihres eigenen Schicksals“ zu sein. Sie ist Mitgründerin der Patriotic Millionaires UK. patrioticmillionaires.uk
Foto: beigestellt