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Die Päpstlichen Missionswerke, kurz Missio, wurden 1822 von Pauline Marie Jaricot gegründet. Heute ist Missio in 150 Ländern der Welt aktiv. Als eine der grössten Spendenorganisationen in Österreich engagiert sich Missio Österreich mit Papst Franziskus an der Spitze für eine wachsende Weltkirche, mit besonderem Augenmerk auf den Ländern des Globalen Südens. Gründerin Pauline Marie Jaricot vertraute vor allem auf zwei Werte, um die Welt zu verändern: Gebet und Spende. Ein Gespräch mit Pater Karl Wallner, dem Nationaldirektor von Missio Österreich.
Mit ihrer Idee, dass kleine Beträge grosse Wirkung entfalten können, legte Pauline Jaricot den Grundstein für die heutigen Missionswerke. Wie veränderte sie die Geschichte?
Pauline hatte die Idee einer Demokratisierung. „Demos“ heisst „das Volk“ – und Pauline hatte den Gedanken, dass sich das ganze Volk Gottes und die Kirche an einer Mission beteiligen. Entlang der drei Säulen Gebet, Spende und Information gelang es Pauline, das Interesse für die Mission unter den Menschen Anfang des 19. Jahrhunderts neu zu entfachen. Sie gründete die „Gebetsbewegung des Lebendigen Rosenkranzes“. Die Mitglieder verpflichteten sich, täglich ein Gesätzchen des Rosenkranzes zu beten und wöchentlich einen Sou (franz. Münze, Anm.) für die Weltmission zu spenden. Schon zu Paulines Lebzeiten zählte die Gebetsbewegung in Frankreich über zwei Millionen Mitglieder. Ausserdem herrschte eine Aufbruchstimmung, die Neugier auf neue Kontinente und der Entdeckungswille waren gross. Man war fasziniert von anderen Kulturen und wollte als Christ jenen Menschen Jesus Christus nahebringen, die ihn noch nicht kannten. Die Idee von Pauline Jaricot war es, dass alle Menschen einen liebenden Gott kennenlernen und sie dadurch verbunden werden.
Was sind heutzutage die Kernaufgaben von Missio?
Wir stärken eine wachsende Weltkirche. Das bedeutet nicht, dass die Kirchen voller sind, sondern dass sich dort noch mehr Leute engagieren wollen – karitativ, indem sie Schulen, Waisenhäuser und so weiter bauen. Das Zweite ist: Wir helfen und retten die Ärmsten vor Ort. Das heisst, wenn in Mosambik ein Zyklon ist oder in Haiti ein Erdbeben, sind wir da. Unsere Schwestern, unsere Priester sind da, um den Ärmsten vor Ort in Katastrophenfällen zu helfen. Das Dritte ist: Wir helfen Kindern in die Zukunft. Wenn sie keine Bildung haben, dann haben sie keine Zukunft. Das Thema Migration beginnt nicht erst auf Lesbos, sondern bei den Möglichkeiten, zu leben – oder bei den Unmöglichkeiten, dort zu leben. Wir sind dabei, diese Möglichkeiten zu schaffen. Das Vierte ist: Wir sorgen für die Priester von morgen, sprich, wir fördern Priesterausbildungen. Das sind nicht bloss die Priester des Globalen Südens, auch in Österreich gibt es mehr als genug. Das Fünfte ist: Wir wirken selbst missionarisch. Das kommt einfach aus der Notwendigkeit heraus. Wenn wir hier zuschauen, wie die christliche Nächstenliebe abnimmt, dann wird sie keine Zukunft haben.
Missio ist bei einer Vielzahl von Projekten involviert und engagiert. Welches Thema ist Ihnen persönlich ein grosses Anliegen?
Wir unterstützen circa 600 bis 700 Projekte pro Jahr. Ein grosses Anliegen sind mir Kinder und vor allem Kindersoldaten – wenn man das einmal gesehen hat, wie die mit acht oder neun Jahren den Eltern weggenommen werden, dann brutalisiert und im Dschungel gehalten werden … Oder: Ich war 2017 nach einem Hurrikan im Westteil von Haiti. Dort habe ich ein völlig zerstörtes Land erlebt, wo du zwar Gläubigkeit hast, aber keine Zukunft. Ich bin dort jeden Tag dem Tod begegnet; von den 42 Kirchen wurden durch den Hurrikan über 39 zerstört. Das muss man alles mal erleben. Da hilft man, wo man nur kann, und tut das natürlich dann mit Freude – auch, weil man dann sieht, was es den Menschen gibt, unterstützt zu werden. Diesen – vor allem jungen – Menschen ein Minimum an Hoffnung und Bildung zu geben, das ist schon eine tolle Sache.
Missio feiert dieses Jahr 100-jähriges Bestehen. Was waren die grossen Meilensteine für Missio?
Missio wurde in der Zeit der Wirtschaftskrise gegründet, in einer völligen Umbruchsituation. Der Ausdruck „päpstlich“ bedeutet auch „global“ – der Papst ist für eine Weltkirche zuständig, die nicht auseinanderfällt in Rassen, Nationen et cetera, sondern das Credo ist: Wir sind eins. Das sehe ich auch, wenn ich unterwegs bin: Die Kirche ist der grösste Global Player, wenn es um gegenseitigen Respekt, Liebe und Anerkennung geht. Wir haben keinen Rassismus in der Kirche, keine nationalen Differenzen, keine Stammesdifferenzen und so weiter. Es war ein genialer Schachzug des Papstes, 1922 die französischen Missionswerke zu globalisieren. Es gab eine unglaubliche Welle von Berufungen von Priestern, die auf Mission gegangen sind. Wir hatten bis zu 2.000 Missionarinnen und Missionare aus Österreich in der Welt. Wenn man heute etwa nach Papua-Neuguinea geht, würde es dort diese Form von Humanität nicht geben, wenn nicht österreichische Missionare dort gewesen wären. Es stehen viele Schulen und Krankenhäuser dort, die von österreichischen Missionaren gegründet worden sind. Es ist unglaublich, was da gelungen ist. Aber wir sind noch nicht am Ziel. Es wird weitergehen. Wir haben noch viele Aufgaben. Ich sehe eine wachsende, lebendige, stärker werdende Weltkirche.
Die Kirche ist der grösste Global Player, wenn es um gegenseitigen Respekt, Liebe und Anerkennung geht
, sagt Pater Karl Wallner
Was wünschen Sie sich für Missio für die nächsten 100 Jahre?
Eigentlich ist es das Ziel einer Organisation, wie wir eine sind, sich überflüssig zu machen. Ich finde es immer schrecklich, wenn Hilfsorganisationen grosse Jubiläen feiern. Eigentlich ist die Aufgabe, das Elend und die Armut ganz aus der Welt wegzubringen. Realistischerweise wissen wir, dass das nicht geht. Wir haben keine marxistische Utopie einer völlig heilen Welt. Unsere Heimat ist der Himmel. Das letzte Ziel ist bei Gott, aber wir wollen die Erde so gut wie möglich verlassen. Ich hoffe, dass Missio weiter wächst, dass wir viel Sympathie bei den Menschen gewinnen, dass wir ihnen zeigen können, was wir Gutes tun. Wir sind eine Einladung. Wir sagen nicht: „Gebt uns Geld!“, sondern laden dazu ein, ein Teil davon zu sein.
Karl Josef Wallner ist ein österreichischer Ordenspriester im Stift Heiligenkreuz in Niederösterreich. Seit 2016 ist er Nationaldirektor der Niederlassung von Missio, den Päpstlichen Missionswerken, in Österreich.
Text: Naila Baldwin
Fotos: David Visnjic, Missio