Die GoldJägerin

Sie gilt es derzeit zu schlagen: Die deutsche Dressurreiterin Jessica von Bredow-Werndl gewann bei ihren allerersten Olympischen Sommerspielen 2020/21 in Tokio Mannschafts- und Solo-Gold. Jetzt bereitet sich die Leistungssportlerin und Nummer eins der Weltrangliste auf die nächsten Olympischen Spiele in Paris 2024 vor – und bringt dabei nicht nur das tägliche Training ihrer Pferde, sondern auch die Aufgaben als Unternehmerin und Mutter unter einen Hut.

Sie sind ja aus einer durchaus sportlichen Familie – ihr Vater segelte leistungssportlich und ihre Mutter fuhr Skirennen. Warum haben Sie sich ausge­rechnet für den Reitsport entschieden?
Jessica von Bredow-Werndl: Die Liebe zu den Pferden und grund­sätzlich zu Tieren hatte ich von klein auf. Meine Tante hat Lewitzer Ponys gezüchtet, und schon bei meinem ersten Besuch im Stall war ich regelrecht infiziert von diesem hartnäckigen „Pferdevirus“. Damals war ich vier Jahre alt. Bis zu meinem 13. Lebensjahr bin ich auch nebenbei Skirennen gefahren. Das hat mir viel Spass gemacht, aber nichts war vergleichbar schön für mich wie die Zeit im Stall mit den Pferden.

Wann war für Sie klar, dass Sie Ihr Hobby zum Beruf machen und professionelle Dressur­reiterin werden?
Ich war schon als Juniorin erfolgreich im Sport. So habe ich mich zum Beispiel mit zwölf Jahren das erste Mal mit meinem damaligen Reitpony für das deutsche Bundeschampionat qualifiziert. 2002 bis 2005 habe ich sechs Gold- und zwei Silbermedaillen bei den U18- und U21-Europameisterschaften ge­wonnen. Doch danach kam ein sportliches Tief von gut fünf Jahren, als der Umstieg zu den Senioren erst mal nicht geklappt hat. Mit 25 habe ich überlegt, den Reitsport als Spitzensport komplett aufzugeben; damals hatte ich mein Studium in Marketing und Kommunikation abgeschlossen und war bereits seit zwei Jahren neben dem Reiten in der Leitung eines Sport-und Gesundheitsklubs tätig. Im richtigen Moment habe ich zum Glück meinen Coach kennen­gelernt, mit dem ich anfing zu arbeiten und der mir wichtige Fragen gestellt hat. Damals war es, als hätte mir jemand bei Starkregen den Scheibenwischer angestellt und ich konnte nicht nur wieder klar sehen, sondern vor allem wieder klar fühlen, dass meine Liebe und Passion bei den Pferden liegt. Damals habe ich beschlossen, die nächsten fünf Jahre alles in die Pferde und den Reitsport zu stecken und mein Bestes zu geben. Danach hätte ich immer noch etwas anderes machen können, da ich ein fertiges Studium und Berufserfahrung hatte, um auch in einer anderen Branche Fuss fassen zu können.

„Die nächsten zehn Jahre sehe ich mich schon noch im Spitzensport“, sagt Jessica von Bredow-Werndl.

Die Trakehnerstute Dalera ist im Moment Ihr Siegerpferd. Wie sind Sie auf sie gekommen und was zeichnet Dalera aus?
Nachdem ich bereits 2012 Unee BB, das Pferd meiner langjährigen Mäzenin und ehemaligen Olympiarichterin Béatrice Bürchler-Keller, reiten durfte, mit dem ich es in die Top Four der Welt geschafft habe, vertraute sie mir vor acht Jahren Dalera an. Dalera ist wie eine beste Freundin und es macht einfach unglaublich viel Spass, Zeit mit ihr zu verbringen. Sie hat so eine tolle Persönlichkeit, ist wahnsinnig liebevoll und lustig und gleichzeitig so ein richtiger Rockstar, wenn es auf die grossen Turniere geht. Sie liebt es, unterwegs zu sein, und geniesst da meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Mit ihr konnte ich auch meine ersten Olympischen Spiele bestreiten und gewinnen, was mit Sicherheit das ­eindrucksvollste Turnier meiner bisherigen Laufbahn war. Dalera hat mich auf dem ganzen Weg dorthin begleitet: zu den Championaten, den Weltcup-Finals und natürlich auch zum CHIO (Concours Hippique In­ter­national Officiel, Anm.) in Aachen.

Im Sommer 2022, also ein Jahr nach Tokio, kam es für Sie zu einer Mutterschaftspause, aus der Sie früher als die vorgesehenen sechs Monate zurückkehren wollten. Die FEI (Fédération Équestre Internationale, Anm.) liess das aber nicht zu, wodurch Sie einige Weltrang­listenpunkte verloren. Einem Mann wäre das klarerweise nicht passiert. Was hat sich seither auf diesem Gebiet im Reitsport getan?
Mein Fall hat zu einer Anpassung des Reglements geführt: Die Sperre kann nun bereits nach drei Monaten auf­gehoben werden. Es wäre noch gut, wenn alle Weltranglistenpunkte während der Pause erhalten bleiben könnten.

Neben dem Leistungssport ­kümmern Sie sich auch um viele Aufgaben, die in Ihrem Stall in Aubenhausen anfallen. Wie unterscheidet sich für Sie der Profisport vom „eigenen Unternehmen“ Aubenhausen?
Mein Bruder Benjamin und ich haben in Aubenhausen drei Säulen auf­gebaut. Die eine ist der Sport. Wir bilden junge Pferde aus und möchten diese im Sport und bei uns behalten, um mit ihnen hoffentlich in der Dressur durchstarten zu können. Die andere ist die Ausbildung und auch der Verkauf, eine wichtige Säule, um den Sport zu finanzieren. Als dritte Säule haben wir den Aubenhausen Club, eine digitale Ausbildungs­plattform, gegründet: ein Fitness­programm für Reiter – „Dressurfit“ – und eine Akademie, in der wir zeigen, wie wir unsere Pferde behutsam ausbilden. Letztere haben wir während der Pandemie ein bisschen aus Langeweile ins Leben gerufen, sie ist mir mittlerweile aber sehr ans Herz gewachsen. Bei der Aubenhausen Academy versuchen wir, Reitern Schritt für Schritt online zu erklären, wie sie beispielsweise eine Pirouette mit ihrem Pferd erarbeiten. Die ­Trainingsschritte werden dabei an absoluten ­Youngster-Pferden bis hin zu Profis wie Dalera erklärt. Sowohl bei „Dressurfit“ als auch der Auben­hausen Academy sehe ich sehr grosses Potenzial für die Zukunft; die Leute interessieren sich dafür.

Nächstes Jahr steht ja wieder Olympia an – wie sehen Sie dabei Ihre Chancen auf die Titel­­verteidigung?
Dass Dalera in Topform ist, hat sie jüngst bei den Europameisterschaften gezeigt, als wir gemeinsam drei Personal Bests aufgestellt haben. Bis Paris ist es meine Aufgabe, sie so frisch, fit und motiviert wie möglich zu halten. Das ist das Einzige, was ich beeinflussen kann, und darauf konzentriere ich mich. Ich hoffe, dass wir auch mit dem deutschen Team unseren Titel von Tokio verteidigen können. Wer Deutschland in Paris vertreten darf, steht allerdings erst vier Wochen vorher fest. Das wird also alles erst sehr kurzfristig entschieden.

Wie lange haben Sie vor, im Spitzensport aktiv zu sein? Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?
Die nächsten zehn Jahre sehe ich mich schon noch im Spitzensport. Als Reiterin bin ich noch recht jung, und das ist das Schöne an unserem Sport: Man kann ihn viele Jahre in Höchstform betreiben. Ich bilde immer wieder Pferde für den Grand Prix aus und hoffe natürlich, dass ich das, was ich mit Dalera geschafft habe, mit einem anderen Pferd vielleicht noch mal wiederholen darf. In zehn Jahren beginnt vielleicht schon ein neues Kapitel für mich. Vielleicht als Coach? Mentorin? Unternehmerin bleibe ich auf jeden Fall (lacht)! Ich weiss es noch nicht. Was ich weiss, ist, dass ich mich auch um meine Kinder kümmern und dann nicht nur von einem Turnier zum nächsten jagen möchte. Wer weiss, vielleicht infiziert sich eines meiner Kinder auch mal mit dem „­Pferdevirus“?

Fotos: Liz Gregg

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Redakteurin

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