DIE DYSTOPIE DER SMARTEN STADT

Alle wollen Smart Cities. Schneller, sauberer und intelligenter sollen sie sein. Adam Greenfield ist keiner von ihnen: „Against the Smart City“ heisst das Buch des US-Amerikaners, der durch seine kontroverse Meinung zu diesem Thema auf sich aufmerksam machte und bereits dem Spiegel und Forbes Russia seine Bedenken erzählte.

Die Ideologie der Smart City stammt laut Greenfield von Konzernen wie IBM, Cisco und Samsung, für die die Automatisierung der Grossstädte durch Technologien ein gutes Geschäft darstellt – an genau dieser Idee stösst sich Greenfield. Daten, die konstant überall in der Stadt gesammelt werden, sollen an Entscheidungsträger weitergegeben werden, um Disruptionen wie massenhafte Menschenansammlungen zu verhindern, so die Vision der Unternehmen. Greenfield bemängelt, dass die gesammelten Daten in einer Demokratie eigentlich allen Bürgern zugänglich sein müssten. „Die Gewinnung von Daten aus alltäglichen Aktivitäten zur eigenen Verwendung“ sei das eigentliche Ziel der smarten Städte, erklärt der Amerikaner, der bereits als Ab­teilungsleiter bei Nokia und Razorfish tätig war.

Seine Kritik am Smart-City-Prinzip führt er auf zwei Aspekte zurück: Aus gesellschaftspolitischer Sicht ist der Urbanist überzeugt davon, dass die vollständige Automatisierung einer Stadt und die konstante Beobachtung und Analyse ihrer Bewohner „nicht annähernd die Probleme lösen, mit denen wir in Städten konfrontiert sind“. Ausserdem könne es dabei zu Missbrauch kommen. So musste etwa das automatische Audioanalyse-Tool Shot Spotter, das versprach, Schüsse zu orten und der Polizei zu melden, in den USA wieder abgeschafft werden: Polizisten hatten das System missbraucht, um gefälschte Schussgeräusche als Beweise für bereits getätigte Verhaftungen zu verwenden. Auch aus rein pragmatischer Sicht würden sich die Technologien schlichtweg nicht rechnen: „In den letzten zehn Jahren gab es nur sehr wenige Fallstudien über signifikante Aus­wirkungen von smarten Technologien zur Optimierung von Städten, die deren Inves­titionen rechtfertigen“, erklärt Greenfield. In einer Gesellschaft, in der eine Impfung vor einer Krankheit die Spaltung der Bevölkerung dermassen be­feuert, könne er sich zudem nicht vor­stellen, dass Menschen von Techno­logien, die Daten durch die Beobachtung unserer Handlungen generieren, überzeugt werden können.

Bereits 2006 veröffentlichte Greenfield ein Buch über die Kolonisierung des Alltags durch Informationstechnologien. Das Bedürfnis, seine Leser über die Gefahren technologischer Entwicklungen aufzuklären, zieht sich durch seine Werke. Greenfield lehrte an der New York University Urban Computing und Urban Design am University College London. Seine Lieblingsstadt? „New York und London sind unbestreitbar die grossartigsten Städte der Welt.“

Text: Sophie Ströbitzer
Fotos: Nurri Kim

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 7–21 zum Thema „Smart Cities“.

Sophie Ströbitzer

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