Der will nur spielen

Der Franzose Nicolas Julia ist Gründer und CEO von Sorare – sein Unternehmen verbindet Sport-Sammelkarten mit der Blockchain-Technologie und ist damit in nur drei Jahren nach seiner Gründung zu Frankreichs höchst­bewertetem und meistgehyptem Start-up aufgestiegen. Die teuersten virtuellen Sammelkarten kosten sechsstellige Beträge. Doch Julia ist noch lange nicht am Ziel.

„Ich mag das Wort ‚disrupting‘ nicht“, sagt Nicolas Julia, Gründer und CEO von Sorare, im Interview, als er darüber spricht, wie er in nur wenigen Jahren den Sportunter­haltungsmarkt ‚disrupted‘, also um­gewälzt, hat. Es passt aber so gut, also muss er es verwenden, um zu beschreiben, wie er aus seiner Idee, Sammelkarten mit Gamifizierung zu verbinden, einen komplett neuen Markt geschaffen hat – einen millionenschweren Markt.

Sorare ist eine Fantasy-Sportmanager-Plattform, über die sich Nutzer ihr eigenes virtuelles Team mit digitalen Spielerkarten zusammenstellen können. Die Karten können gekauft, verwaltet und verkauft werden – man kann sich das wie Panini-Bilder als NFTs vor­stellen.

Die bisher teuersten Karten sind die der Fussballer Erling Haaland (678.680 US-$), Kylian Mbappé (438.100 US-$) und Vinicius Júnior (379.599 US-$). Geld verdient Sorare vor allem mit den Transaktionsgebühren. Neuerdings kann man mit den Karten auch gegen andere „Manager“, wie Sorare seine Mitglieder nennt, spielen. Die Plattform läuft auf der Ethereum-Blockchain, Layer 2, und verbindet so Investment und Besitz mit Gamification und Community.

Mit ihrem Konzept haben Julia und sein Co-Gründer Adrien Mont­fort einen Nerv getroffen. 2021, nur drei Jahre nach der Gründung, konnten die beiden Franzosen die bis dahin grösste Serie-B-Finanzierungsrunde in Europa abschliessen: 680 Mio. US-$. Die Unternehmensbewertung von Sorare kletterte auf 4,3 Mrd. US-$ und machte das Start-up über Nacht zum Einhorn. Schlagartig war klar: Bei Sorare handelt es sich nicht nur um eine Spielplattform für kleine Jungs – hier geht es um echtes Business.

Insgesamt flossen bis dato rund 740 Mio. US-$ in Sorare. Das Kapital wurde benötigt, um schnell ein grosses Netzwerk an Partnern auf­zubauen. Heute hat Sorare Partnerschaften mit über 300 Teams, Vereinen und Organisationen, darunter mit der englischen Premier League, La Liga (Spanien), der deutschen Bundesliga, der Serie A (Italien), der MLB (US-Baseball) und der NBA (Basketball). In Deutschland hatte das Berliner Start-up Fanzone Media an einem ähnlichen Angebot gearbeitet, inzwischen wurde das Unter­nehmen aber liquidiert.

Trotz des rasanten Wachs­tums seines Start-ups und des damit einhergehenden öffentlichen In­teresses wirkt Julia bodenständig. Er erscheint im weissen Hoodie auf der NBA-Cocktailparty am Vorabend des Spiels der Cleveland Cavaliers gegen die Brooklyn Nets in Paris, in deren Rahmen das Interview stattfindet. Sein Team ist mit 150 Mitarbeitenden nach wie vor schlank gehalten. Bescheiden ist Julia trotzdem nicht: „Wir haben vom ersten Tag an sehr offen kommuniziert, dass wir das grösste Sportunterhaltungsunternehmen der Welt aufbauen wollen“, sagt er.

Beim Aufbau seines Unter­nehmens habe er sich, selbst Sport- und Paninikarten-Sammelfan, nicht etwa von anderen Marken inspirieren lassen, sondern von den tiefsten Wünschen und Bedürfnissen von Menschen. „Ich habe mich mit der menschlichen Psychologie der Sportfans beschäftigt, mit den Dingen, die sie sich wünschen“, sagt Julia. „Mit Sorare sprechen wir uralte Bedürfnisse an, die wir als Menschen haben: den Ausdruck von Status und Persönlichkeit, den Wunsch nach Kontakt zu anderen, das Spielen mit Freunden; das ist es, was wir wollen.“

Wenn Julia von seinen Mit­gliedern spricht, verwendet er oft die Form „wir“ – denn auch er ist ein Fan. Einer der Unternehmenswerte von Sorare lautet „Build with the fans, and for the fans“. Julia erklärt ihn so: „Wir sind besessen von unseren Nutzern und wollen für sie die besten Erlebnisse schaffen.“ Das bedeute, regelmässig mit ihnen zu sprechen und die eigenen Produkte selbst zu nutzen. „Ich selbst bin seit drei Jahren im Kundensupport tätig und chatte jede Woche mit den Mitgliedern“, sagt Julia. „Als Gründer muss man die Werte des Unternehmens vorleben. Wenn ein definierter Wert nicht mit dem tatsächlichen Verhalten übereinstimmt, funktioniert es nicht.“

„Sport ist eine gemeinsame Sprache, die soziale und kulturelle Barrieren überwindet“, sagt Nicolas Julia.

Rund vier Millionen Nutzer aus 180 Ländern sammeln, spielen und handeln ihre virtuellen Karten inzwischen auf Sorare. „Eines der Dinge, die ich an unserem Produkt liebe, ist, dass es eine globale Gemeinschaft ist. Sport ist eine gemeinsame Sprache, die soziale und kulturelle Barrieren über­windet“, sagt Julia. Das hat auch wirtschaftliche Vorteile: „Man muss Community-Events nicht nach Ländern lokalisieren – man kann global agieren.“

Eine der neuesten Entwick­lungen von Sorare ist „Rivals“, ein im Januar 2024 gelaunchter Spielmodus. Er folgt auf die kürzliche Einführung digitaler 3D-Spieler­karten und neuer Augmented-­Reality-Funktionen. „Um die Herzen der Fans zu erobern, muss man sich immer wieder etwas Neues einfallen lassen“, sagt Julia. Mit Rivals wolle man den Mitgliedern Spiel­erlebnisse bieten, die über die virtuelle Welt hinausgehen – ein weiterer Schritt auf Sorares Weg zum nächsten Sportunterhaltungsriesen. „Bei Rivals wirst du selbst zum Trainer, stellst dein Team zusammen und spielst gegen andere Mitglieder der Community. Je erfolgreicher du bist, desto grösser ist deine Chance, Erlebnisse im echten Leben zu gewinnen“, sagt Julia. Ein Beispiel dafür: Während der letzten Fussball-Weltmeisterschaft hatten die besten Sorare-Spieler die Möglichkeit, nach Frankreich zu fliegen und gegen Stars der weltweit verbreitetsten Sportart, wie etwa Zinedine Zidane, an­zutreten.

Wie geht es weiter? Es klingt, als wolle Julia im nächsten Schritt noch mehr zu einem sozialen Netzwerk und einer Unterhaltungsplattform werden. Er sagt: „Langfristig möchte ich mit Sorare die Plattform sein, die Menschen nicht nur zum Sammeln und Spielen zusammenbringt, sondern auch, um sich mit anderen Sportfans zu vernetzen, mit ihnen zu chatten, Inhalte vor und während der Spiele zu teilen und tatsächlich Sport zu konsumieren. Ich möchte die Anlaufstelle für jeden Fan sein, um seine Leidenschaft zu leben.“

Der französische Tech-Unternehmer Nicolas Julia, Jahrgang 1986, ist der Co-Gründer von Sorare, einer Blockchain-Plattform für Fantasy-Fussball. Bereits 2015 gründete Julia ein Start-up im Tech-Bereich: La Javaness, ein B2B-Unternehmen mit Fokus auf KI. 2018 folgte mit Sorare dann das Unternehmen, das ihn zum Multi­millionär machen sollte.

Text: Insa Schniedermeier
Fotos: Sorare

Forbes Editors

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