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Wenn ein Ufo entdeckt wird, ist Hansjürgen Köhler nicht weit. Seit 1976 betreibt er das Centrale Erforschungsnetz aussergewöhnlicher Himmelsphänomene, kurz CENAP. Rund um die Uhr und an jedem Tag der Woche klärt er Ufo-Sichtungen auf – oder auch nicht.
Das Wort Ufo beschreibt ein unidentifiziertes Flugobjekt, also alles, was am Himmel fliegt und sich nicht in bekannte Flugobjekte einordnen lässt. Und davon gibt es eine ganze Menge: Zwischen 300 und 400 Anrufe erhält Köhler im Jahr, in den letzten Jahren waren es sogar 600 bis 800. Die Hotline der CENAP ist seit den 1990ern 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche besetzt – früher gingen die Meldungen per Brief ein. Die Idee entstand im Jahr 1973 bei einem Besuch von Köhler und seinem Jugendfreund Werner Walter in der Sternwarte. Dort lag der Telefonhörer nicht auf der Gabel – die Sternwarte war für Anrufer also nicht erreichbar. Das Telefon würde sonst ununterbrochen klingeln, so der Leiter der Sternwarte. „Wollen wir Sterne beobachten oder Telefondienst machen?“, fragte er die damals die beiden Schüler. Tatsächlich gab es zu dieser Zeit keine andere Anlaufstelle für sogenannte Sichtungen. Deshalb gründeten Köhler und Walter 1973 in Mannheim gemeinsam das CENAP, erst als Forschungsgruppe und drei Jahre später als Anlaufstelle.
Wurden in den letzten Tagen Ufos gesichtet?
Vorgestern ist der Himmel gegen Abend aufgeklart, da wusste ich sofort: Heute gibt's wieder Arbeit. Bei klarem Himmel sind Fixsterne, wie Sirius, gut zu erkennen. Diese regen bei den Menschen ein Kopfkino an. Am Morgen drauf sind Elon Musk’s Starlink-Satelliten über den Himmel gezogen. Mittags wurde über Stuttgart ein weisses Objekt gesichtet, das hat sich später als Wetterballon herausgestellt.
Wer meldet diese Sichtungen?
Das ist wirklich ein breiter Durchschnitt der Bevölkerung. Bäcker, Handwerker, Lehrlinge, Kaufmänner, Professoren – wir alle können in die Situation kommen, etwas zu sehen, was wir nicht einordnen können.
Haben Sie selbst auch schon Ufos gesehen?
Ein halbes Jahr lang wurde uns immer wieder von einem orange-rot flackerndem Phänomen berichtet, das gemütlich über den Himmel gezogen ist. Das widersprach allem, was wir bisher kannten. An Silvester haben wir es selbst gesehen: Es ist provokant langsam geflogen, deswegen konnten wir Feuerwerke oder Leuchtpistolen ausschliessen. Später hat sich herausgestellt, dass eine Gruppe Piloten zum Spass kleine Heissluftballons in die Luft geschickt hatte.
Haben Sie schon einmal selbst etwas in die Luft geschossen, das andere dann für ein Ufo gehalten haben?
Da geht die Geschichte weiter: Im Flugzeugbedarf haben wir uns selbst ein paar der kleinen Heissluftballons bestellt und ausprobiert. Im Nachbarort hat ein Polizist, der auf den Balkon gegangen war, um eine Zigarette zu rauchen, die Ballons gesehen. Er konnte sie nicht einordnen und hat sich an die Tagespresse gewendet. Zwei Tage später wurde ein Bericht über unbekannte orange-rote Flugobjekte veröffentlicht.
Lassen sich die meisten Ufos erklären?
Wir haben es zu 99% mit normalen Dingen zu tun, die einfach missinterpretiert werden. Oft haben die Leute Beobachtungsstress oder sitzen mit einer Gruppe zusammen. Jemand aus der Gruppe entdeckt etwas und sie schaukeln sich gegenseitig hoch.
Was ist mit dem 1% das sich nicht erklären lässt?
Das sind Menschen, die sich bei uns melden und anfangen mit „Ich habe da Mitte der 80er Jahre mal etwas gesehen…“. Aber ohne Datum, Uhrzeit, Himmelsrichtung, Ablauf, Ort können wir nicht mit den Untersuchungen beginnen. Oft können wir auf Flugverkehr oder etwas Astronomisches schliessen, aber der Fall bleibt offen, weil wir es nicht verifizieren können.
Gehen Sie auch manchmal nicht ans Telefon?
Anfang der 2000er waren asiatischen Himmelslaternen für ein, zwei Euro auf jedem Markt zu haben. Denen, die nicht mitbekommen haben, was das ist haben wir 20 mal am Tag erklärt, was das ist – beim 21. mal waren wir es echt leid. Da haben wir das Telefon stummgeschaltet und die Erklärung auf dem Anrufbeantworter eingespielt.
Glauben Sie an Aliens?
Ausserirdisches Leben auszuschliessen wäre ignorant. Aber die Entfernungen im Weltall sind so extrem, da werden sich unsere Wege so schnell nicht kreuzen. Zeitreisen und der Warp-Antrieb aus Star-Trek (Antriebsmechanismus der Raumschiffe in der Serie, Anm.) sind nette Gedankenspiele, aber das wird so schnell nicht geschehen.
Hansjürgen Köhler
...gründete 1973 gemeinsam mit seinem Jugendfreund Werner Walter (rechts) das Centrale Erforschungsnetz aussergewöhnlicher Himmelsphänomene. Beruflich war Köhler im kaufmännischen Bereich tätig. Heute leitet der Hobbyastronom das CENAP gemeinsam mit Roland Gehardt, Walter verstarb 2016.
Aliens kommen heute in einer fliegenden Untertasse auf die Erde. Was würde passieren?
Eine Massenpanik, wie sie von Science-Fiction-Filmen und diversen Ufologen verbreitet wird, ist Quatsch. Ich denke, die meisten fänden es gut, dann ist das Thema abgehakt und vielleicht bringen die Ausserirdischen uns ja sogar auf die richtige Spur. Aber ich glaube, wenn uns irgendwer von da draussen entdecken würde, würden sie schnellstmöglich weiterfliegen (lacht).
James Webb, ein Weltraumteleskop, wurde zu Weihnachten 2021 ins All geschickt. Wird das neue Erkenntnisse bringen?
Wir werden auf jeden Fall mehr durch das Teleskop erfahren, sobald es einsatzbereit ist. Vielleicht entdecken wir sogar einen Exoplaneten, der Voraussetzungen für Leben erfüllt. Ob das dann eine Mikrobe und ein pelziges Tierchen ist, ist erstmal aussen vor.
Wie tickt die deutsche Ufo-Szene?
In den Jahrzehnten, in denen ich in der Meldestelle zugange bin, habe ich alle mal kennengelernt. Manche Spezialisten wünschen sich Aliens so sehr herbei, dass sie selbst welche erfinden. Und es gibt die andere Szene, jene, die ins politisch rechte Spektrum übergeht. In den letzten Jahren haben sich da Verschwörungstheoretiker eingemischt, die sich alles Mögliche zusammenreimen. Sie behaupten, dass die Ufos Geheimwaffen von den Nazis wären – das ist natürlich Blödsinn und da zeigen wir auch klare Kante.
Welche Ufos erwarten uns in der Zukunft?
Aktuell beschäftigen uns die Drohnen sehr, das wird sich in Zukunft weiter häufen. Zusätzlich sind neue Flugzeugen sehr futuristisch designt. Der Trend, Transport und Verkehr in die Luft zu verlegen, wird uns noch sehr beschäftigen.
Text: Juli Sixel
Fotos: Bruce Warrington, CENAP