Der Problemlöser

In den Niederlanden setzen immer mehr Städte auf Smart-City-Strategien. Einige verfolgen hier einen unkonventionellen Ansatz: denn der Bürgermeister von Den Bosch, Jack Mikkers, baut auf „Teddybären-Herausforderungen“.

„Keine Stadt will eine dumme Stadt sein.“ Jack Mikkers war im Rahmen der Präsentation der nationalen Strategie für Smart Cities vergangenes Jahr durchaus gut gelaunt. Zwar wurden erst die Eckpfeiler des Programms, die von einer Gruppe von Städten, Unternehmen, lokalen Regierungen und wissenschaftlichen Instituten ausgearbeitet wurden, vorgestellt. Dennoch gelang es, eine Ko-Kreation auf die Beine zu stellen. Die fünf grössten Städte der Niederlande (Amsterdam, Rotterdam, Den Haag, Utrecht und Eindhoven) sowie 32 mittlere bis grössere Städte bekannten sich dazu, eine führende Rolle zu übernehmen. Ziel der Smart-City-Strategie ist es, die Lebensqualität in niederländischen Städten zu verbessern – insbesondere durch den Einsatz von digitalen Technologien. Der Schwerpunkt liegt auf Cybersicherheit, Datenschutz, Interoperabilität (Zusammenarbeit von verschiedenen Techniken oder Systemen, Anm.), Hyperkonnektivität, digitaler Open-Source-Infrastruktur, Standardisierung und Finanzierung.

Mikkers war damals Bürgermeister von Veldhoven, einer Gemeinde in der Provinz Nordbrabant (bis Oktober 2017, Anm.). Er wurde neben anderen vom niederländischen Ministerpräsident Mark Rutte aufgefordert, eine konsolidierte Smart City Vision für die Niederlande zu entwerfen. Gesagt, getan. Heute ist Mikkers Bürgermeister der Stadt ‘s-Hertogenbosch, umgangssprachlich Den Bosch genannt. Die rund 153.000 Einwohner zählende Stadt arbeitet ebenso daran, „smart“ zu werden. Die Voraussetzungen dafür scheinen nicht schlecht: 8.000 Unternehmen sind in der Stadt ansässig, darunter auch jene, die im Trend von Smart Cities wichtige Technologien bereitstellen könnten – wie SAP, Siemens oder Omron Manufacturing, das Produkte für die Industrieautomation entwickelt.

Doch was macht ’s-Hertogenbosch zu einer Smart City? Diese Frage stellten wir Mikkers im Rahmen des Smart City Expo World Congress 2018 in Barcelona als wir ihn dort trafen.

Herr Mikkers, wie sieht die Smart-City-Strategie von ’s-Hertogenbosch aus?
Als Stadtregierung haben wir eine Verantwortung gegenüber unseren Bürgern, aber auch gegenüber den Unternehmen und technologischen Instituten. Die Verantwortung besteht darin, die Herausforderungen in der Gesellschaft zu lösen und den Bürgern die besten Technologien und Lösungen dafür bereitzustellen. Wir brauchen Technologien, um Probleme zu lösen. Aber auch mit der Privatsphäre der Bürger müssen wir verantwortungsvoll umgehen. Zum Beispiel: Möchten wir Kameras in jeder Ecke der Strasse haben? Wie setzen wir Algorithmen (zur Auswertung von Daten, die über das menschliche Verhalten Aufschluss geben, Anm.) richtig ein? Wir als Regierung verstehen uns als Plattform, um Technologieunternehmen, technologische Institute und die Bürger sowie die Regierung selbst zusammenzubringen, um gesellschaftliche Herausforderungen zu lösen.

Existiert eine derartige Plattform bereits?
Das ist mein Ziel. Wir beginnen mit kleinen Projekten – wir starten etwa mit „Innovation Labs“. Dort können Bürger, Unternehmen, technologische Institute aber auch die Regierung gemeinsam über Probleme wie Staus oder jene mit dem Parken sprechen – um diese zu lösen. Ich nenne dies „Teddybären-Herausforderungen“. Es geht hier nicht um grosse Worte wie „Nachhaltigkeit“, „Resilienz“ oder „intelligente Mobilität“. Für manche Bürger ist das zu schwierig.

Aber wenn sie mit ihnen über das Parkproblem oder die Überlastung auf ihrer Strasse sprechen – dann sind das Teddybären-Herausforderungen. Damit kann man es abstrakter beschreiben – ohne gleich die ganz grossen Herausforderungen anzugehen. Man muss mit den kleinen Dingen beginnen.

Es muss ein „smartes“ Land geben – anstelle von 380 verschiedenen intelligenten Städten.

Was sind denn die grössten Herausforderungen in der Stadt?
Sicherheit. Wir haben rund 155.000 Menschen in 14 Stadtteilen. In drei Nachbarschaften haben wir ein Problem mit der Sicherheit. Manchmal frage ich mich, wer der „Chef“ in diesen Nachbarschaften ist – die Regierung, die Polizei oder einige Bürger? Ich möchte jedenfalls nicht, dass es einzelne Menschen sind. Denn diese haben einen kriminellen Hintergrund. Ich möchte unsere Bürger weniger anfällig für derartige Einflüsse machen.

Arbeitet Ihre Stadt mit bestimmten Unternehmen zusammen, um Smart-City-Technologien zu implementieren?
Ja. SAP, Signify (niederländischer Hersteller von Leuchtmitteln, Leuchten und Elektronik-Komponenten, Anm.) sowie Heijmans (einer der grössten Bauunternehmen der Niederlande, Anm.). Wir arbeiten zusammen und teilen Software und Hardware. Um einen Einblick in eine Wohngegend zu bekommen, benötigen wir Daten. Wir bringen also die Daten in einer Wohngegend zusammen und versuchen auf dieser Basis, die dortigen Probleme zu lösen. Mein Ziel ist auch, mit den Bürgern dieser Viertel zusammenzuarbeiten. Aber zuerst müssen wir deren Vertrauen gewinnen.

Kommen wir zur nationalen Ebene. Wie sahen damals die Eckpfeiler der nationalen Strategie für Smart Cities aus?
Die Strategie wurde von 140 Personen mit unterschiedlichsten Hintergründen entwickelt: Regierungen, Wissenschaft, Wirtschaft und so weiter. Wir haben einige Dinge getan. Erstens: Standardisierung. Es gab zum Beispiel 24 verschiedene Ampelsysteme in den Niederlanden – alle davon waren „smart“, aber es bestand kein gemeinsamer Standard. Wenn man als Regierung attraktiv für Unternehmen sein will, muss hier etwas getan werden.

Zweitens: die Niederlande sind ein Land, das (international, Anm.) ein sehr hohes Vertrauen geniesst, in dem Werte eine wichtige Rolle spielen. Wenn eine derartige Strategie also in den Niederlanden funktioniert, kann es in vielen anderen Ländern weltweit auch so sein. Was wir in den intelligenten Städten umsetzen, kann gewissermassen in andere Staaten exportiert werden. Das ist wiederum für die wirtschaftliche Lage gut. Drittens: die Niederlande sind mit 17 Millionen Einwohnern ein kleines Land. Es muss ein „smartes“ Land geben – anstelle von 380 verschiedenen intelligenten Städten.

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Niklas Hintermayer,
Redakteur

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