Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen Sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.
Den strategischen Begriff der Learning Agility hat Alma Lipa verinnerlicht – seit 18 Jahren ist sie in unterschiedlichen Positionen und Ländern für den französischen Kosmetikriesen L’Oréal tätig. Seit August 2024 ist sie Chief Digital & Marketing Officer der DACH-Region. Ein Blick auf eine bewegte Karriere im internationalen Konzern.
Als Alma Lipa vor 18 Jahren „ganz klassisch als Product Manager“ im deutschen Marketingteam beim globalen Kosmetikriesen L’Oréal anheuerte, war die Welt – auch für Marketeers – noch eine ganz andere. „Tatsächlich“, so sagt sie auf Nachfrage, ob ihr Berufsleben seit der Uni ausschliesslich bei L’Oréal stattgefunden habe, „habe ich meine ersten beruflichen Schritte bei Beiersdorf getan.“
In einer Zeit der Jobhopper:innen und -switcher:innen, so Lipa, sei sie stolz darauf, nun schon fast zwei Jahrzehnte für ein und denselben Kosmetikkonzern tätig zu sein. Profitiert haben sicher beide, L’Oréal und Lipa, gleichermassen. Und gerechterweise soll erwähnt sein, dass einem in einem global agierenden Konzern mit über 36 Produktionsstandorten in über 150 Ländern der Erde mehr internationale Karrieremöglichkeiten geboten werden als in den meisten Kleinbetrieben um die Ecke. Man muss die Chancen aber auch ergreifen.
Für sie habe es sich so angefühlt wie eine Karriere „in verschiedenen Unternehmen in einem Unternehmen“, sagt Alma Lipa. „Die Konsumgüterbranche ist ein sehr dynamisches Umfeld, das wir hier haben; und L’Oréal wächst beständig. Dazu kommt ein grosses Portfolio mit insgesamt 37 internationalen Marken – und alle sind total unterschiedlich. Das gibt viel Raum für Entwicklung. Man kann tatsächlich auf verschiedenen Spielfeldern unterwegs sein“, sagt sie. Und das waren bei ihr einige.
Nach dem Eintritt in den Konzern wechselte Alma Lipa vom Marketing ins Brand Management sowie in den Vertrieb der Konsumgüterdivision, bevor sie die Markteinführung der Marke Urban Decay übernahm. „Das war vor ungefähr zehn Jahren“, sagt sie; „eine der vielen neuen Marken, die wir in den vergangenen Jahren übernommen haben“, so Lipa weiter.
„Damals wurde mir die Verantwortung übergeben, diese neue Marke am deutschen und österreichischen Markt einzuführen. Und das alles hat sich angefühlt wie in einem Start-up“, erinnert sie sich. „Wir hatten kein Team, keine Infrastruktur – und haben wirklich ‚from scratch‘ angefangen“, sagt Lipa. So wurden – unter anderem – ein neues Businessmodell und eine neue Distributionsstrategie aufgesetzt, erinnert sie sich: „Das war unglaublich spannend – und auch komplett konträr zu dem, was ich mit anderen Marken und auch in anderen Positionen davor gemacht hatte.“
Es seien diese Konzernentscheidungen gewesen, erklärt Lipa im Rückblick auf die vielen Herausforderungen und neuen Aufgaben, über die sich sicher auch L’Oréal selbst, als Unternehmen, erneuert habe, sagt sie. Lipa: „L’Oréal transformiert sich permanent – und ist dabei in den letzten Jahren immer digitaler, agiler, ja auch mutiger geworden. Aber es war schon immer unser Anspruch, der Zeit voraus und ein Pionier zu sein. Und das hält wach, verschafft einem auch immer einen frischen Blick nach vorne.“

Im August 2024 ist die 45-Jährige mit diesem Blick nach vorne also in die Geschäftsführung für die DACH-Region gewechselt und ist seitdem Chief Digital & Marketing Officer. Als letzte Station davor war Alma Lipa der Kopf der Marke L’Oréal Paris für ganz Europa. „Das war ein sehr internationaler Job – hier sind wir über 40 Ländern in Europa beratend beim Strategieaufbau zur Seite gestanden“, sagt sie. Mit den Kolleg:innen von Irland bis Griechenland in so diversen Teams gearbeitet zu haben sei eine einmalige Erfahrung gewesen, so die heutige CDMO, die den Karriereschritt in ihren jetzigen Job selbst so beschreibt: „Ich habe immer den Wunsch geäussert, gerne einmal hinter die Kulissen auf das digitale Epizentrum blicken zu wollen.“
Und so kam der Job als CDMO auch zustande: „Ich hatte die ganze Laufbahn vom klassischen Marketing und Sales durchlaufen – und es war das passende Momentum, das digitale Ökosystem nach vorne zu treiben und mit dem Business-Know-how, das ich habe, eine gute Brücke zu den Marken zu schlagen und Themen wie Beauty-Tech für diese verständlich und greifbar zu machen.“
Und – wie ist es im neuen Job? Lipa lacht: „Gar nicht so einfach, das alles so knapp zusammenzufassen! Es gibt enorm viele Kontaktpunkte mit Konsument:innen, die so wie Pilze aus dem Boden spriessen. Ständig tut sich etwas Neues in den verschiedenen Umfeldern, und es ist als Marketeer eine zentrale Aufgabe, stark zu priorisieren, zu fokussieren und auch zu entscheiden: Wo investiere ich Ressourcen, personell wie budgetär?“ Der schnelle Wandel an immer neuen Opportunitäten sei faszinierend, sagt Lipa.
Aktuell drehe sich vieles um konkrete Use Cases im Feld der künstlichen Intelligenz, so die CDMO. In den letzten beiden Jahren habe L’Oréal diese neue Technologie sehr schnell für sich entdeckt, und heute habe man bereits eine Vielzahl konkreter Anwendungsbereiche, sagt sie. Beispielsweise werde im Bereich von Suchmaschinen heute primär KI eingesetzt, so Lipa. „Früher haben sehr viele Kolleg:innen Texte verfasst, adaptiert, immer wieder upgedatet. Das war ein enorm hoher Workload. Und heute, weil sich die Algorithmen ständig aktualisieren, wurde das zu einem ,Never-ending-Prozess‘, der einerseits diese guten, Search-optimierten Texte aufsetzt und uns andererseits hilft, in den Such-Rankings ganz oben zu stehen. Das von der Pike auf zu begleiten fand ich toll.“
Gearbeitet wurde auch zum Thema „Future-fit Organization“, erklärt Lipa die Vorbereitung der Digital-Marketing-Teams auf künftige Aufgaben und Themen. Eines davon ist die Begleitung und auch Beratung der Konsument:innen, der hohe Priorität eingeräumt worden sei, sagt sie. „Zielgruppenverständnis“ sei hier das Schlagwort, so Lipa weiter; ein Thema, das auch mit dem Aspekt der sogenannten kulturellen Relevanz einhergehe. Dazu holt sie aus: Aktuell gewinne die „lokale Relevanz“ zunehmend an Bedeutung. „Früher hatten wir Phasen, in denen wir das Gefühl hatten, alle Unternehmen werden immer globaler und auch zentralistischer geführt – und immer mehr wird top-down entschieden“, erläutert Lipa. Im Augenblick schlage dieses Pendel wieder zurück; lokale Themen treten verstärkt in den Vordergrund.
„Wir als Unternehmen beschäftigen uns gerade sehr viel mit kulturellen Gegebenheiten in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die es gilt, für die Zielgruppen zu bespielen, etwa mit dem Wiener Opernball oder bestimmten Festivals in Deutschland und der Schweiz“, so Lipa weiter.
„Wir suchen schöne, emotionale Momente, in deren Kontext die Marken gut mit den Konsument:innen connecten können; und das stets mit relevanten, wertigen Inhalten.“ Da tue sich aktuell sehr viel, sagt Lipa; wahrscheinlich auch angetrieben durch die sozialen Plattformen.
Lipa: „Aus meiner persönlichen 20-jährigen Erfahrung kann ich sagen, dass es sich dabei sicher um einen Zyklus handelt. Aber wir erinnern uns auch an Phasen, in denen grosse internationale Messages trendy waren; wo wir viele Marken auf diesen Pfaden begleitet haben und es toll war, an verschiedenen Orten auf der Welt aus dem Flugzeug zu steigen – in Hongkong, New York oder Berlin – und das überall direkt zu spüren.“
Diese Phase sei vorbei, sagt die CDMO, und das sei ein Phänomen, das sicher auch der riesigen Influencer:innen-Ökonomie geschuldet sei, sagt sie. „Mit der wachsenden Bedeutung von Influencer:innen hat sich ein komplett neues Ökosystem für Marketeers entwickelt, und da muss man sich als Marke dann auch neu formatieren“, so die CDMO weiter.

Es gelte also, ein bisschen mutiger an die Sachen heranzugehen, sagt Lipa, auch ein bisschen experimentierfreudiger. Das sei sicherlich ein Novum, aber was wäre das Leben ohne Veränderung? Früher sei vieles sehr viel planbarer und steuerbarer gewesen, sagt sie. „Das geht nicht mehr. Und das ist für mich der grösste Unterschied zu früher“, so Lipa zu den „Modern Times“.
„Und trotzdem“, so Alma Lipa weiter, „gibt es viele Bausteine, die sehr ähnlich geblieben sind, wenn ich an den klassischen Marketing-Mix denke.“ Kommunikation sei da ebenso ein Teil wie die Aktivitäten rund um die POS, die Promotion und die Distribution, sagt sie. „Das sind die gleichen Fragestellungen, die uns auch vor Jahren beschäftigt haben – natürlich immer wieder mit einer Adaption in neue Felder, wie etwa Social Commerce“, so Lipa weiter.
Ein weiterer zunehmend wichtiger Faktor sei jener der Geschwindigkeit, sagt die CDMO. Es gehe darum, Trends zu erkennen, Trends zu verstehen und diese dann auch zu aktivieren, sagt sie. „Und das ist jetzt eine Sache von Stunden. Es ist tatsächlich ein Phänomen, wie schnell das geht und wie schnell man auch reagieren muss“ – ganz nach dem Motto: Wer zu spät kommt, den beissen die Hunde. Gleichzeitig sei Nachhaltigkeit in der Verbindung zu den Konsument:innen, aber auch in Umweltfragen eine strategische Säule.
Last, but not least stehe das Thema Beauty-Tech ganz oben auf der Agenda des Kosmetikmarktführers. „Wir haben uns schon vor ein paar Jahren ganz klar als Beauty-Tech-Player positioniert und bringen permanent neue Innovationen auf den Markt“, sagt Lipa. Hier gehe es etwa um Bereiche wie die sogenannten „Virtual Try-ons“, so die CDMO weiter; Onlineservices, um den L’Oréal-Konsument:innen beratend zur Seite zu stehen. „Ein für mich absoluter Eye-Opener war, dass laut Studien 70 % der Konsument:innen mit der Kosmetik-Produktauswahl überfordert sind. Die sehen dieses Meer an Lippenstiften, Haarkolorationen und Pflegen“, erklärt Lipa, „und dank unserer Technologie finden wir das richtige Produkt und können unseren Kund:innen so mit einer schönen Beratungsleistung zur Seite stehen.“
Langweilig wird’s sicher nicht, ist die CDMO überzeugt: „Wir haben intern den Begriff der Learning Agility, ein wichtiges Attribut – die Freude am Lernen und daran, stets Neues ausprobieren zu wollen; und all das mit einem Twist an Modernität und Offenheit für die jüngeren Generationen. Das ist das, was mich antreibt!“
Alma Lipa (45) begann ihre Karriere bei L’Oréal vor 18 Jahren im deutschen Marketingteam. Danach folgten Stationen im Brand Management sowie im Vertrieb der Konsumgüterdivision. Später führte sie die Marke Urban Decay in der Luxusdivision in Deutschland ein. Kurz darauf wurde sie zur GM der Luxusmarken Biotherm, Helena Rubinstein und Kiehl’s befördert; später wurde ihr die Leitung der Marke L’Oréal Paris für Deutschland und Österreich übertragen. 2022 wurde sie zum Brand Manager L’Oréal Paris Europe ernannt; seit 2024 ist Lipa Chief Digital & Marketing Officer für die DACH-Region.
Fotos: Robert Eikelpoth