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Als eine der bisher wenigen deutschen Vertreterinnen in der New-Space-Bewegung setzt sich Co-CEO Kristina Nikolaus mit ihrem Start-up Okapi Orbits das Ziel, Raumfahrt sicher und nachhaltig zu gestalten. Angesichts der zunehmenden Gefahr durch Weltraumschrott im Orbit will sie mithelfen, das All auch für kommende Generationen nutzbar zu machen.“
Kristina Nikolaus kam zu Okapi Orbits wie die Jungfrau zum Kind: Ursprünglich in der Automobilbranche tätig, stach ihr ein Aushang am Informationsbrett ihrer Universität ins Auge. Dort wurde jemand für Finanzen und Sales für die Gründung eines Raumfahrt-Start-ups gesucht. „Ich hatte bis dahin eigentlich nichts mit Raumfahrt zu tun“, so Nikolaus, „ausser dass ich als Kind ‚Star Trek‘ geschaut habe.“ Weil sie von Natur aus jedoch gerne Neues ausprobiert und die Entwicklungen in der New-Space-Bewegung spannend fand, versuchte Nikolaus ihr Glück – mit Erfolg: 2018 gründete sie zusammen mit Jonas Radtke, Christopher Kebschull und Sven Müller das Start-up Okapi Orbits, das mit künstlicher Intelligenz (KI) gesteuerte Satelliten einsetzt, um schwerwiegende Kollisionen im All zu vermeiden und Weltraumschrott zu minimieren. „Um den Schrott im All muss man sich jetzt kümmern, damit die Raumfahrt in Zukunft noch möglich ist. Das ist ähnlich wie bei der Klimakrise – lange Zeit bemerkt man davon nichts, bis es sich zuspitzt oder gar zu einem grossen Knall kommt.“
Mittlerweile ist New Space in aller Munde – vor allem Elon Musk steht mit seinem Raumfahrtunternehmen Space X immer wieder in der Öffentlichkeit. Die Anwendungsfelder in der Raumfahrtbewegung sind vielfältig: Vom Münchner Start-up Ororatech, das mit seinen Satelliten Waldbrände frühzeitig entdecken kann, über das amerikanische Relativity Space, das mit dem weltweit grössten Metall-3D-Drucker Raketen und Satelliten druckt, bis hin zum österreichischen Unternehmen Tumbleweed, das mittels eigener Konstruktion eine Lösung für das bis dato schwierige Datensammeln auf dem Mars anbietet: Sie alle naschen am grossen New-Space-Kuchen mit. Das Marktvolumen wird für 2030 weltweit auf 661 Milliarden US-$ geschätzt – 2016 waren es erst 265 Milliarden US-$.
Der Markt wächst also rasant – und mit ihm auch das Problem von Weltraummüll. Denn mittlerweile befinden sich über 130 Millionen Objekte im Weltraum – 2.000 davon sind aktive Satelliten, der Rest ist Weltraumschrott. Weil durch jede Kollision neue Trümmerteile entstehen, die wiederum zusammenstossen können, wird die Wahrscheinlichkeit neuer Kollisionen pro Aufschlag erhöht (dieses Phänomen ist bekannt als Kessler-Syndrom). Ohne aktives Eingreifen wären Missionen im Weltraum ab einem bestimmten Zeitpunkt somit undenkbar.
Und genau hier setzt Okapi Orbits an. Konkret bietet das Start-up eine KI-gestützte Software mit verschiedenen Modulen wie Risikomonitoring und Ausweichmanagement an, die viele Datenquellen auf einer Plattform bündelt und den Satellitenbetreibern Infos zu möglichen Kollisionsrisiken mitsamt Ausweichmanövern liefert – und das alles automatisiert. Somit soll der Weltraum nachhaltig gesichert und eine kollisionsfreie Infrastruktur ermöglicht werden. „Unsere Technologie gibt es so noch nicht“, sagt Nikolaus. „Damit haben wir schon einmal einen Stein im Brett. Aber Nachhaltigkeit steht bei vielen Satellitenbetreibern noch nicht an erster Stelle, dafür muss man noch das Bewusstsein schaffen.“ Ein Aspekt, der dafür sicher nützlich ist: Mit der Software von Okapi Orbits können laut Unternehmensangaben Kosten von bis zu 70 % eingespart werden.
Kristina Nikolaus
...absolvierte einen Master in Business Informatics and Technology Management an der Universität Braunschweig. 2018 gründete sie Okapi Orbits mit, mittlerweile ist sie dort Co-CEO.
Das zwölfköpfige Team erwirtschaftet bereits einen Umsatz von mehr als einer halben Million € – von den Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie habe das Unternehmen wirtschaftlich bisher wenig gespürt. Einnahmen generiert das Start-up über ein Abonnentenmodell, die Jahresgebühr startet bei einem mittleren fünfstelligen Bereich, wie Nikolaus erzählt. Und das Angebot überzeugt: Über 100 User nutzen die Software, darunter die European Space Agency (ESA). Auch einige Business Angels konnten Nikolaus und ihr Team davon überzeugen, ein Investment im mittleren sechsstelligen Bereich zu tätigen.
Nikolaus stammt ursprünglich aus Idar-Oberstein, einer Kleinstadt an der luxemburgischen Grenze. Für ihr duales Studium ging sie zunächst zu Daimler nach Ulm, war währenddessen beruflich in Malaysia und Russland und setzte dann ein Masterstudium in Business Informatics and Technology Management an der Universität Braunschweig obendrauf. Nikolaus arbeitete nebenher bei Siemens im Qualitätsmanagement, bis sie das Angebot ihrer Mitgründer entdeckte.
„Ich hatte einen guten Job, der mir gefallen hat. Die Idee einer eigenen Gründung habe ich aber schon ein paar Jahre mit mir herumgetragen – es war also nur eine Frage der Zeit“, erzählt sie über ihren Wechsel. Sie setzte sich über Monate hinweg in diverse Vorlesungen über Raumfahrt und las viel über die Branche. „Als Fachfremde muss man beweisen, was man draufhat, und abliefern. Ich bin immer noch die BWLerin im Team – aber manchmal merken die Leute gar nicht mehr, dass ich keinen Raumfahrthintergrund habe, das freut mich dann sehr.“ Derzeit steuert Nikolaus mit Okapi Orbits die Erweiterung des Portfolios an – geplant ist eine komplette Überwachungssoftware für den Weltraum. Mittels Daten von Bodenstationen sowie Monitoringanlagen auf Satelliten sollen alle Objekte im Orbit erfasst und in einer Art Katalog zusammengetragen werden – im Prinzip baut Okapi Orbits damit eine Landkarte für den Weltraum. Des Weiteren ist eine neue Finanzierungsrunde für den Spätsommer 2021 geplant. Wie es bei all den Aufgaben bei Nikolaus selbst aussieht? „Ich fühle mich im Moment sehr wohl in der Space-Industrie – kann mir aber durchaus vorstellen, dass es mich irgendwann auch noch woanders hintreibt.“
Text: Andrea Gläsemann
Foto: Julian Glaab
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 11/12–20 zum Thema „Security“.