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An der Wall Street sind risikofreie Investitionen der heilige Gral, daher ist kein Preis zu hoch für ein NFL-Team. Jetzt steigt eine neue Welle von Private-Equity-Eigentümern wie Josh Harris von den Washington Commanders mit grossem Geld in das Spiel ein – und hat nichts zu verlieren.
Während 63.000 eingefleischte Fans zum Saisoneröffnungsspiel der Tampa Bay Buccaneers gegen die Washington Commanders ins Raymond James Stadium in Tampa, Florida, strömen, spürt Milliardär Josh Harris, Washingtons neuer Eigentümer, die Hitze. An diesem Septembernachmittag hat es 32 Grad, und der Schweiss dringt durch sein kastanienbraunes Poloshirt. Er geht am Spielfeldrand auf und ab, schüttelt Hände, posiert für Fotos und signiert Hüte der Commanders-Fans, die für eine erfolgreiche Saison beten (die letzte hatte das Team 2016).
Zu Beginn der Harris-Ära steht viel auf dem Spiel. Die sechs Mrd. US-$, die er letztes Jahr für die Commanders bezahlte (womit er die Gebote von Jeff Bezos und Tilman Fertitta übertraf), stellten einen neuen Rekord für den Verkauf eines NFL-Teams auf. Für den Abschluss des Deals stellte Harris eine 23-köpfige Eigentümergruppe zusammen, zu der David Blitzer, Top-Manager bei Blackstone und Harris’ Partner bei Harris Blitzer Sports & Entertainment, sowie NBA-Legende Magic Johnson und die Milliardäre Mitch Rales (Danaher Corp.) und Eric Schmidt, der ehemalige Google-CEO, gehören.
Für einen Burschen, der in Chevy Chase, Maryland, aufwuchs und dessen Eltern 25 Jahre lang auf der Warteliste für Dauerkarten für Spiele der damaligen Washington Redskins standen, ist dies ein wahr gewordener Traum. Das NFL-Team passt auch gut in das Sportportfolio des Private-Equity-Titans, zu dem die Philadelphia 76ers (NBA), die New Jersey Devils aus der NHL, der englische Fussballklub Crystal Palace und das Nascar-Team Joe Gibbs Racing gehören.
Bald werden Harris weitere seiner Buyout-Fonds-Brüder in den exklusiven Klub der NFL-Besitzer folgen. Letzten Monat öffnete die NFL nämlich als letzte grosse Profi-Liga ihre Türen für Private-Equity-Firmen. Das ist ein Wendepunkt für eine Liga, deren Teamwerte in den Multimilliarden-Dollar-Bereich geschossen sind, was den Kreis potenzieller Käufer stark einschränkt.
Sogar Harris, dessen Vermögen auf 9,3 Mrd. US-$ geschätzt wird, befürchtete, dass der Besitz eines Footballteams für ihn bald nicht mehr realistisch sein könnte. Als der Hedgefonds-Schwergewichtler David Tepper 2018 die Carolina Panthers für 2,3 Mrd. US-$ kaufte, war das der höchste Preis, der jemals für ein NFL-Franchise bezahlt wurde. Bis 2022, als Pat Bowlens Erben die Denver Broncos auf den Markt brachten, stand kein anderes Team zum Verkauf. Damals rief Harris eine Gruppe für ein Angebot zusammen, allerdings sollte eine andere rund um die Familie Walton den Zuschlag bekommen – für unglaubliche 4,7 Mrd. US-$.
„So wie sich die NFL entwickelt hat, können Sie die Forbes 400 vergessen. Sie müssen dafür in den Forbes 50 sein.“
Josh Harris
Die Wall Street zur NFL-Party einzuladen ist jedenfalls ein Wendepunkt. Die acht Private-Equity-Fonds, die von der NFL zur Investition zugelassen wurden, darunter Blackstone, Carlyle, Arctos und Ares Management, verfügen derzeit über ein Kapital von über 160 Mrd. US-$. Das ist eine Menge Feuerkraft, die nach Forbes-Berechnungen dafür sorgte, dass ihr Wert in den vergangenen drei Jahren bereits um über 60 % gestiegen ist und künftig auch weiter steigen wird. Tatsächlich war Arctos kaum zwei Wochen nach der Änderung der NFL-Eigentümerregeln mit Stephen Ross, dem Eigentümer der Miami Dolphins, über den Anteilskauf an seinem Team, das auf über sieben Mrd. US-$ bewertet wurde, im Gespräch.
Für Private-Equity-Firmen wie Arctos ist das einfach. NFL-Teams sind unterfinanziert, scheffeln jedoch mit Medienrechte-Deals so viel Geld, dass sie immer Gewinn erzielen, egal ob sie gewinnen oder verlieren. Seit 2000 haben NFL-Teams nahezu alle anderen Vermögenswerte deutlich übertroffen, darunter Aktien, Immobilien, Anleihen – und ja, Private-Equity-Fonds. Wenn man das Risiko berücksichtigt, sehen die Zahlen noch besser aus.
„In der Wirtschaft wird man nach Ebitda, Aktienkurs und Cashflow bewertet. Im Sport wird man nach positiven Erinnerungen bewertet, die man kreiert.“
Josh Harris
Joshua Harris, der älteste Sohn eines Kieferorthopäden, ist sein Leben lang schon ein grosser Sportfan. Er wuchs in Maryland auf und fand mit neun Jahren seine erste wahre Liebe, das Ringen, nach einem Turniersieg im Sommercamp. Er nahm während der gesamten Highschool-Zeit an Wettkämpfen teil, und nachdem er in seinem ersten Uni-Jahr (Penn State) in Wirtschaftswissenschaften brillierte, wechselte er an die Wharton School und fand (wie viele der Absolventen des Colleges aus der Reagan-Ära) seinen Weg an die Wall Street. Harris landete bei Drexel Burnham Lambert. Er arbeitete zwei Jahre lang im New Yorker Büro der Firma unter der Anleitung von Michael Milkens rechter Hand, Leon Black, im Bereich Unternehmensfusionen. Während Harris’ kurzer Zeit bei Drexel machte die Firma Schlagzeilen wegen ihrer Verwicklung in den Insiderhandelsskandal um Ivan Boesky, und Milkens Geschäfte gerieten ins Visier der SEC und der US-Staatsanwaltschaft. Harris verliess die Firma 1988, um in Harvard einen MBA zu machen, und nahm 1990 eine Stelle bei Blackstone an. Nur zwei Monate später kündigte er, um mit Leon Black und Marc Rowan, die beide vor dem Zusammenbruch bei Drexel abgesprungen waren, Apollo Advisors zu gründen.
Das Trio verbrachte die nächsten 30 Jahre damit, Apollo zu einer der weltweit grössten Private-Equity-Firmen aufzubauen, die heute Vermögenswerte im Wert von 700 Mrd. US-$ verwaltet. Harris war als anspruchsvoll und detailversessen bekannt. Sein bemerkenswertester Deal war die Übernahme des niederländischen Chemiekonzerns Lyondell Basell im Jahr 2008. Nachdem Harris und seine Partner das Unternehmen durch eine langwierige Insolvenz und einen Börsengang im Jahr 2010 geführt hatten, erzielten sie im Jahr 2013 einen Nettogewinn von zehn Mrd. US-$. Leon Blacks Ruf wurde aber durch seine enge Verbindung zum in Ungnade gefallenen Finanzier Jeffrey Epstein beeinträchtigt, dem er 158 Mio. US-$ für Steuer- und Nachlassplanungsdienste zahlte. Als Black 2021 unter Druck zurücktrat, wählte der Vorstand von Apollo Rowan und nicht Harris zu seinem Nachfolger als CEO. Harris trat später im selben Jahr zurück, blieb dem Private-Equity-Geschäft jedoch nicht lang fern: Er gründete 2022 26 North und hat das Unternehmen bis heute auf ein Vermögen von 23 Mrd. US-$ aufgebaut.
Der Aufstieg einer Anlageklasse liegt im Nachhinein betrachtet oft nahe, aber als Harris sich erstmals für Sporteigentum zu interessieren begann, nachdem der Börsengang von Apollo im Jahr 2011 dem Milliardär neue Liquidität beschert hatte, war es alles andere als sicher, dass die Franchise-Werte weiter steigen würden. Die NBA hatte ein besonders schwieriges Jahr, da sie mit einem Streit mit ihrer Spielergewerkschaft über die Umsatzbeteiligung zu kämpfen hatte.
„Das war nach Michael Jordan, und die Leute sagten, dass die besten Jahre der Liga vielleicht hinter uns lägen. Wir dachten das natürlich nicht, aber das sagten viele Leute auf dem Markt“, sagt NBA-Commissioner Adam Silver, damals stellvertretender Commissioner der Liga unter David Stern. „Josh hatte eine langfristige Perspektive und ging sehr analytisch an die Sache heran. Er prüfte die Liga so gründlich wie kein anderer Besitzer in meiner Zeit in der Liga bis dahin, und ich kam schon 1992 hierher.“
Die Philadelphia 76ers gewannen ihre letzte Meisterschaft 1983, im Frühjahr von Harris’ erstem Jahr an der Penn. Er erinnert sich, wie er staunte, wie das Team die Stadt vereinte und begeisterte. Doch seitdem steckte das Franchise in einem Teufelskreis der Bedeutungslosigkeit fest. Es verlor 25 Mio. US-$ pro Jahr und die Zuschauerzahlen gingen zurück. Harris hatte das Gefühl, dass der Besitzer des Teams, der Kabelfernsehriese Comcast, sich mehr für die Flyers, das Eishockeyteam der Stadt, als für Basketball begeisterte, und war offen für einen Deal.
Harris und Blitzer, der Blackstone-Banker, mit dem Harris sich während seiner Arbeit in London zur Zeit der Finanzkrise angefreundet hatte, liessen sich von ihren normalen Jobs inspirieren und orchestrierten eine Unternehmensausgliederung im Wert von 280 Mio. US-$, um das Team zusammen mit einer Investorengruppe zu erwerben, die sich hauptsächlich aus ehemaligen Penn-Studenten und gebürtigen Bürgern Philadelphias zusammensetzte, die sich an die Glanzzeit der Sixers in den 1980er-Jahren erinnerten. „Ich erinnere mich, wie David Stern sagte: ‚Sie wissen gar nicht, was für ein gutes Geschäft Sie machen‘ – und darauf bestand, dass wir mehr Umsatzbeteiligung zahlen“, sagt Harris. „Die Sixers sind ein Top-Quartil-Franchise in der NBA. Philly interessiert sich für Sport. Sie sind hart und anspruchsvoll“, sagt Harris. „Und Washington ist ein Top-Quartil-Franchise in der NFL. Wenn man einfach das Richtige tut, weiss man, dass man mit diesen Franchises Geld verdienen wird.“
Deshalb habe ihn der Eintrittspreis in die NFL nicht abgeschreckt, sagt Harris. Die Liga verdient jährlich rund zehn Mrd. US-$ mit ihren Medienrechteverträgen; eine Zahl, die Harris zufolge bei der Neuverhandlung der Verträge nach der Saison 2028/29 deutlich steigen wird. Laut Nielsen waren 93 der 100 meistgesehenen Fernsehsendungen des Jahres 2023 NFL-Spiele – und drei der anderen sieben College-Football-Spiele. Durchschnittlich 17,9 Millionen Menschen sahen im vergangenen Jahr Spiele der regulären Saison, während des Super Bowl LVIII schalteten rekordverdächtige 120 Millionen Zuschauer ein. Zum Vergleich: Die landesweit im Fernsehen übertragenen NBA-Spiele erreichten im Durchschnitt 1,6 Millionen Zuschauer. Die NBA unterzeichnete im Juli einen elfjährigen Fernsehvertrag über 76 Mrd. US-$, der die Liga bis 2036 begleiten wird. „Der NBA-Medienvertrag pro Zuschauerstunde ist mittlerweile ein Vielfaches des NFL-Deals“, sagt Harris. „Es fühlt sich an, als ob der Druck auf den NFL-Medienvertrag steigt.“
„Der NBA-Medienvertrag pro Zuschauerstunde ist mittlerweile ein Vielfaches des NFL-Deals. Es fühlt sich an, als ob der Druck auf den NFL-Medienvertrag steigt.“
Josh Harris
Es ist nicht so, dass die NFL-Besitzer jeden Cent umdrehen müssten, bis die Medienrechte erneuert werden. Die NFL bündelt ihre Fernseheinnahmen sowie die Einnahmen aus ligaweiten Sponsorings und Merchandising. Dieses Geld wird gleichmässig auf die 32 Teams verteilt. Jedes Team trägt ausserdem 34 % seiner Ticketverkäufe zum allgemeinen Pool bei. Das hilft kleineren Franchises, wettbewerbsfähig zu bleiben. Letztes Jahr erhielt jedes NFL-Team 400 Mio. US-$ von der Liga, was etwa zwei Drittel des Jahresumsatzes eines typischen Teams ausmacht. Es ist eine Art Unternehmenssozialismus, der jedem Team garantiert, dass es haufenweise Geld verdient. Laut Forbes-Schätzungen hat jedes NFL-Team im vergangenen Jahr mindestens 50 Mio. US-$ Betriebseinnahmen erzielt, die meisten überstiegen 100 Mio. US-$. Ob man den Super Bowl gewinnt oder auf dem letzten Platz liegt, spielt kaum eine Rolle. Die Carolina Panthers haben eine miserable Bilanz auf dem Feld, seit Tepper sie 2018 gekauft hat – aber der Wert des Teams hat sich trotzdem verdoppelt, mit einem geschätzten Betriebseinkommen von 109 Mio. US-$ 2023. Harris’ Commanders waren 2023 die Schlechtesten ihrer Division, hatten aber Betriebsmargen von 26 % und machten rund 160 Mio. US-$ bei einem Umsatz von 609 Mio. US-$.
„Wenn es eine Rezession gibt, werden das Chemieunternehmen, das Stahlunternehmen, die Sachen, die ich früher gemacht habe, davon betroffen sein“, sagt Harris. „In der NFL sind 70 % der Einnahmen vertraglich festgelegt, und dann gibt es noch die 30 %, die vielleicht ein wenig unter Druck geraten, aber das ist sehr unabhängig.“
In der National Hockey League sind Gewinne keine so sichere Sache, aber das hat den Anstieg der Bewertungen nicht aufgehalten. Harris’ New Jersey Devils sind 1,45 Mrd. US-$ wert, 4,5-mal mehr als sein Kaufpreis von 320 Mio. US-$ im Jahr 2013. Für NBA-Besitzer sieht es sogar noch besser aus: Forbes schätzt den Wert der 76ers jetzt auf 4,3 Mrd. US-$, das 15-Fache dessen, was Harris’ Gruppe für sie bezahlt hat. Harris lehnt sich nicht einfach zurück und sieht zu, wie sein Geld mehr wird – er hat bereits mehr als 75 Mio. US-$ in die Verbesserung von Konzessionen, Parkplätzen und Luxussuiten im North West Stadium in Washington investiert. Langfristig möchte Harris ein neues Stadion bauen, um das 27 Jahre alte Gebäude zu ersetzen. Er kümmert sich aber auch um „Interna“: Er ist dem Sonderausschuss der NFL beigetreten, der für die Überwachung zukünftiger Richtlinien für Private-Equity-Teambesitzer zuständig ist. Die neuen Regeln verbieten Private-Equity-Firmen, mehr als 10 % zu besitzen, aber das wird sich mit ziemlicher Sicherheit ändern: Mehr als die Hälfte der Eigentümer von NFL-Teams sind über 70 Jahre alt – es steht eine grosse generationenübergreifende Vermögensübertragung bevor.
Einer von ihnen ist der Milliardär Robert Kraft, der 83-jährige Eigentümer der New England Patriots, die er 1994 für 172 Mio. US-$ (heutiger Gegenwert: 365 Mio. US-$) kaufte. „In der heutigen Welt sind Sportteams und Musik die einzigen Dinge, die Menschen zusammenbringen. Wir haben ein sehr leistungsstarkes Produkt“, sagt Kraft, dem bereits mehr als sieben Mrd. US-$ für sein Franchise geboten wurden. „Ich hätte nie gedacht, dass ich etwas verkaufen würde, aber ich denke darüber nach.“ Wenn Kraft verkauft (oder andere Eigentümer der Liga), wird dies mit Sicherheit nicht an einzelne Milliardäre geschehen – die Preise sind einfach zu hoch. Wall-Street-Firmen bieten hier letztlich eine demokratische Möglichkeit, da viele der zugelassenen Private-Equity-Käufer der Liga (Blackstone, Ares und Carlyle) börsennotiert sind. Und das sind letztlich gute Neuigkeiten – nicht nur für Wall-Street-Bosse wie Josh Harris, sondern für investitionsfreudige Sportfans überall.
Text: Maneet Ahuja und Hank Tucker
Fotos: Cody Pickens für Forbes