DAS HÄRTESTE SPIEL

NBA-Superstar Kevin Durant kam mit drei Zielen nach New York: die Rückkehr zur Dominanz, eine entscheidende Meisterschaft und ein dauerhaftes Geschäftsimperium. Diese Ziele sind alle miteinander verbunden.

Kevin Durant lehnt sich auf seinem blauen Samtsofa zurück. Perfekt platziert in seinem hellen Apartment in Manhattan, ermöglicht es ihm den Blick auf das, was ihm wichtig ist: die New ­Yorker Skyline – und seine Trophäen. Unzählige MVP-Pokale, All-Star-Trophäen und andere Auszeichnungen der Superlative säumen die Wände seines Büros. Doch ­Durant blickt nicht in die Vergangenheit zurück. Sein ­Fokus liegt in der Gegenwart.

Seinem Trophäenmuseum gegenüber stehen eine Pilatesmaschine und ein Sensopro, ein käfigähnlicher Kraft- und Balancetrainer. Beides soll dem Basketballer dabei helfen, ein Comeback zu erleben, das seine Karriere rettet, nachdem seine Achillessehne während des NBA-Finales im Juni 2018 vor 18 Millionen Fernsehzuschauern riss. Die Saison war vorbei – die aktuelle ist es für Durant auch. „Mein Körper und seine Besserung sind das Wichtigste, schliesslich muss ich mich wieder auf den Platz bringen“, sagt er, gerade von einem Work-out zurück. „Wie gut du auf dem Platz bist, bestimmt, wie stark dein Business wächst.“

Dieses Business beginnt für Durant mit dem 164-Millionen-US-$-Vertrag bei den Brooklyn Nets, den er vergangenen Sommer ­unterzeichnete, und dem 275-Millionen-US-$-Vertrag von Nike, der auf Basis seiner erwarteten zukünftigen Erfolge besteht. Alleine mit diesen beiden Verträgen wird Durant diese Saison mehr als 70 Millionen US-$ verdienen, ohne auch nur einen Fuss auf einen Basketballplatz zu setzen. Durants eigentliches Ziel ist aber, dieses Einkommen in Anlagen eines Umfangs umzuwandeln, auf den sich bis jetzt nur wenige Profisportler, die nicht Jordan oder James heissen, getraut haben. Brooklyn ist Durants vierter Karrierestopp. Seine Anfänge liegen 4.600 Kilometer entfernt von New York City auf der anderen ­Seite der USA: in Seattle. Dort wurde er von den ­Seattle Supersonics gedraftet, die jedoch als Folge ­eines Vergleichs zwischen der Stadt Seattle und dem ­Eigentümer der Supersonics bald nach ­Oklahoma zogen, wo Durant als ­Spieler für ­Oklahoma City Thunder berühmt wurde. Danach ging es für Durant ­weiter in die Bay Area, Kalifornien: Mit den ­Golden State ­Warriors wurde er Champion – und schliesslich ­Unternehmer.

Kevin Durant
... ist ein US-amerikanischer Basketball­profi, der seit Sommer 2019 für die Brooklyn Nets spielt, nachdem er seine ersten beiden Meistertitel mit den Golden State Warriors geholt hatte. Er ist zudem Werbegesicht für Nike sowie Investor.

Bei den Brooklyn Nets will Durant all ­diese Aspekte neu definieren. Kann der Superstar nach einer verheerenden Verletzung zurückkommen und die Liga erneut dominieren? Kann er mit einem auf ihn ausgerichteten Team eine Meisterschaft gewinnen? Und kann er seine Lektionen aus dem Silicon Valley in die Welthauptstadt des Vermögens, der Medien und der Mode bringen? „Wenn man in New York herumspaziert, dann sieht man, wie viel Grösse, harte Arbeit und Determiniertheit es hier gibt“, so Durant.

Sein weiterer Geschäftszweig: Thirty Five Ventures, das er gemeinsam mit seinem Manager Rich Kleiman, der unter anderem die Sportsparte von Jay-Zs Agentur Roc Nation mit aufgebaut hat, gegründet hat. Thirty Five Ventures hat 15 Vollzeitangestellte, die sich um Durants Werbever­träge, seine Foundation und die Expansion seiner Ansammlung an Start-ups kümmern. In den letzten Jahren hat Durant mehr als 15 Millionen US-$ in rund 40 Start-ups gesteckt, 70 % dieser Unternehmen haben nach seiner Unterstützung ­bessere Bewertungen erzielt. Nach Durants Angaben sind dadurch die Aktienwerte um insgesamt 400 % gestiegen. Neben Investitionen in Unternehmen liegt ein besonderer Fokus auf der ­Produktionssparte von Thirty Five Ventures, die Basketball-Dokumentationen und Serien für Medienoutlets wie Youtube, Apple und das Sportmedienkonglomerat ESPN kreieren. „LeBron James hat gezeigt, dass man ein Business aufbauen kann, während man spielt“, sagt Kleiman. „Kevin baut ein echtes, authentisches Unternehmen auf.“ Das Ziel des Forbes-30-Under-30-Alumnus, der erst kürzlich 31 Jahre alt wurde, ist nicht weniger als ein zehnstelliges Nettovermögen. Zu der Zeit, zu der seine Spielerkarriere vorbei ist, wird er mehr als 500 Millionen US-$ verdient ­haben – und das nur durch sein Gehalt und die Zusammen­arbeit mit Marken. „Ich möchte das Geld, das ich von Sponsoren bekomme, verwenden, um wahres Vermögen zu schaffen“, sagt der Basketballprofi.

Durant wuchs in Prince George’s County in Maryland, ausserhalb von Washington, D. C., auf. In seinem Viertel herrschten schlechte Verhält­nisse, doch lange dauerte es bei Durant nicht, bis er einschüchternd aussah: In der ­Unterstufe war er bereits über 1,80 Meter gross, mit 17 Jahren war er der MVP (Most Valuable Player) des McDonald’s High School All-American Game. Mit 18 war Durant Collegespieler des Jahres an der ­University of Texas, mit 19 war er NBA-Anfänger des ­Jahres. So ging es weiter, bis hin zu Liga-MVP-Berühmtheit und einigen Versuchen, den ­Titel mit Oklahoma City Thunder zu gewinnen. 2016 dann die Entscheidung, zu dem Team zu wechseln, das er nicht schlagen konnte: ein 54-Millionen-US-$-Vertrag mit den Golden State ­Warriors. Dieser Schritt sollte seine ­Marke und sein Geschäft für immer massgeblich verändern.

Wie gut du auf dem Platz bist, bestimmt, wie stark dein Business wächst.

Durant interessierte sich erstmals für das Spiel um Geld, als er 2014 konkurrierende Sponsorenangebote von Nike und Under Armour ­abwägen musste: „Dadurch habe ich einiges über die geschäftliche Seite des Profisports gelernt. So habe ich einen ganz anderen Blickwinkel auf meinen Beruf bekommen.“ Selbst in Geschäfte einzusteigen gestaltete sich in Oklahoma City jedoch ­alles andere als leicht. „Es gibt Öl und ­Immobilien“, so Durant, „aber das waren geradezu eingeschweisste Vereine – es war schwierig, da reinzukommen.“

Das änderte sich jedoch, als Durant zu den Warriors wechselte: Plötzlich ­hatte er in der Bay Area VIP-Zugang zu den ­heissesten Start-ups der Welt. „Alle Gründer und ­Investoren kommen (zu den Warriors-Spielen, Anm.), so kann man leicht mit ihnen in Kontakt treten“, sagt Durant. „Diese Menschen, die ganz normal ­ausschauen, verändern die Welt im Minutentakt und ­haben so viel Macht.“ Schnell entwickelten sich Freundschaften zwischen Durant und Unternehmern wie Laurene Powell Jobs, Marc Andreessen und Ben Horowitz, Brian Chesky und Joe ­Gebbia von Airbnb sowie Führungskräften von Google und Apple. In der statusbesessenen Start-up-­Szene des Silicon Valley galt Durants Geld als sexy und Anziehungspunkt für Presse und Kunden. Bald ­folgten Investments in Coinbase, Robinhood, ­Caffeine TV, Imperfect Foods, Lime Scooters und mehr. „Er hat gelernt, was es bedeutet, ein Unternehmen aufzubauen und in andere Unternehmen zu investieren“, sagt Eddy Cue, Leiter von Apples Internet- und Servicesparte.

Wird es in New York, Amerikas zweiter Wirtschaftshauptstadt, die abwechslungsreicher und weniger promifixiert ist, nun auch so funktionieren wie in der Bay Area bei den Warriors? Wie auch in San Francisco nimmt Durant das ­lokale Ethos an – einschliesslich seines Lofts in Man­hattan, von dem er zu Fuss zu den künftigen, über 400 Quadratmeter grossen Zentralen von ­Thirty Five Ventures im Manhattaner Stadtteil Chelsea gehen kann.

 

Jordan vs. James vs. Durant
(Quelle: Forbes US)

Wenn die Bay Area dafür steht, dass Durant erste Deals abgeschlossen hat, dann steht New York nun für eigene Produkte. Durant stellt sich vor allem medial auf: Auf Apples Streamingplattform wird bald „Swagger“ erscheinen, eine auf ­Durants Jugend basierende ­Serie, ­unterstützt von Hollywood-Titan Brian Grazer. Ausserdem gibt es einige Lower-Budget-Serien und ­Kurzfilme, die auf Durants Youtube-­Channel ­hochgeladen werden – dieser hat mittlerweile ­beinahe 800.000 Abonnenten. Durants Franchise, The ­Boardroom, deckt das Geschäft rund um die Elite-Athleten mithilfe einer Website, eines Newsletters und einer ESPN-Show ab. „Die junge Generation sucht nach Zugang und Authentizität“, meint ESPN-Präsident James Pitaro. All diese Initiativen weisen eine unglaublich mächtige Marketingstrategie auf.

Das Geheimnis verbirgt sich in den Sportgeräten in Durants Wohnung: Kein Spieler von Durants Kaliber schaffte es bisher, nach einer gerissenen Achilessehne gleich stark zurückzukehren. Und kein Spieler schaffte es in den letzten fast 50 Jahren, einen NBA-Titel nach New York zu holen. In die Stadt, die verrückt nach Basketball ist.

„Ich habe unten angefangen“, sagt ­Durant und lehnt sich nach vorne, um den Boden seiner Wohnung mit seiner Hand zu berühren. „Ich weiss, dass es in meiner Familie einmal einige Kinder geben wird, und ich möchte, dass sie über dem Dach dieser Wohnung starten. Der einzige Weg, um für die Familie dorthin zu kommen, ist, Geld zu verdienen, und ich möchte es auf eine andere, coolere Art und Weise tun – nicht nur gierig sein und so viel wie möglich anhäufen.“

Text: Steven Bertoni / Forbes US
Foto: Jamel Toppin / Forbes US

Der Artikel ist in unserer Jänner-Ausgabe 2020 „Radical Change“ erschienen.

Forbes Editors

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