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Innovation und Forschung sind die Treiber der Wirtschaft. Manche Unternehmen steigen dabei mehr aufs Gas als andere – und beflügeln damit auch oft ihre Aktienkurse.
Im Rennen um die globale Technologievorherrschaft hat China über die letzten Jahre bekanntermassen ordentlich zugelegt. Ein besonderes Beispiel zeigt die Entwicklung der chinesischen Stadt Shenzhen: Vor etwa 40 Jahren noch eine kleine Fischerstadt, hat sich die Stadt zu einem weltweit anerkannten Technologiestandort entwickelt – Huawei oder Tencent, unter anderem in den Bereichen soziale Netzwerke, Instant-Messenger-Dienste und Onlinespiele tätig, gehören etwa zu den dort ansässigen Unternehmen.
Doch auch viele europäische Betriebe haben die Nase vorn, wenn es um innovative Technologien und Produkte geht. Das zeigt sich nicht zuletzt auch bei den Patentanmeldungen: Wenn man die Zahl der Patentanmeldungen pro 100 Milliarden US-$ Bruttoinlandsprodukt berechnet, liegt China zwar inzwischen nach Südkorea auf Platz zwei. Sieht man sie aber im Verhältnis zur Einwohnerzahl, befindet sich China „nur“ auf Rang sechs – mit ähnlichen Werten wie Deutschland, die USA und die Schweiz. Dennoch zeigen die Entwicklungen, dass Europa gut daran täte, Forschung und Innovationskraft der hiesigen Unternehmen beständig zu steigern.
Zu den Betrieben, die sich in puncto Innovation und Forschung jedenfalls nicht verstecken müssen, gehört zweifellos Carl Zeiss Meditec. Mit Hauptsitz in Jena sowie Betriebsstandorten und Tochtergesellschaften in Deutschland, Frankreich, Spanien, den USA und Japan beschäftigt das 1846 von Carl Zeiss als Werkstatt für Feinmechanik und Optik gegründete Unternehmen heute mehr als 3.200 Mitarbeiter. Von den 25 Forschungs- und Entwicklungsstandorten der Zeiss-Gruppe weltweit sind insbesondere China und Indien wichtige Forschungszentren für den Meditec-Konzern. Der vom Unternehmen für Forschung und Entwicklung investierte Anteil des Konzernumsatzes stieg von 11,3 % oder 123,4 Millionen € im Geschäftsjahr 2015/16 auf 12,5 % im Geschäftsjahr 2017/18 (159,6 Millionen €).
Bahnbrechende Entwicklungen des Unternehmens waren zum Beispiel das erste digitale Mikroskop für chirurgische Augenheilkunde mit bemerkenswerter Tiefenschärfe bei drastisch reduzierter Beleuchtungsstärke oder eine neue Generation von Laserkoagulationen (chirurgisches Therapieverfahren zur thermischen strukturellen Veränderung von Biomolekülen), die es Ärzten ermöglicht, sich ohne Unterbrechungen vollständig auf die Behandlung der Patienten zu konzentrieren. Der Aktie, von der rund 21 % in Streubesitz sind, tun die Neuentwicklungen gut; sie stieg in den letzten zwölf Monaten um mehr als acht Prozent. Seit 2016 lag der Kursgewinn gar bei fast 370 %.
Das bleibt auch Analysten nicht verborgen: Die Deutsche Bank hat in einer aktuellen Studie das Kursziel für Carl Zeiss Meditec nach Eckdaten zum ersten Geschäftsquartal von 120 € auf 140 € angehoben und die Einstufung auf „Buy“ belassen. Das Medizintechnikunternehmen habe sehr positive Resultate vorgelegt, die seine Erwartungen deutlich übertroffen hätten, meinte Analyst Falko Friedrichs. Die Erholung von den Belastungen durch die Coronapandemie laufe schneller als gedacht.
Auch die DZ Bank ist von den Entwicklungen angetan und hat das Unternehmen zuletzt von „Verkaufen“ auf „Halten“ hochgestuft und den fairen Aktienwert von 75,90 € auf 136,40 € angehoben. Das erste Geschäftsquartal sei überraschend stark gewesen; dieser Trend sollte sich bei dem Medizintechnikunternehmen auch im zweiten Quartal fortsetzen, so der Tenor.
Wenn die Rede von Forschung und Innovation ist, führt wohl kein Weg an Infineon vorbei. Das Unternehmen mit Sitz in Neubiberg ist als börsennotiertes Unternehmen der grösste Halbleiterhersteller Deutschlands, weltweit befindet es sich in den Top Ten. Das Unternehmen entstand im Jahr 1999 durch die Ausgliederung des Halbleitergeschäfts von Siemens und bietet Halbleiter- und Systemlösungen mit Fokus auf Energieeffizienz, Mobilität und Sicherheit an.
Der Sektor ist international hart umkämpft; trotzdem konnten die Bayern ihr Terrain sichern: Infineon ist weltweiter Marktführer bei Halbleitern für die Automobilindustrie und bei Leistungshalbleitern. Mit rund 46.700 Mitarbeitern, verteilt auf 54 F&E- und 21 Fertigungsstandorte rund um den Globus, machte man im Geschäftsjahr 2020 (endete mit September) insgesamt 8,567 Milliarden € Umsatz. Darin ist das Geschäft von Cypress Semiconductor, welches von Infineon im April des Vorjahrs übernommen wurde, bereits einbezogen. Die Infineon-Aktie befindet sich in einer starken Aufwärtsbewegung und konnte im letzten Jahr ihren Kurs um rund 60 % verbessern (Stand Redaktionsschluss). Über fünf Jahre gemessen liegt der Zuwachs bei fast 170 %.
Die internationale Finanzgilde mag das Infineon-Papier: So hat die Schweizer Grossbank UBS das Kursziel von 30 € auf 38 € angehoben und die Einstufung auf „Buy“ belassen. Nach der Aufwertung im vergangenen Jahr sei klar, dass die deutliche Erholung des europäischen Technologie-Hardwaresektors bereits eingepreist sei, meinte Analyst David Mulholland in einer Branchenstudie. Für die Halbleiterunternehmen dürften die fundamentalen Treiber aber stark bleiben und 2021 für positive Überraschungen beim Wachstum sorgen. Die US-Investmentbank Goldman Sachs hat Infineon von „Neutral“ auf „Buy“ hochgestuft und das Kursziel von 27,50 € auf 42,70 € angehoben (Kurs bei Redaktionsschluss: 33 €).
Analyst Alexander Duval begründet seine höhere Marke mit optimistischeren Schätzungen, einem höheren Bewertungsmultiplikator sowie Transaktionsfantasie. Die Trends in einigen Schlüsselmärkten für die europäische Halbleiterindustrie seien sehr robust, so der Experte.
Ein Unternehmen, das bei Innovationen immer wieder heraussticht, ist ABB. Der schwedisch-schweizerische Energie- und Automatisierungstechnikkonzern mit Hauptsitz in Västeras, Schweden, und Zürich, Schweiz, ist 1988 aus der Fusion der schwedischen Asea und der schweizerischen BBC entstanden. Das Unternehmen mit Schwerpunkt in den Bereichen Elektrifizierung, Robotik, Bewegung und Prozessautomatisierung ist weltweit tätig und beschäftigt etwa 110.000 Mitarbeiter in mehr als 100 Ländern.
Im dritten Quartal 2020 lag der Umsatz von ABB mit 6,6 Milliarden US-$ zwar um vier Prozent unter jenem des Vorquartals, doch das trübt die Aussichten des Unternehmens nur wenig: Zwar hat die britische Investmentbank Barclays die ABB-Aktie von „Overweight“ auf „Equal Weight“ abgestuft, aber das Kursziel nur von 27 auf 25 CHF gesenkt. Die UBS hingegen hat das Kursziel für ABB von 28 auf 30 CHF angehoben und die Einstufung auf „Buy“ belassen. Zum Redaktionsschluss notierte das Papier bei rund 24 CHF. Die europäischen Investitionsgüterkonzerne dürften das vierte Quartal besser als vom Markt erwartet abgeschlossen haben, begründete Analyst Guillermo Peigneux Lojo sein Votum in einer Studie, die die gesamte Branche durchleuchtete.
Text: Reinhard Krémer
Illustration: Valentin Berger
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 1/2–21 zum Thema „Innovation & Forschung“.