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Die Ambitionen der „Gen-Schere“ CRISPR/Cas9 sind hoch: die Behandlung seltener Krankheiten und die Vernichtung von Krebs. Die jüngsten Durchbrüche signalisieren eine wachsende Dynamik für die Genom-Editing-Technologie und öffnen damit die Türe für Life-Science-Unternehmen wie CRISPR Therapeutics. CEO Samarth Kulkarni setzt auf eine Zukunft, in der Veränderungen der DNA zu einem alltäglichen Verfahren wird.

Die Idee der genetischen Veränderungen kam schon lange bevor „Gattaca“ 1997 das Thema popularisierte. Der amerikanische Science-Fiction-Film war jedoch einer der ersten in Hollywood, der eine Welt heraufbeschwor, in der man sein Erbgut verändern und so genannte „Designer-Babys“ erschaffen konnte. Zwei Jahrzehnte später wird in Labors auf der ganzen Welt täglich Genbearbeitung zur Behandlung schwerer Krankheiten erprobt.

CRISPR/Cas9 – „Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats“ – ist die revolutionäre Technologie, mit der man unsere DNA zerschneiden und genetische Defekte präzise reparieren kann. Eines der führenden Unternehmen ist das Schweizer Biotechnologieunternehmen CRISPR Therapeutics. Das seit 2017 von Samarth Kulkarni geleitete, an der NASDAQ notierte Unternehmen beschäftigt 500 Mitarbeiter und verfügt über eine Bilanzsumme von 2,6 Milliarden US-$. Mit jedem Fortschritt kommen die Fragen nach Kosten, Zugänglichkeit und „Designer-Babys“ näher.

Wie lässt sich CRISPR kurz und bündig erklären?
In den letzten 80 Jahren haben wir in der pharmazeutischen Industrie versucht, Krankheiten auf Proteinebene zu behandeln, was im Wesentlichen die Symptome und nicht die eigentliche Ursache der Krankheit behandelt. Mit diesem wunderbaren Werkzeug können wir nun die Ursache der Krankheit auf der DNA-Ebene angehen. Wir nutzen dieses Instrument, um die DNA zu schneiden und sie anschliessend zu reparieren oder zu verändern, um eine heilende Wirkung auf die Patienten zu erzielen.

Wie weit sind wir seit den Anfängen fortgeschritten?
Das Konzept der DNA ist mehr als 100 Jahre alt. Schon nach dem Ersten Weltkrieg war man sich darüber im Klaren, dass es etwas gibt, das Anweisungen kodiert, damit unser Körper so wird, wie er ist. Es dauerte etwa 30 Jahre, bis wir die eigentlichen Moleküle, die die Struktur der DNA bilden, verstanden und isoliert hatten. Im Jahr 2000 haben wir das gesamte Genom sequenziert, was ein bedeutsamer Moment war.

Erst jetzt sind all diese Kräfte zusammengewachsen. Wir leben in einem ganz besonderen Moment in der Geschichte der Biomedizin. Wir verfügen nicht nur über die Instrumente zur Manipulation der DNA, sondern auch über die Informationen aus dem Projekt zur Sequenzierung des menschlichen Genoms und die dazugehörigen Technologien, um diese Instrumente in den menschlichen Körper zu bringen. All dies ist zur gleichen Zeit zusammengekommen. Das hat so viel Aufregung verursacht – und offen gesagt – ein neues Geschäftsmodell für die Entwicklung von Medikamenten.

Ist Ihnen klar geworden, wie revolutionär oder bahnbrechend CRISPR sein könnte?
Ich weiss immer noch nicht, ob wir das volle Ausmass dessen erkennen, was diese Technologie für die Menschheit bedeuten könnte. Als die Technologie auf den Markt kam, war der unmittelbare Gedanke, der allen in den Sinn kam: Das wird die Arzneimittelforschung revolutionieren. Es kam später aber die Einsicht: Was wäre, wenn man dies als Mechanismus zur Inaktivierung von Viren nutzen könnte? Was wäre, wenn man Gene für seltene Krankheiten verändern, reparieren oder löschen könnte? Und dann der nächste Gedanke: Was wäre, wenn man dies auch bei häufigen Krankheiten wie Krebs tun könnte? Dies ist eine vielschichtige Geschichte, die nur noch faszinierender und spannender werden kann.

Das Thema der „Designer-Babys“ ist nie weit von CRISPR entfernt. Wie wird sich CRISPR Ihrer Meinung nach entwickeln?
Das ist eine wichtige Frage für die Gesellschaft. Es gibt eine Reihe von Foren wie die Weltgesundheitsorganisation, die versuchen, sich damit zu befassen und Richtlinien zu entwickeln. Zum jetzigen Zeitpunkt würde ich sagen, dass die Technologie noch lange nicht in der Lage ist, Gene im Embryo zu verändern oder zu manipulieren, was man tun müsste, wenn man an „Designer-Babys“ denkt. Bei CRISPR Therapeutics haben wir uns entschieden, uns nur auf somatische Zellen zu konzentrieren, die ihre DNA nicht an Kinder weitergeben. Aber als Gesellschaft werden wir uns in den nächsten 20 Jahren mit dieser Frage auseinandersetzen müssen. Denn irgendwo wird jemand versuchen, dies zu tun. Zum jetzigen Zeitpunkt würde ich sagen, dass die Technologie noch zu jung ist, und ich glaube nicht, dass die Gesellschaft dafür bereit ist.

Die weltweit ersten gentechnisch veränderten Babys in China haben 2018 erhebliche Reaktionen ausgelöst. Hat dies Auswirkungen auf die Akzeptanz der Technologie?
Die Gegenreaktion war gerechtfertigt. Zunächst einmal wurde der Eingriff willkürlich vorgenommen. Aus technologischer Sicht wurde er in einer Umgebung durchgeführt, in der es schwer ist, die Notwendigkeit dieser Massnahme zu begründen. Und er wurde nicht mit breiter Unterstützung durchgeführt, um sicherzustellen, dass es sich um eine robuste Methode der embryonalen Genbearbeitung handelt. Die Gegenreaktion ist eine gute Sache, denn sie wird dafür sorgen, dass sich niemand sonst darauf stürzt.

In welchen Fällen wäre Gen-Editing also gerechtfertigt? Wo lägen die Grenzen?
Das ist schwer zu sagen – das ist eine Frage für die Gesellschaft. Es ist nicht etwas, bei dem die Biotech-Unternehmen den Massstab setzen sollten. Man kann dasselbe Argument anführen wie bei der IVF. Wenn Paare eine genetische Beratung in Anspruch nehmen – und es ist wahrscheinlich, dass das Neugeborene eine genetische Krankheit hat –, dann wählen sie die Embryonen aus, richtig? Das ist ein ähnlicher Gedanke. Ich denke, es braucht einen breiteren Querschnitt der Gesellschaft, um zu sagen: Ist das etwas, das wir in Angriff nehmen sollten? Ist dies etwas, das notwendig ist?

Allein in den letzten Monaten ist so viel in Bewegung geraten. Die jüngsten klinischen Studien von Intellia Therapeutics scheinen alle in helle Aufregung versetzt zu haben. Sehen Sie das als einen Wendepunkt?
Ich denke, es wird eine Reihe von Wendepunkten geben. Die Daten von Intellia sind insofern wichtig, als man CRISPR-Editierung nicht mehr mit Zellen durchführen muss, die ausserhalb des Körpers manipuliert werden; man kann diese CRISPR-Tools direkt in den Körper schicken. Die nächsten Daten, die wir in ein paar Jahren sehen könnten, betreffen nicht nur das Löschen eines Gens, sondern auch das Korrigieren oder Hinzufügen eines Gens. Und wenn man anfängt, dies im Gehirn und in anderen Organen zu tun, wird das Potenzial dieser Technologie immer grösser werden. Alles in allem würde ich sagen, dass dieses Jahrzehnt als ein bedeutendes in der Entwicklung dieser Technologie in Erinnerung bleiben wird.

Samarth Kulkarni
...absolvierte einen Ph.D. in Bioengineering und Nanotechnologie an der University of Washington. Er kam 2015 als Chief Business Officer zu CRISPR Therapeutics und wurde 2017 zum CEO ernannt.

Können Sie näher erläutern, wo die Schwerpunkte im nächsten Jahrzehnt liegen könnten?
Bei CRISPR Therapeutics haben wir vier Schwerpunktbereiche. Thalassämie und Sichelzellenanämie (Blutkrankheiten) sind ein Bereich. Wir haben Programme sowohl für Blutkrebs als auch für solide Tumore, und wir haben es auf Diabetes abgesehen, indem wir die Bauchspeicheldrüse ersetzen. Wir befassen uns auch mit seltenen Krankheiten wie der Glykogensynthase-Krankheit und der Hämophilie. Heute gibt es weltweit etwa 40 Indikationen, die sich im Laufe der Zeit noch ausweiten werden. Ich vermute, dass in den nächsten zwölf Jahren ein Drittel des Pharmamarktes aus Zell- und Gentherapien bestehen wird, die hauptsächlich auf CRISPR basieren.

Wann, glauben Sie, könnte die Technologie den Patienten in grösserem Umfang zur Verfügung stehen?
Alle Schätzungen über Zeit- und Technologiezyklen sind durch CRISPR zunichte gemacht worden. Es gibt jetzt viele Generika, die weltweit verfügbar sind, aber das war ein Zyklus von fast 40 Jahren. CRISPR entwickelt sich doppelt so schnell, wenn man bedenkt, wie schnell wir in die klinischen Studien gekommen sind und wie schnell wir die Zulassung erhalten könnten. Es ist also nicht schwer, sich vorzustellen, dass wir in 20 oder 25 Jahren sehr erschwingliche Fälle von Gen-Bearbeitung sehen könnten. Nicht nur in den USA und Europa, sondern auch in Südamerika, Afrika, Asien und anderen Teilen der Welt. Das ist meine Vorhersage. Ich glaube, dass der Weg, um sie erschwinglicher und zugänglicher zu machen, tatsächlich in der Innovation liegt. Es geht nicht um Preiskontrollen.

Wie sehen die Kosten für solche Behandlungen aus? Wie können wir sicherstellen, dass so viele Menschen wie möglich von CRISPR profitieren?
Wenn man anfangs versucht, es billiger zu machen, wird die Technologie nie so weit entwickelt, dass sie zugänglicher wird. Ein Beispiel sind Fernsehgeräte. Früher waren Fernsehgeräte sehr teuer, und nur wenige Menschen konnten sie sich leisten. Heute kosten sie nur noch ein Zwanzigstel dessen, was sie bei ihrer Einführung kosteten, wenn man die Inflation berücksichtigt. Das ist hier ein sehr wichtiger Gedanke. Mit der Zeit werden diese Medikamente billiger und weltweit zugänglicher werden. Aber am Anfang sind sie teurer, weil wir bei der Herstellung der Komponenten, den Verfahren und der Handhabung der Zellen Neuland betreten.

Was erhoffen Sie sich von CRISPR zu Ihren Lebzeiten?
Ich denke die ganze Zeit darüber nach, wie das Jahr 2050 aussehen wird. Es gibt zwei Dinge, die wichtig sind. Ich denke, dass in den nächsten zehn oder zwölf Jahren mehr als zehn Zell- und Gentherapien auf dem Markt sein werden. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es im Jahr 2050 in der Medizin vor allem um Heilung gehen wird. Es wird nicht mehr darum gehen, jeden zweiten Tag chronische Pillen zu schlucken, um Krankheiten zu unterdrücken. Ich wette, Sie werden in einer Welt leben, in der man zu Ihnen als Kranker sagt: Entweder wir bearbeiten Ihre Gene, um die Ursache zu beheben. Oder wir geben Ihnen ein neues Organ. Welchen Weg wollen Sie gehen?

Text: Olivia Chang
Fotos: CRISPR Therapeutics für Forbes

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 6–21 zum Thema „NEXT“.

Olivia Chang,
Redakteurin

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