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Karen Karniol-Tambour wollte eigentlich wie ihre Eltern Universitätsprofessorin werden. Heute ist sie mit 33 Jahren Leiterin der Forschungsabteilung des weltgrössten Hedgefonds.
Im August warnte Karen Karniol-Tambour vor einer Überbewertung des US-Aktienmarkts. Im Oktober folgte ein massiver Abverkauf. Und obwohl sie langfristig zu mehr Engagement an den chinesischen Märkten rät, war sie im Oktober kurzfristig auch in dieser Hinsicht nicht optimistisch. „Man sollte gerade bei Finanzanlagen nervös sein“, sagt sie.
Anders als andere
Im Gegensatz zu gewöhnlichen Investoren kann Karniol-Tambour aber mehr tun, als sich nur die Haare zu raufen. Als Leiterin der Abteilung Investment Research bei Bridgewater Associates – dem weltweit grössten Hedgefonds mit einem Vermögen von 160 Milliarden US-$ – leitet sie eine 150 Personen starke Organisation, von der der ehemalige Notenbankchef Paul Volcker sagt, sie würde „relevantere Analysen als die Federal Reserve“ erstellen.
Karniol-Tambour verfolgte ihre Karriere in einem der anspruchsvollsten Umfelder überhaupt, was sie zu einer der mächtigsten Frauen (und Millennials) an der Wall Street machte. Denn sie ist nicht nur für ein Drittel aller Investmentprofis von Bridgewater zuständig, sondern auch eine von etwa einem Dutzend Personen, die über umfassende Kenntnisse des hochgeheimen Investmentprozesses von Bridgewater verfügen. Sie untersteht Ray Dalio, Milliardär und Unternehmensgründer, sowie seinen beiden Co-Chief-Investment-Officers. „Karen ist neugierig und verfügt über einen hohen Intellekt“, sagt Dalio. „Sie ist beim Lernen wie ein Staubsauger.“
Undenkbare Karriere
Als Karniol-Tambour 17-jährig in Princeton ihr Studium begann, wusste sie nicht, was eine Aktie ist. Die Enkelin von Holocaust-Überlebenden, Kind zweier Uniprofessoren, wuchs in Israel auf. Sie brillierte in Informatik und Physik, ging in Princeton aber ihrer Leidenschaft, International and Public Affairs, nach. Eine Karriere im Finanzbereich war undenkbar. „Ich dachte, ich würde Universitätsprofessorin werden, wie meine Eltern.“
Doch in Princeton machte sie ihr Professor, der Nobelpreisträger Daniel Kahneman, auf die faszinierenderen Aspekte in der Welt des Geldes aufmerksam. Nach ihrem Abschluss 2006 fing Karniol-Tambour bei Bridgewater an. Sie wollte zwei Jahre bleiben, danach ihr Studium fortsetzen. Robert Prince, Bridgewaters langjähriger Co-Chief-Investment-Officer, war schnell von ihr beeindruckt: Sie verstand selbst Themen, von denen sie kaum etwas wusste, schnell. Ebenso beeindruckt war Karniol-Tambour: „Das Gefühl, etwas zu bewirken, war gewaltig. Es gefiel mir, dass man gute Ideen tatsächlich testen konnte – man demonstriert den Beweis einer These anhand des Marktes.“
2008 wählte Dalio die damals 23-jährige Karniol-Tambour zusammen mit einem anderen Kollegen, um mit ihm an seinen Überlegungen zur Finanzkrise zu arbeiten. Etwa zur gleichen Zeit wurde sie als „Ideenfabrik“ bezeichnet, als Person, die ihre eigene Forschung beaufsichtigen durfte. Ihre Arbeit trug dazu bei, dass 2015 Bridgewaters Optimal Portfolio Hedge Fund aufgelegt wurde, der 23 Milliarden US-$ verwaltet. Prince erwartet, dass Karniol-Tambour ihn eines Tages ersetzt. Auch Dalio lobt die Fähigkeit von Karniol-Tambour, „gut mit anderen zusammenzuarbeiten“. Das ist insofern überraschend, als die Unternehmenskultur von Bridgewater besonders konfliktorientiert ist. Dalio glaubt an radikale Transparenz und Meinungsverschiedenheiten für gute Entscheidungsfindung. Dieser Ansatz sorgt bei einer Masse an klugen, ehrgeizigen und gut bezahlten Mitarbeitern für viel Konfliktpotenzial. Karniol-Tambour sieht das Unternehmen jedoch als einen Konflikt von Ideen, nicht von Egos: „Man muss die Vielfalt der Denkweisen schätzen.“
Bridgewater handelt in 150 Märkten auf der ganzen Welt. Doch das Unternehmen ist am besten bekannt für den Handel von Staatsanleihen in sehr liquiden Märkten sowie für den Handel mit den zugehörigen Währungen. Hinzu kommt der Rohstoffhandel. Der Ansatz hat jüngst zu durchwachsenen Ergebnissen geführt. Der wichtigste Fonds, Pure Alpha, blieb 2017 deutlich hinter der Performance des US-Markts zurück (obwohl er seit seiner Gründung 1991 eine Durchschnittsrendite von 11,7 Prozent erwirtschaftet hat). Bis Ende Oktober erzielte Pure Alpha wiederum etwa sechs Prozent Rendite und übertraf damit den S&P 500.
Wie andere bei Bridgewater neigt auch Karniol-Tambour dazu, dreidimensional zu denken. Sie zeichnet einen Würfel auf ein Whiteboard, der all das Wissen, das Bridgewater in den 43 Jahren seines Bestehens gesammelt hat, zeigt. Die Koordinaten innerhalb des Würfels, sagt Karniol-Tambour, seien Punkte, an denen Anlageideen, Vermögenswerte, Länder oder Konzepte lokalisiert werden können. Ihre Aufgabe sei es, den Würfel mit mehr Daten und Wissen zu füllen.
Bridgewater's Ideenfabrik
2008 wählte Dalio die damals 23-jährige Karniol-Tambour zusammen mit einem anderen Kollegen, um mit ihm an seinen Überlegungen zur Finanzkrise zu arbeiten. Etwa zur gleichen Zeit wurde sie als „Ideenfabrik“ bezeichnet, als Person, die ihre eigene Forschung beaufsichtigen durfte. Ihre Arbeit trug dazu bei, dass 2015 Bridgewaters Optimal Portfolio Hedge Fund aufgelegt wurde, der 23 Milliarden US-$ verwaltet. Prince erwartet, dass Karniol-Tambour ihn eines Tages ersetzt. Auch Dalio lobt die Fähigkeit von Karniol-Tambour, „gut mit anderen zusammenzuarbeiten“. Das ist insofern überraschend, als die Unternehmenskultur von Bridgewater besonders konfliktorientiert ist. Dalio glaubt an radikale Transparenz und Meinungsverschiedenheiten für gute Entscheidungsfindung. Dieser Ansatz sorgt bei einer Masse an klugen, ehrgeizigen und gut bezahlten Mitarbeitern für viel Konfliktpotenzial. Karniol-Tambour sieht das Unternehmen jedoch als einen Konflikt von Ideen, nicht von Egos: „Man muss die Vielfalt der Denkweisen schätzen.“
Bridgewater handelt in 150 Märkten auf der ganzen Welt. Doch das Unternehmen ist am besten bekannt für den Handel von Staatsanleihen in sehr liquiden Märkten sowie für den Handel mit den zugehörigen Währungen. Hinzu kommt der Rohstoffhandel. Der Ansatz hat jüngst zu durchwachsenen Ergebnissen geführt. Der wichtigste Fonds, Pure Alpha, blieb 2017 deutlich hinter der Performance des US-Markts zurück (obwohl er seit seiner Gründung 1991 eine Durchschnittsrendite von 11,7 Prozent erwirtschaftet hat). Bis Ende Oktober erzielte Pure Alpha wiederum etwa sechs Prozent Rendite und übertraf damit den S&P 500.
Wie andere bei Bridgewater neigt auch Karniol-Tambour dazu, dreidimensional zu denken. Sie zeichnet einen Würfel auf ein Whiteboard, der all das Wissen, das Bridgewater in den 43 Jahren seines Bestehens gesammelt hat, zeigt. Die Koordinaten innerhalb des Würfels, sagt Karniol-Tambour, seien Punkte, an denen Anlageideen, Vermögenswerte, Länder oder Konzepte lokalisiert werden können. Ihre Aufgabe sei es, den Würfel mit mehr Daten und Wissen zu füllen.
Global denken
Einer ihrer wichtigsten Schwerpunkte liegt aktuell auf China. Karniol-Tambour ist der Ansicht, dass Asien im Allgemeinen und China im Besonderen in Zukunft eine bedeutendere Rolle in den Anlageportfolios spielen sollten. China öffnet seine Börsen für ausländische Investoren, und angesichts der Grösse und Bedeutung der Wirtschaft haben die meisten globalen Investoren China untergewichtet, sagt sie. So ist China der einzige relevante Markt, in dem eine Zentralbank die Geldpolitik lockert. Doch Chinas Aktienmarkt geriet dieses Jahr aus den Fugen. Ausserdem erschweren das langsamere chinesische Wirtschaftswachstum und die Präsenz staatlicher Unternehmen die Investitionen. Kurzfristig ist sie nicht optimistisch bezüglich chinesischer Aktien.
Über China hinaus ist ein Grossteil des Forschungsschwerpunktes von Bridgewater international ausgerichtet. Karniol-Tambour glaubt, dass sich die Aussichten auf einen umfassenden globalen Handelskrieg durch die US-Handelsabkommen mit Kanada und Mexiko verringert haben. Sie verweist auch darauf, dass die Anleihenmärkte kleinerer Länder heute liquider sind als vor fünf Jahren, was beispielsweise den brasilianischen Anleihenmarkt attraktiver macht. Selbst bei der Beurteilung von Auslandsmärkten behält Karniol-Tambour die USA im Auge. Hier liegt, wie sie feststellt, das Epizentrum eines grossen Schachzuges der Zentralbanken, um die Liquidität, die sie zehn Jahre lang in die Wirtschaft gepumpt haben, wieder abzubauen. Diese Straffung wirkt sich auf alle globalen Vermögenswerte aus und trifft jene Regionen, die am empfindlichsten darauf reagieren – einschliesslich der Türkei, wo Banken auf den Dollar angewiesen sind. Karniol-Tambour erwartet, dass die Impulse der Steuersenkungen der Regierung Trump im Zuge der weiteren Straffung der Geldpolitik nachlassen. Im August warnte sie ihre Kunden, dass US-Vermögenswerte (insbesondere Aktien), die sich schneller von der Finanzkrise erholt hatten als in anderen Ländern, zu hoch bewertet seien. Diese Schwachstelle, so bemerkt sie, wurde durch den Ausverkauf an der Börse im Oktober zum Teil aufgezeigt.
„Es gibt eine Hochrechnung, dass die USA noch viele Jahre lang gut abschneiden werden“, sagt Karniol-Tambour. „Die europäischen Zinssätze werden in den nächsten zehn bis 15 Jahren das US-Niveau von heute nicht erreichen. US-Aktien sollten daher in dieser Zeit eine höhere Rendite aufweisen. Ich sehe diese Entwicklung ziemlich anfällig für Korrekturen.“ Da die Kurse in den USA so stark überhöht seien, könnte ein kleines Hindernis – etwa schwächere Auswirkungen von auslaufenden Steuersenkungen – einen grossen Einfluss haben. „Man ist für diese Art von Korrektur anfällig“, sagt sie. „Es besteht ein Risiko an den Finanzmärkten, das im Grossen und Ganzen auf diesen Übergang von einem sich entspannenden Umfeld zu einer Straffung zurückzuführen ist.“
Text: Nathan Vardi / Forbes US
Fotos: Franco Vogt / Forbes US
Übersetzung: Wolfgang Steinhauer
Dieser Artikel ist in unserer Dezember-Ausgabe 2018 „Sharing Economy“ erschienen.