Blume gibt Strom

Porsche wird elektrisch, will dabei aber weder Emotionalität noch Profitabilität verlieren. Sollte CEO Oliver Blume das Manöver tatsächlich gelingen, wäre es das nächste Kapitel in der Erfolgsgeschichte des Autobauers.

All the leaves are brown, and the sky is grey. I’ve been for a walk, on a winter’s day.“ Die Musik dröhnt bis in den letzten Winkel der prall gefüllten Halle, während eine Leinwand Videos von schnittigen Sportautos zeigt, die die kalifornische Küste entlangdüsen. „I’d be safe and warm, if I was in L. A. California Dreaming, on such a winter’s day.“ Wenige Augenblicke später fährt ein Porsche 911 auf die Präsentationsfläche. Es ist die mittlerweile achte Generation des Autotyps. „Ich hatte selbstverständlich schon des Öfteren Gelegenheit, den neuen Elfer zu fahren. Doch das hier, bei seiner offiziellen Weltpremiere, waren sicher die emotionalsten Meter.“ Porsche-CEO Oliver Blume weiss, worauf seine Marke abzielt. Porsche steht für Fahrspass, ist ein „Nice-to-have“, kein „Must-have“. Die Sache mit den Emotionen wird aber angesichts der grössten Transformation der Automobilbranche seit Henry Ford schon komplizierter. Denn in Zeiten von autonomem Fahren, Elektromobilität und Sharing rückt die Emotionalität in den Hintergrund. Blume interessiert das wenig; der CEO beschreibt den 911er munter als „pure driver’s car“.

Oliver Blume ist das Cover unserer Dezember-Ausgabe 2018.

Porsche im Branchenvergleich hochprofitabel

Die am Vortag der Auto Show in Los Angeles (L. A.) stattfindende Präsentation zeigt, dass Porsche bei den Emotionen keine Kompromisse eingehen will, CASE hin oder her (CASE steht für die grossen Zukunftsthemen der Automobilbranche: Connected, Autonomous, Shared, Electric). Schlecht da steht das Unternehmen aus Zuffenhausen aber nicht: In den ersten drei Quartalen 2018 steigerte Porsche seine Auslieferungszahlen gegenüber dem Vorjahreszeitraum um sechs Prozent (auf fast 66.000 Autos). Der Umsatz stieg um zwölf Prozent (19,1 Milliarden €), das operative Ergebnis um elf Prozent (3,3 Milliarden €). Insbesondere die Profitabilität zeichnet Porsche aus, die operative Marge lag Ende 2018 bei 17,4 Prozent. Zum Vergleich: BMW liegt bei neun, Porsche-Schwester Audi bei rund sieben Prozent; Tesla und Bentley schrieben zuletzt Verluste.

Dennoch muss sich auch Porsche auf die Zukunft vorbereiten. Die Zeit von Dieselfahrzeugen ist spätestens seit dem VW-Skandal vorbei, auch Benziner kommen zunehmend aus der Mode. Einerseits gefährdet die Elektrifizierung die hohen Margen der Autobauer. Andererseits ist die bei Porsche so wichtige emotionale Besetzung in Zeiten von autonomem Fahren und der fallenden Bedeutung von Besitz durch die Sharing Economy schwierig. All das verheisst nichts Gutes für Porsche. Warum ist Blume also so locker, als wir ihn – bewaffnet mit all diesen ­Fragen – in L. A. zum Interview treffen? Welches Geheimnis hat der CEO? Und: Ist Blume überhaupt der richtige Mann für ein solches Manöver?

„Ein Elektrofahrzeug kann genauso emotional sein wie ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor“, sagt Blume. „Auch der Taycan hat einen tollen Sound, er klingt authentisch elektrisch. Ausserdem sitzt der Fahrer sehr tief, spürt das Abrollen der Reifen, die Strasse pur – und damit die fantastische Beschleunigung dieses Fahrzeugs.“ Die Elektromobilität wird in den nächsten Jahren eindeutig das dominierende Thema bei Porsche sein. Autonomes Fahren hingegen soll bei Porsche in absehbarer Zeit nur punktuell eingesetzt werden.

Oliver Blume
... studierte Maschinenbau an der Technischen Universität Braunschweig und promovierte später in Shanghai am Institut für Fahrzeugtechnik. Er durchlief verschiedenste Stationen im Volkswagen-Konzern, wurde 2013 Porsche-Vorstand und 2015 Porsche-CEO; seit 2018 ist Blume zudem Vorstandsmitglied des Volkswagen-Konzerns.

Eine deutsche Kultmarke baut um

In die E-Mobilität investieren die Zuffenhausener hingegen im grossen Stil: Bis 2022 fliessen sechs Milliarden € in die Elektrifizierung des eigenen Portfolios (sprich in Plug-in-Hybride und vollelektrische Fahrzeuge). Porsche will zudem als erster deutscher Autokonzern vollständig aus dem Themengebiet Diesel aussteigen. Während das sowieso nie eine Liebesbeziehung war – 2017 lag der Anteil an Dieselfahrzeugen für Porsche bei zwölf Prozent –, sind Benziner ein Aushängeschild der Marke. Der Porsche 911 soll weiterhin als Verbrenner geführt werden. Der Rest des Portfolios wird hingegen elektrisch: Neben dem für 2019 geplanten vollelektrischen Taycan existieren bereits heute Plug-in-Hybride von Cayenne und Panamera. Nicht ohne Erfolg: Die Take-Rate bei den Panamera-Modellen für Plug-in-Hybride liegt bereits bei über 60 Prozent. Das nächste Modell des Porsche Macan, das 2021 auf den Markt kommt, könnte Gerüchten zufolge ebenfalls vollelek­trisch werden. Bestätigen will Porsche das hingegen nicht. Dass Kunden für die E-Modelle mehr bezahlen sollen, lehnt Blume ab. Verdienen muss Porsche die deutlich höheren Materialkosten in der Elektromobilität jedenfalls irgendwie, denn der Ergebnisbeitrag pro Auto ist – je nach Ausstattung – um 6.000 bis 10.000 € niedriger als bei Wagen mit Verbrennungsmotoren.

Viele Alternativen haben Porsche und Co aber nicht. Um die globalen Klimaziele, die etwa im Rahmen des Pariser Klimaabkommens definiert wurden (Begrenzung der menschengemachten globalen Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten, Anm.), zu erreichen, braucht es eine globale Dekarbonisierung. Neben der Elektromobi­lität gäbe es noch Wasserstoff oder synthetische Antriebe. Porsche setzt aber bewusst auf E-Mobilität. Blume: „In der Wheel-to-Wheel-Betrachtung, die den Primärenergiebedarf pro gefahrenem Kilometer im Blick hat – von der Gewinnung des Kraftstoffs bis zur Bewegung des Fahrzeugs – ist der elektrische Antrieb in etwa dreimal effizienter als Wasserstoff und sechsmal effizienter als synthetische Kraftstoffe.“

Der Anteil ab elektrischen Autos (Pkw) an der Gesamtzahl der Fahrzeuge wird massiv ansteigen. Die Kurve inkludiert vollelektrische Fahrzeuge und Plug-in-Hybride und basiert auf Prognosen. (Quelle: Bloomberg)

Auch die Gesetzgeber steuern voll Richtung Elektrifizierung. In Norwegen sollen ab 2025 100 Prozent aller verkauften Neuwagen elek­trisch sein. Indien, Frankreich und Grossbritannien streben das gleiche Ziel bis 2030, 2040 bzw. 2050 an. Deutschland und China haben bisher keine konkrete Jahreszahl angegeben. Dennoch sieht Blume die Welt trotz eigener Elektrifizierungsoffensive differenziert: „Unsere Produktstrategie baut für die nächsten zehn Jahre auf einen Dreiklang der Antriebsarten: Wir entwickeln unsere Benzinmotoren weiter und gestalten sie noch effizienter. Wir setzen ausserdem auf leistungsstarke Plug-in-Hybride und ab 2019 bietet Porsche auch rein elektrisch angetriebene Sportwagen an.“

Rascher Aufstieg im VW-Konzern

Oliver Blume ist Techniker, studierte in Braunschweig Maschinenbau und fing 1994, mit 26 Jahren, ein internationales Trainee-Programm bei Audi an. Er stieg schnell auf, wurde 2001 „Vorstandsassistent Produktion“ bei Audi. Im gleichen Jahr promovierte Blume an der Tongji-Universität in Shanghai am Institut für Fahrzeugtechnik. An seiner Dissertation, die sich mit Planungsinstrumenten zur Projektierung in der Produktion befasste, arbeitete Blume fünf Jahre lang – berufsbegleitend. Es folgten Stationen bei Seat und Volkswagen; 2013 wurde Blume Vorstand bei der Volkswagen-Tochter Porsche, 2015 ersetzte er Matthias Müller dort als CEO. 2018 berief ihn der neue VW-Chef Herbert Diess in den VW-Vorstand, wo Blume die Agenden Produktion, Design, Motorsport und Umwelt verantwortet.

Blume spielte lange Zeit Fussball, gilt als Teamplayer. Er selbst sagt: „Zu den Aufgaben eines Vorstandsvorsitzenden gehört es auch, hin und wieder harte Entscheidungen zu treffen und diese durchzusetzen. Das heisst jedoch nicht, dass man skrupellos oder laut sein muss. Das bin ich nicht. Ich will gemeinsam mit der Mannschaft über die Ziellinie laufen, nicht im Alleingang.“ Das ist erwähnenswert, da das Volkswagen-Universum lange Zeit von Managern mit autoritärem Führungsstil geprägt wurde. Blume hingegen duzt seine Mitarbeiter, klatscht nach der gelungenen Präsentation des neuen 911-Modells mit seinen Vorstandskollegen ab. Dass ihm immer wieder nachgesagt wird, ihm fehle das letzte Quantum Härte, lässt Blume eher kalt. Sehr wohl bestätigt der Niedersachse jedoch die in Medienberichten getätigten Beschreibungen „strukturiert, zielstrebig, ehrgeizig“. Die Zuschreibung der „Spiessigkeit“ durch die Süddeutsche Zeitung sieht Blume wiederum nicht – und betont erneut auch seine Emotionalität. „Porsche ist eine hochemotionale Marke mit leidenschaftlichen Fans und Kollegen. Darauf bin ich sehr stolz. Und mir ist viel daran gelegen, dass wir dieses Porsche-Gefühl auch in die Zukunft tragen.“ Für so manchen Beobachter gilt der 50-jährige Blume als aussichtsreicher Kandidat für den CEO-Posten bei Volkswagen – zwar nicht gleich, aber wohl irgendwann. Einer, der die technische Seite versteht und gleichzeitig einen kollaborativen, modernen Führungsstil pflegt. Zudem hat Blume bei den mächtigen Eigentümerfamilien Piëch und Porsche ein gutes Standing. Ob er tatsächlich das richtige Profil für den höchsten Posten bei den Wolfsburgern hat, wird sich zeigen – genau wie die Frage, ob der Manager Geld nicht nur richtig einsetzen, sondern auch einsparen kann.

Kosteneffizienz statt Kosteneinsparung

Denn finanzieren lassen sich Porsches Investitionen in die Elektromobilität – eben die bereits erwähnten sechs Milliarden € – über zwei Kanäle: höhere Umsätze oder niedrigere Kosten. Und während Porsche durchaus neue Umsatzkanäle erschliessen will, liegt der Fokus aktuell auf Kosteneffizienz. Das „Ergebnisprogramm“, das die Zuffenhausener planen, soll bis 2025 sechs Milliarden € an Ergebnis zusätzlich einsparen. Das ist bei einem Jahresumsatz von zuletzt 23,5 Milliarden € ein ordentlicher Brocken. Das Programm wird aufgrund der fehlenden Bereitschaft, die Kosten an die Kunden weiterzugeben, notwendig. Blume findet das Timing passend: „Wir gehen dieses Programm aus einer Position der Stärke heraus an.“ Dabei handelt es sich um kumulierte Werte über die gesamte Laufzeit des Programms. Das ist insofern wichtig, als jene Medienberichte, die von jährlichen Einsparungen von 750 Millionen € berichteten, laut Blume nicht richtig seien. Denn grössere Ergebniseffekte, etwa aufgrund von Produktentscheidungen, werden sich erst in späteren Phasen des Zyklus monetär niederschlagen.

Porsche-Auslieferungen (Q1 bis Q3 – Vergleich 2017/2018; Quelle: Porsche)

Blume will im Rahmen des Programms „alle Prozesse des Unternehmens auf den Prüfstand“ stellen. Produkte sollen optimiert, Komplexität reduziert, Bauteile vereinheitlicht, Prozesse digitalisiert werden (so sollen Hardwareprototypen gestrichen und stattdessen digital gefertigt werden). Zudem sollen „an der einen oder anderen Stelle“ Synergien innerhalb des VW-Konzerns genutzt werden, etwa im Rahmen der gemeinsamen Fertigung von Porsche Cayenne und Audi Q7 im Volkswagen-Werk in Bratislava oder der gemeinsamen Plattform PPE (Premium Plattform Electric), die Porsche mit Audi entwickelt und nutzt. „Ab 2025 wollen wir pro Jahr zwei Milliarden € zu unserem Ergebnis beitragen. Damit halten wir an unserem strategischen Ziel einer Umsatzrendite von mindestens 15 Prozent fest.“

Mitarbeiterabbau soll es trotz aller Einsparungsziele jedoch keinen geben. „Wir stellen – ganz im Gegenteil – nochmal 1.500 Leute ein, für den Taycan sowie Taycan-Derivate.“ Kernkompetenzen, etwa der gesamte Fertigungsstrang, sollen nicht nur im Unternehmen behalten, sondern gestärkt werden. „Wachsen, ohne zu wachsen“, nennt Blume das. Hinzu kommen neue Vertriebsprozesse und Märkte. Umsatz kann aber auch anderswo herkommen: „Das können auch neue, digitale Geschäftsfelder sein.“

Ride-Sharing als weiteres Standbein

Für grosse Autohersteller ist unsere Plattform eine Möglichkeit, Käuferschichten anzusprechen, die sie sonst nicht erreichen würden“, sagt Andre Haddad, während sich der CEO von Turo in seinem Sitz zurücklehnt. Das „Airbnb für Autos“ lässt Nutzer ihre Fahrzeuge – oftmals Klassiker – vermieten, Interessenten können sie so für eine gewisse Zeit nutzen.

Im Oktober starteten Turo und Porsche eine exklusive Partnerschaft, „Porsche Host“. In deren Rahmen will Porsche jüngere Kundenschichten erreichen, denn die grosse Mehrheit von Turos-Nutzern ist zwischen 18 und 44 Jahre alt, der typische Porsche-Käufer hingegen Mitte 50. Es ist die zweite Sharinginitiative des Autobauers in den USA, in Atlanta läuft bereits das Aboservice „Porsche Passport“, hinzu kommen Kooperationen mit Ride-Sharing-Services, etwa Didi in Shanghai oder Gett in London. Auch Porsche weiss, dass digitale Plattformen an Relevanz gewinnen. Haddad beschreibt das so: „Die nächste Phase der Mobilität – Mobility 2.0 – wird nicht mehr vom eigenen Auto, sondern vom Smartphone dominiert.“

Auch Porsche entwickelt eifrig Applikationen, hat gerade in diesem Bereich aber wohl noch Aufholbedarf. Finanziell tragen sich diese Sharing-Projekte wohl (noch) nicht. Vielmehr sollen die jüngeren Mieter auch Porsche-Käufer werden. Blume zeigt sich jedenfalls optimistisch: „Wir haben sehr viele gute Ideen und sind zuversichtlich, 2025 bereits einen zweistelligen Anteil unseres Umsatzes mit digitalen Produkten zu erwirtschaften.“

Porsche stehen – wie auch der gesamten Branche – wegweisende Zeiten bevor. Ob Blume die emotionale Komponente beibehalten und die Marge langfristig bei 15 Prozent halten kann, wird sich zeigen. Massive Einsparungen ohne Mitarbeiterabbau und eine grundlegend veränderte Produkt­palette werden auch Blume alle Managerqualitäten abverlangen. Sollte es ihm jedoch gelingen und Porsche weiterhin die Cashcow des VW-Konzerns bleiben, wäre der Weg für Blume nach ganz oben wohl frei. Der neue VW-Chef Herbert Diess, mit dem Blume laut eigener Angabe „hervorragend“ zusammenarbeitet, hat einen Vertrag bis 2023. Und Diess hat bereits signalisiert, dass er nicht besonders scharf auf eine Vertragsverlängerung ist. California dreamin’.

Dieser Artikel ist in unserer Dezember-Ausgabe 2018 „Sharing Economy“ erschienen.

Klaus Fiala,
Chefredakteur

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