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Der Adamah Bio Hof im niederösterreichischen Marchfeld arbeitet für eine nachhaltige und gemeinwohlorientierte Zukunft. Nach über 20 Jahren geben die Adamah-Gründer Sigrid und Gerhard Zoubek den Hof nun an ihre vier Kinder weiter. Diese wollen das Unternehmen weiterhin mit viel Motivation in die Zukunft führen.
Für Gerhard Zoubek ist das hier mehr als nur ein Hof – es ist sein Lebenswerk. Dass er dieses Herzensprojekt nun mit gutem Gewissen in die Hände der nächsten Generation legt, ist nicht verwunderlich, denn eine mehrjährige begleitete Übergabephase ging dem voraus. Seine Erfahrung wird auch weiterhin wertvoll sein – immerhin waren er und seine Frau Sigrid, als sie Adamah Ende der 90er-Jahre gründeten, Pioniere im Gebiet der Biolandwirtschaft. Von Anfang an hatten sie das Ziel, nicht nur biologische Lebensmittel, sondern auch ein Bewusstsein für den Wert dieser zu schaffen und regionale Wertschöpfung zu fördern. Was mit Biogemüse auf 70 Hektar und fünf Mitarbeiter*innen begann, umfasst heute 200 Hektar, 200 Mitarbeiter*innen und erzielt einen Jahresumsatz von 20 Millionen €.
Mit der offiziellen Übergabe des Bio Hofs an die nächste Generation sind die Kinder von nun an für das Unternehmen zuständig. Die Verantwortung wird dabei geteilt: Tochter Elisabeth ist als Geschäftsführerin für Vertriebsangelegenheiten zuständig, der älteste Sohn Christian kümmert sich um den B2B-Bereich, in dem es darum geht, Kleinläden, die Gastronomie und auch den Grosshandel mit Bioware zu beliefern. Der zweite Sohn Stefan betreut den Grossteil der Biolandwirtschaft mit aktuell etwa 60 Kulturen auf 200 Hektar; der jüngste Sohn Simon ist ebenfalls für die landwirtschaftliche Produktion und die Veredelung zu Produkten wie Tees, Gewürzmischungen oder Pestos zuständig.
„Ich finde es ganz wichtig, dass wir das, was unsere Eltern aufgebaut haben, bewahren und nachhaltig erweitern. Ich möchte die Welt nicht neu erfinden, sondern denke, dass wir hier bei uns am Hof genug Nährboden für neue Projekte haben“, sagt Elisabeth Zoubek, die einzige Tochter und von nun an Geschäftsführerin des Vertriebs. „Für mich war es nicht immer klar, dass ich diese Rolle einnehme. Ich musste auch über meinen Schatten springen. Aber jetzt bin ich dankbar, diese grosse Verantwortung auf mich zu nehmen und den Bio Hof weiterzuentwickeln.“
Adamah – der Name stammt aus dem Hebräischen und bedeutet „Erde“ – versteht sich als Alternative zum Supermarkt. „In Zusammenarbeit mit ausgewählten regionalen, nationalen und internationalen Bioproduzenten entsteht unser Sortiment, das wir ganzjährig anbieten und abwechslungsreich gestalten“, sagt Simon im Gespräch. Neben frischem Biogemüse und Bioobst bietet der Bio Hof alles, was eine reichhaltige Küche braucht: Von Brot und Gebäck über Feinkost, Fisch und Fleisch hin zu Eiern und Milchprodukten; aber auch Saucen, Aufstriche und Getränke hat Adamah im Sortiment. 1.600 Produkte sind es insgesamt – knapp 100 regionale und überregionale Biopartner wie Joseph Brot, Sonnentor oder Fritz Kola machen das möglich. Wöchentlich beliefert der Hof etwa 7.000 Haushalte im Grossraum Wien, alle auf CO2-neutraler Basis. Neben Privatpersonen zählen auch Restaurants, Bistros und Bioläden in und um Wien zu den Kunden. Rund 12.000 Kund*innen gehören zum engen Stammkundenkreis des Bio Hofs.
Die meisten, die den Adamah Bio Hof kennen, tun das aufgrund des beliebten „Bio-Kistls“. Dabei handelt es sich um eine individuelle Zusammenstellung aus regionalem Obst, Gemüse und Gebäck. Die Idee hielt Gründer Gerhard schon früh für erfolgversprechend, doch am Anfang der coronabedingten Lockdowns erlebte das Konzept einen regelrechten Hype – der sich schnell als eine Herausforderung erwies. „Am Höchstpunkt wurden bis zu 20.000 Kistln am Tag bestellt. Es freut uns zu sehen, dass Menschen zunehmend Wert auf Regionalität legen, aber die kontaktlose Zustellung in der Menge pro Tag war eine Herausforderung. Da darf man sich nicht in Romantik verlieren. Wir mussten von heute auf morgen Personal aufstocken“, sagt Elisabeth Zoubek. „Es ist ein Balanceakt zwischen ökonomischen Aspekten und den Werten unseres Hofs“, sagt Simon und meint damit den Schutz von Tier und Umwelt, den Erhalt der Artenvielfalt, die Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen und den Kampf gegen den Klimawandel.
Dass „Bio“ ein wachsender Geschäftszweig ist, bekommt die Bauernfamilie in den letzten Jahren immer deutlicher zu spüren. „Wir müssen schon ganz stark aufpassen, dass wir uns den Vorsprung, den wir durch unseren Namen doch haben, nicht verspielen. Deswegen denken wir bei jeder Geschäftsentscheidung darüber nach, wie wir unserem Namen gerecht werden. Unsere Kund*innen vertrauen uns und wissen, dass bei uns biologisches Denken und Wirtschaften auch gelebt werden und nicht nur eine Marketingfloskel sind. Wir wollen dem auch weiterhin gerecht werden, im Grossen wie im Kleinen“, sagt Simon. Tatsächlich ist die Nachfrage nach Biolebensmitteln in Österreich so hoch wie noch nie. Der „RollAMA Markterhebung“ zufolge wurden allein im Einzelhandel im Jahr 2020 Biolebensmittel im Wert von über 713 Millionen € gekauft – eine Steigerung von 23 % im Vergleich zu 2019. Und: Insgesamt wirtschaften derzeit in Österreich 24.457 Höfe nach den Kriterien der Biolandwirtschaft, das sind knapp 23 % aller landwirtschaftlichen Betriebe. Seit 2015 sind 3.700 neue Biobetriebe dazugekommen, was einem Zuwachs von 18 % entspricht.
Gerhard Zoubek: „Wir haben das, wovon alle anderen in den Werbungen nur erzählen: Wir sind echte Biobauern. Wir wissen, wie es funktioniert. Und wir gehen zum Kunden und zur Kundin hin und laden sie zu uns auf den Hof ein.“ Um die Marke zu wahren, schliesst man etwa eine Kooperation mit Supermärkten aus – man wolle nicht Teil des grossen Marktmechanismus sein. „Im Vergleich zu den Supermarktketten betreiben wir Bio um des Bio willen und nicht aus Geschäftskalkül. Bei uns steht die Ökonomie der Menschlichkeit im Vordergrund. Und wie man sieht: Es funktioniert“, so Gerhard. Für den Adamah-Gründer bedeutet das auch, Nachhaltigkeit im wahrsten Sinne des Wortes zu verstehen und zu leben: „Wir wollen keine verbrannte Erde hinterlassen, denn Erde und der Boden sind unser wichtigstes Gut. 95 % der Dinge, die wir tragen, die wir um uns haben, die wir essen und zu uns nehmen, kommen vom Boden. Daher sollten wir mit unserem Boden, mit unserer Erde, solidarisch und nicht egoistisch umgehen.“
In Zukunft planen die vier Geschwister, diese Werte zu bewahren und dennoch kleine Adaptierungen vorzunehmen. So soll etwa noch mehr Zeit und Geld in die professionelle Kompostierung fliessen. „Wir wollen diese Kreisläufe wirklich bewusster und enger schliessen. Das hilft uns, den Boden noch stärker aufbauen zu können, nachhaltiger zu produzieren und den Humusgehalt zu erhöhen. So wollen wir unseren Kindern einen besseren Boden hinterlassen, als wir ihn jetzt haben. Da gehört jetzt viel investiert, und wir werden auch noch viel investieren“, so Simon. Um gegen die glänzenden Scheinwelten der Supermarktketten bestehen zu können, so Elisabeth, werde man noch bewusster in die Vermarktung des „Adamah-Konzepts“ investieren.
Das Bestreben, dieses Bewusstsein und das Wissen über den Wert von Natur und Lebensmitteln weiterzugeben, ist fest in der Philosophie des Hofs verankert. So bieten die Familienmitglieder selbst regelmässig Führungen auf dem Hof an, bei denen sie Kindern, Jugendlichen, aber auch Erwachsenen die Biolandwirtschaft näherbringen.
So möchte sich auch Gerhard zusammen mit seiner Frau in seiner zukünftigen Rolle als Berater um sein lang ersehntes Herzensprojekt kümmern: den Aufbau eines Informations- und Kompetenzzentrums am Hof, in dem Kinder und Jugendliche spielerisch Informationen über die Biolandwirtschaft erlangen. Denn nur wenn man die Kinder – und damit die nächste Generation – ins Boot holt, ist „enkeltaugliches Wirtschaften“ gesichert – auch für die Urenkerl.
Sandra Tauscher ist leidenschaftliche Fotografin und Köchin und hat jüngst 120 saisonale Rezepte für das neue Kochbuch des Bio Hofs entwickelt und fotografiert.
Wieso ist Kochen gerade so ein Hype?
Ich denke, dass in der Coronazeit einfach wieder mehr Interesse daran entstanden ist. Kochen ist etwas Nettes und Entspannendes, dass auch die Familie zusammenbringen kann. Es scheitert im Alltag sonst oft an der Zeit, aber während der Lockdowns war diese ja plötzlich oft da. Ich hoffe, dass die Menschen aus den letzten Monaten mitnehmen, wie schön Kochen sein kann.
Mir kommt vor, dass immer mehr Menschen nicht mehr wissen, wie man kocht. Sehen Sie das auch so?
Ich habe das Gefühl, dass viel verloren gegangen ist, vor allem, wenn man nicht das Glück hat, eine Oma oder eine Mama zu haben, die viel gekocht und sich dafür die Zeit genommen haben, es auch ihren Kindern beizubringen. Doch unsere Idee hinter dem Kochbuch war, Hilfe zu schaffen für Menschen, die sich nicht so gut auskennen – die wollen wir mit möglichst einfachen Rezepten abholen. Gleichzeitig haben wir die Rezepte aber so offen gelassen, dass jemand, der sich gut auskennt, freestylen kann. Uns war es wichtig, dass wir keine speziellen Sonderzutaten verwenden, die man dann im Kasten stehen hat, einmal benutzt und nie wieder benötigt. Unsere Rezepte sind alltagstauglich und decken alles ab, was in den Jahreszeiten so vorkommt: Wir haben Kuchen drinnen für Geburtstagsfeiern, es gibt vegane Speisen, aber auch ganz Klassisches. Wir wollten Rezepte schaffen, wo für alle etwas dabei ist, wo alle an einen Tisch kommen und gemeinsam essen.
Jedes Jahr entsorgt jeder österreichische Haushalt im Schnitt 43 Kilo unverdorbene Lebensmittel sowie Speisereste im Müll (Stand 2020).Wie kämpfen Ihre Rezepte gegen Lebensmittelverschwendung an?
Für Leute, die nicht so viel kochen, kann ich da das Bio-Rezeptkistl vom Adamah Bio Hof empfehlen. Da werden die Zutaten genau abgewogen und dosiert, da bleibt nichts übrig. Bei unseren Rezepten habe ich sehr darauf geachtet, dass man nicht verschwenderisch mit Zutaten umgeht, also das ganze Ei verwendet, oder bei einer Zitrone den Saft und die Schale. Wir haben auch Restl-Rezepte, wie zum Beispiel für Hühnerfleisch, das beim Grillen übrig bleibt. Da es allen am Bio Hof ein Anliegen ist, Lebensmittelverschwendung zu vermeiden, gibt es auch auf der Website des Bio Hofs laufend Vorschläge zu dem Thema.
Saisonalität und Regionalität sind derzeit heisse Stichworte. Was konkret bedeutet das eigentlich?
Für mich bedeutet das, dass ich versuche, im Grossen und Ganzen mit den Lebensmitteln zu kochen, die es jetzt bei uns gibt. Im Winter sind das Wurzelgemüse und Knollen oder Wintersalate, Pilze, Kräuter, Konserven, aber auch Hülsenfrüchte. Das muss nicht so langweilig sein, wie sich das viele vorstellen. Und oft gibt es regionale Alternativen zu Importware – Sauerkraut ist ein toller Vitamin-C-Lieferant, da müssen es nicht immer Orangen sein. Ich finde es grossartig, dass sich mittlerweile viele Menschen darüber Gedanken machen, dass man im Dezember nicht unbedingt Spargel aus Peru einfliegen lassen muss. Andererseits finde ich, dass man eine Balance finden sollte, was auch bedeutet, dass man ab und zu Bananen essen kann, wenn man schaut, wo sie herkommen. Was die meisten Leute vergessen, ist, dass Schokolade, Kaffee, Tee und viele andere „alltägliche“ Lebensmittel ja auch nicht regional sind. Ich bin dafür, dass man nicht jeden Tag in der Früh einen Avocado-Toast isst, oder den ganzen Winter lang Erdbeeren. Ich finde es super, wenn man sich dazu Gedanken macht, aber man kann auch die nicht regionalen Dinge geniessen und sich dabei bewusst machen, dass das halt ein kleiner Luxus ist.
Kritiker sagen, regionale und nachhaltige Produkte sind teuer und umständlich. Was raten Sie denen beim Einkaufen?
Der Adamah Bio Hof ist die perfekte Alternative zum Supermarkt. Du kannst dir von Äpfeln bis Zahnpasta alles in den Korb legen, das heisst, tatsächlich „normal“ einkaufen. Wir haben jetzt während Corona gesehen, wie abhängig wir von internationalen Lieferketten sind, deswegen finde ich es wichtig, dass wir in Österreich darauf schauen, dass unsere Bauern gut verdienen. Wir tun uns selbst auch einen Gefallen, wenn wir regional und bio einkaufen. Dann haben wir mehr Arbeitsplätze, eine gute Umwelt und Versorgungssicherheit. Das ist solidarisch mit der Gesellschaft, man tut sich dabei aber auch selbst etwas Gutes.
Text: Naila Baldwin
Fotos: ADAMAH
Titelbild: Simon, Elisabeth, Christian und Stefan Zoubek übernehmen den landwirtschaftlichen Betrieb ihrer Eltern und wollen diesen weiterhin erfolgreich führen und ausbauen.
Diese Advoice erschien in unserer Forbes Daily "Grüne Wirtschaft".