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Das Unternehmen Moovit revolutioniert die Nutzung von öffentlichem Verkehr.
Wie die meisten Vorstadtbewohner bewegt sich Janice Monkowski, eine Klavierlehrerin aus Kalifornien, am liebsten mit dem Auto fort. Lange Zeit spielte öffentlicher Verkehr in ihrem Leben nicht einmal eine Nebenrolle. Das änderte sich, als die Tech-Skeptikerin Monkowski Moovit entdeckte. Wenn sie heute nach San Francisco fährt, um Freunde zu treffen oder mit ihrem Ehemann ein Konzert zu besuchen, hilft ihr die App, ihre Trips minutengenau zu planen. „Moovit zeigt mir, wo und wie ich gehen muss und wie lange es dauert, wenn ich mit dem Bus oder dem Zug fahre. Vor Moovit bin ich zehn oder 15 Jahre in keinem Linienbus gesessen.“
Als Gegenleistung erlaubt Monkowski Moovit, ihre Trips zu tracken. Nicht unähnlich der Navigations-App Waze, die Autofahrern auf der Strasse folgt, um die optimale Reiseroute zu identifizieren, aggregiert Moovit Location-Daten von Nutzern wie Monkowski und jenen in ihrer Nähe, um die effizienteste öffentliche Verbindung von Punkt A nach B zu finden.
„Die Probleme von Reisenden sind im öffentlichen Verkehr noch grösser als im eigenen Auto“, sagt Nir Erez, ein 52-jähriger israelischer Serienunternehmer, der Moovit 2012 mitgründete. Die meisten Pendler wissen nämlich nicht, wann der Bus kommt oder wie die Fahrt mit anderen Verkehrsmitteln verbunden werden kann oder wann Gehen oder Fahrradfahren am schnellsten ist. Erez erinnert sich an seine Heimatstadt Tel Aviv: „Die Informationslage ist normalerweise ziemlich schlecht.“
Und zwar so schlecht, dass Moovit die am meisten heruntergeladene App für den öffentlichen Verkehr geworden ist. In nur fünf Jahren erreichte das Programm 100 Millionen User in etwa so viele wie die App Waze, die 2013 von Google um satte 1,1 Milliarden US-$ gekauft wurde. Moovit ist in 44 Sprachen und 78 Ländern verfügbar. Pendler in London, San Francisco, Moskau und Hanoi verlassen sich auf den kleinen Helfer. In Los Angeles nutzen 40 Prozent der User die App auf Spanisch. 2016 wurde Moovit die offizielle Transport-App für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro und stach dabei laut eigenen Angaben Apple und Google aus. Wenn der öffentliche Verkehr eine Nutzerin nicht bis ans Ziel bringt, verbindet Moovit sie mit Bike-Sharing-Programmen oder Uber.
Die Attraktivität der App half Moovit, eine Reihe hochkarätiger Investoren anzuziehen. Das Unternehmen, das mit 500.000 US-$ Startkapital von Erez begann, sammelte fast 84 Millionen US-$ Risikokapital ein von Investoren wie etwa Sequoia Capital, Ashton Kutchers Sound Ventures und dem Risikokapitalarm von BMW, i Ventures. Die Bewertung liegt laut Pitchbook bei 450 Millionen US-$. Die Investoren wurden vor allem vom Monetarisierungspotenzial der in Echtzeit abgerufenen Informationen über den öffentlichen Verkehr angezogen mehr als 500 Millionen Datenpunkte pro Tag.
Nun muss Moovit beweisen, dass es diese Datenmengen auch in Geld umwandeln kann. Das Unternehmen sagt, dass es sich gerade erst mit Monetarisierungsmöglichkeiten zu beschäftigen beginnt und keine Umsatzzahlen bekannt gibt. Laut Forbes-Schätzungen sind die Erlöse derzeit vernachlässigbar.
Doch Erez und seine Investoren behaupten, dass es nicht schwierig sein wird, Umsätze zu generieren und glauben gleichzeitig, dass das Unternehmen zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Denn Städte kämpfen weltweit mit Staus und Luftverschmutzung. Das hat einen Hype rund um das Konzept der Smart Citys ausgelöst. Smart Citys sind eine noch etwas unkonkrete Idee, wonach Daten von allen möglichen Sensoren mithilfe von künstlicher Intelligenz und Cloud Computing genutzt werden, um zunehmend komplexe urbane Gebilde besser zu verwalten.
Moovits Plan ist, den Hunger solcher Städte nach Daten zu stillen. „Urbane Mobilität ist ein globales Problem“, sagt Gili Raanan von Sequoia Capital. Er fügt hinzu, dass Moovits Daten über den öffentlichen Verkehr „die Lebensqualität in Städten dramatisch verbessern könnten“.
Buenos Aires und Madrid haben sich bereits angemeldet, um die ersten Kunden von Moovits Smart Transit Suite zu werden einem Datenportal mit präzisen Echtzeitinformationen für standortbezogene Bus- und Zugnutzung. Hinzu kommen Daten zu den Wartezeiten von Passagieren, optimalen Routen etc. „Sie haben einfach sehr detaillierte Informationen darüber, wie sich Menschen in Städten fortbewegen“, so Andreas Mai, eine Führungskraft von Keolis, einem französischen Transportunternehmen; Keolis investierte in Moovit und wird seine Daten in Pilotprogrammen schon bald in noch unbenannten Städten austesten.
Moovit fing 2011 an, Gestalt anzunehmen. Erez hatte damals gerade ein Start-up verlassen, das er mitgegründet hatte, und trainierte für einen Marathon. Er wollte eigentlich in Teilzeitpension gehen, noch ein bisschen in frühphasige Start-ups investieren und Triathlons absolvieren. Doch auf den ausgedehnten Trainingsläufen durch Tel Aviv hörte sein Freund Yaron Evron nicht auf, über eine Website zu sprechen. Sie war für die lokale Verkehrsbehörde entstanden, Evron hatte sie gemeinsam mit einem jungen Computerwissenschafter namens Roy Bick entwickelt.
Bick, ein Nerd, wenn es um öffentlichen Verkehr geht, wollte den Pendlern aus der Gegend helfen. Tel Aviv hatte erst kürzlich sein Bussystem umgestellt, um eine neue Zuglinie einzubinden. Es wurden Haltestellen und Routen geändert, um mehr Passagiere in die Züge zu bekommen. Die öffentlichen Informationen zu diesen Änderungen waren jedoch schlecht und lückenhaft. Bick ging die Stadt also zu Fuss ab, um die neuen Haltestellen in eine Datenbank einzugeben, die er gebaut hatte. Er holte sich auch Echtzeit-GPS-Informationen von Bussen, um seine Datenbank damit in eine Routenplanungsplattform zu verwandeln.
Bicks Arbeit war offensichtlich für Höheres bestimmt als nur eine einzelne Stadt. Und Erez, der eigentlich in das ebenfalls aus Israel stammende Waze investieren wollte, erkannte, dass Crowdfunding-Daten global die Basis für sinnvolle Planungen im öffentlichen Verkehr bilden könnten. Erez, Bick und Evron gründeten Moovit im daruf folgenden Jahr; Erez wurde CEO, Bick kümmerte sich um das operative Geschäft. Evron nahm nie eine formelle Rolle ein. Erez: „Ich war sieben Monate in Pension und fand mich dann plötzlich im nächsten Start-up wieder.“
Moovit hat heute über 100 Mitarbeiter, mit einem Hauptquartier in Tel Aviv und Büros in San Francisco, Athen und Rio de Janeiro, und Erez und Bick sind überzeugt, Städten auf vielfältige Art und Weise helfen zu können. Wenn die Nachfrage auf einer bestimmten Route ansteigt, könnte Moovit etwa vorschlagen, dass mehr Busse losgeschickt werden. „Wir sehen uns die Nachfrage und Bewegungsinformationen an und analysieren dann die Infrastruktur des Systems, alle Routen und die Zeitpläne, um zu erkennen, ob die Verteilung optimal ist oder nicht“, sagt der 37-jährige Bick. Städte geben Millionen US-$ für Umfragen über die Nutzung von öffentlichem Verkehr ihrer Bewohner aus Moovit bietet bessere, aktuellere Informationen an, und das auch noch günstiger, wie Bick betont. Und das Beste:
Die App wird Datenpunkt um Datenpunkt von Leuten wie Janice Monkowski aufgebaut. „Wenn ich nach San Francisco muss, will ich nicht mit dem Auto fahren“, sagt sie. Der Grund: „Die schreckliche Parkplatzsituation und der starke Verkehr.“ Moovit bietet ihr eine neue Option. „Es ist ziemlich simpel.“
Text: Alan Ohnsman
Übersetzung: Klaus Fiala
Dieser Artikel ist in unserer Januar-Ausgabe 2017 „Forecasting“ erschienen.