Aufwachsen

Whatchado ist ein Fixpunkt in der österreichischen Start-up-Landschaft und war eigentlich eine Herzensangelegenheit. Ali Mahlodji und Jubin Honarfar mussten auf..

Whatchado ist ein Fixpunkt in der österreichischen Start-up-Landschaft und war eigentlich eine Herzensangelegenheit. Ali Mahlodji und Jubin Honarfar mussten auf ihrem sechs Jahre dauernden Weg viel lernen: mit Tiefs umzugehen, streiten, akzeptieren, loslassen – und sich zu verändern. Wir trafen die beiden zum Interview, im Beisein von Berater Joachim Schwendenwein als Beobachter.

„Wir sind extrem unterschiedlich, geradezu gegensätzlich, aber wenn wir ­etwas zusammen ­machen, passt kein Blatt dazwischen“, sagt Ali Mahlodji über sich und seinen Co-Gründer Jubin Honarfar. Sie kennen einander aus Jugendtagen in Simmering, wie sie erzählen. „Wir waren die einzigen Ausländer“, witzelt Mahlodji über die Zeit bis Ende 20, in der sie jedes Wochenende abhingen und oft gemeinsam Fussball spielten. „Wir haben uns im Käfig kennengelernt“, so Honarfar. Die beiden beenden oft den Satz des anderen, streuen einander Rosen, necken sich, als wir sie im Theater in der Drachengasse zum Interview treffen. Das Set des Stücks „Open House“ von David Paquet passt zu ihrer Geschichte – eine WG mit mitunter komplizierten Verhältnissen.

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Auch bei Mahlodji und Honarfar spürt man: Ganz so einfach ist es zwischen ihnen nicht, und die beiden machen auch keinen Hehl daraus. 2011 haben sie trotzdem begonnen, zusammen an Whatchado zu arbeiten – gemeinsam mit zwei anderen Foundern, Stefan Patak und Manuel Bovio. Heute hat die Plattform, die Kindern und Jugendlichen Orientierung am Berufsmarkt geben soll – bis heute gingen rund 6.000 Videos online, in der verschiedenste Berufe aus erster Hand ­erklärt werden –, monatlich nach ­eigenen Angaben über eine Million User. Bis kurz vor unserem Gespräch, sagen sie, hätten sie seit einem Bruch 2015 – also fast zwei Jahre lang – ein unterkühltes Verhältnis und wenig Kontakt gehabt. Bei diesem Interview haben sie, wie sie sagen, zum ersten Mal in dieser Form und dieser Länge gemeinsam über ihre persönliche Geschichte als Gründer von Whatchado gesprochen.

„Wir sind konträr, aber auch gleich. Und wir ergänzen uns, sodass wir keinen blinden Fleck bekommen.“

Whatchado gibt es jetzt seit sechs Jahren, länger als viele andere Start-ups. Es zählt 60 Mitarbeiter und 2,3 Millionen € Jahresumsatz – so weit die eigenen Angaben. Sie haben namhafte Investoren, in der letzten, ihrer zweiten Finanzierungsrunde über 2,5 Millionen € waren etwa Evva-Chefin Nicole Ehrlich-Adám und Philanthropin Hilde Umdasch dabei; beide neu in der Start-up-Welt. In der ersten Runde von einer knappen Million € waren Business Angel Hansi Hansmann, der Präsident der österreichischen Nationalbank Claus Raidl und die ehemalige Siemens-Chefin Brigitte Ederer unter den Investoren.

Whatchado scheint erfolgreich zu sein, woran liegt das?

Ali Mahlodji (AM): Was uns sehr stark ausmacht, ist unsere gemeinsame Geschichte.

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In den letzten zwei Jahren hatten wir einige Phasen, wo andere Organisationen wahrscheinlich zusammengebrochen wären. Ich kenne Jubin schon seit über 20 Jahren. Wir haben uns beim Fussballspielen im Käfig kennengelernt. Irgendwann kam Stefan (Patak; Anm.) dazu, mit dem wir auch gegründet haben. Wir kennen uns alle ewig. Und wir drei sind verschieden. Jubin und ich sind extrem unterschiedlich bei manchem; aber wenn wir zusammenarbeiten, ist kein Platz zwischen uns und wir arbeiten dann voll daran. Wir haben uns gemeinsam entwickelt, auch wenn wir uns dazwischen wegen einer Frauengeschichte acht Jahre lang aus den Augen verloren hatten.

Jubin Honarfar (JH): What else …

AM: 2009 haben wir uns dann wiedergetroffen, bei einem Alkbottle-Konzert.

JH: Ali hatte auf Facebook gepostet, dass er Tickets hat, und ich habe spasshalber daruntergeschrieben: „Mich fragst du nicht?“ Davor hatten wir wirklich acht Jahre keinen Kontakt, nur so am Rande mitbekommen, was der andere so macht.

AM: Bei dem Konzert haben wir uns dann wiedergetroffen.

JH: Wir sind beide in einfachen Verhältnissen in Simmering aufgewachsen. Und dann kommt er an mit einem roten VW-Cabrio.

AM: Das hat damals nur 2.000 € gekostet! Ja, als wir uns gesehen haben, war es erst einmal sehr unterkühlt. Nach ein paar Bier sind wir uns dann in den Armen gelegen. „Wo warst du die ganze Zeit!?“, und so weiter. Wir sind dann ins Taxi gestiegen und wollten heimfahren, früher haben wir beide in Simmering gewohnt …

JH: … und hatten immer denselben Heimweg.

AM: Dann kamen wir drauf, dass wir beide auch länger in Meidling nebeneinander wohnten. Wir haben uns dann wieder öfter getroffen und ich habe Jubin meine Idee „Whatchado“ gezeigt. Ich habe sie dann auch Stefan (Patak, Co-Gründer; Anm.) gezeigt. Mit ihnen bekam das Ganze plötzlich mehr Leben.

JH: Ja. Wir haben eine Stellenausschreibung gemacht – wir brauchten jemanden für die Videos. Damals war die erste Anzeige auf unijobs.at gratis.

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Da haben wir geschaltet und es stand drin: Wir zahlen nichts. Wir haben einen Kameramann gesucht, der sich überhaupt mit dem Videosmachen auskennt, weil wir beide Amateure waren. Und so kamen wir auf Manuel (Bovio; Anm.). Er hat die Stellenanzeige gesehen, und dass es keine Bezahlung gibt, und hat die Anzeige dann gleich wieder zugemacht. Dann fand er es aber doch spannend, was wir machen.

AM: Wir haben ihm gesagt, dass wir ihm nicht viel versprechen können, ausser, dass, wenn Whatchado was wird, er jeden Job machen kann, den er möchte, und es dann Gehälter gibt. Wir haben uns an den Wochenenden immer bei mir zu Hause getroffen und gearbeitet. Jeder hat alles gemacht – das, was er gerade für am wichtigsten erachtete. Wir haben die Videos am Anfang ja irgendwie gemacht. Bei mir im Schlafzimmer, einfach eine Kamera aufgestellt. Irgendwann, ich glaube 2011, haben wir dann den Social Media Award gewonnen. Wir hatten keine Website; gar nichts. Alle haben uns gefragt, wann wir online gehen. Ich hatte einen Job, Jubin hatte einen Job; mit dem Award und den 4.000 €, die wir damals bekamen, hatte das Ganze auf einmal Aufwind. Dann kam der ORF zu uns und meinte, er habe von uns gehört, und ob das stimme, dass wir diese Website machen.

JH: Wir meinten: Ja, klar!

AM: Wir mussten das alles voll faken. Wir hatten kein Team, kein Büro, keine Website. Ich weiss noch, wie ich damals im Sektor5 (Coworking-Space in Wien; Anm.) gestanden bin mit dem ORF-Team, und gesagt habe, das seien ­alles ­unsere Leute … (beide lachen)

JH: Ja, fake it till you make it!

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AM: Das führte dazu, dass wir im ORF waren. Das Team meinte, sie machen den Beitrag, wenn wir gleichzeitig mit der Website online gehen, und, dass das vor der Zeugnisvergabe sein muss, sonst machen sie es nicht. Damals war ich übrigens Lehrer im Gymnasium. Wir hatten also Riesendruck, auf die Schnelle zu produzieren: Videos und eine Website. Wir haben dann 17 Videos gedreht, Manuel hat sie geschnitten, ein Hip-Hop-DJ hat uns einen Introsound gemacht … Wir haben alles bekommen.

JH: Einen Vorteil gab es noch: Ali hat damals bei Niko Alm und Super-Fi gearbeitet. Niko hat mitbekommen, dass wir daran arbeiten, und meinte, wir können auf seine Ressourcen zugreifen und er beteiligt sich. So konnten wir die Plattform programmieren lassen.

War die Rollenverteilung eigentlich von Anfang an klar? Hat sich das natürlich ­ergeben? Wer übernahm was?

AM: Wir hatten Visitenkarten, da stand einmal drauf Marketing Manager, einmal Sales, einmal Director – je nachdem, welchen Termin man hatte.

JH: Wir waren alles. Wir haben am Anfang alles gemacht und das war gut; im Grunde genommen war es aber auch Ressourcenverschwendung.

AM: Ja, Ressourcenverschwendung, aber auch gut, weil jeder für den anderen einspringen konnte. Wenn ich nicht da war, konnte Jubin mich vertreten und umgekehrt. Das war bei Stefan auch so – zu ihm haben wir auch gesagt, „Stefan, geh du hin und mach das!“ Stefan war voll dabei, diese Zeit hat uns stark zusammengebracht. Dann kam der Fernsehbericht und am nächsten Tag haben sich Kunden bei uns gemeldet – Unternehmen, die Videos wollten, so entstand auch unser Geschäftsmodell. Wir haben uns angeschaut und gesagt …

JH: … wir haben ein Geschäftsmodell! Davor haben wir das nicht gesehen, den Markt für Berufsorientierung.

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AM: Natürlich wollten die Preise wissen. Wir hatten keine Ahnung und haben gesagt: „Ja, gern kommen wir vorbei – ein Videoteam von zwei Leuten, wir machen eine HD-Produktion und das Ganze kostet 500 €.“ Natürlich hatten wir die zwei Leute, die das machen sollten, nicht. Wir hatten Anfragen: 20 Videos und eine Laufzeit von zwei Jahren. Plötzlich hatten wir Umsatz und Kunden wie Bipa oder A1. Wir hatten aber keine Firma …

JH: … wir haben über die Agentur abgerechnet …

AM: … und dann haben wir beschlossen, zu gründen.

JH: Ja, das war vor circa sechs Jahren, im Herbst.

AM: Da haben wir auch Hansi kennengelernt. Wir sind zehn Minuten zusammengesessen. Wir hatten zugesicherte Umsätze, aber keine Firma – wir trafen Hansi übrigens an seinem 60. Geburtstag und er meinte, wir müssten gründen. Zuvor waren wir ja ein Verein. Das war im Oktober 2011. Wir waren sein Geburtstagsgeschenk, hat er gesagt. (beide lachen)

JH: Das muss man sich mal vorstellen.

AM: Dann haben wir unsere Jobs aufgegeben und im März 2012 die GmbH gegründet: Stefan, Jubin, ­Manuel und ich.

JH: Wir waren sehr konservativ, was unsere geplanten Umsätze und Ausgaben betraf.

AM: Das erste Jahr haben wir Hansis Geld nicht angegriffen.

JH: Unüblich für Start-ups hatten wir laufende Umsätze, aber keine User.

AM: Wir hatten das Glück, einen Polster zu haben. Davor hatten wir da aber echt ein Jahr lang einfach gemacht, ohne dass es je um die Geldfrage ging – für uns war es logisch, dass Berufsorientierung für 14-Jährige kein Markt ist.

Das klingt fast zu gut, um wahr zu sein; so, als ob alles ganz einfach gegangen wäre. Was hat das mit Ihnen gemacht?

AM: Na ja, wir hatten viel Druck am Anfang.

JH: Ja, unheimlichen Termindruck. Wir hatten das ja in der Freizeit gemacht und eigentlich nicht vor, ein Start-up zu gründen. Wir sind über die letzten sechs Jahre bei diesem offenen Mindset geblieben und überall so reingegangen. Vieles ist einfach passiert, und auch, wenn Leute uns für unsere Offenheit kritisiert und gesagt haben, das funktioniere nicht, sind wir bei der Offenheit geblieben. So hat sich auch jedes Investment bis heute ergeben. Die Entwicklung als Unternehmen, da gab es massiven Druck.

AM: Den haben wir uns aber auch selbst gemacht. Wir hatten alle Jobs oder ein Studium. Es war eigentlich für alles gesorgt, Whatchado war ein Add-on. Als wir uns dann auf diese Reise eingelassen hatten, kamen Ängste.

JH: Mein Vater hat gesagt: „Nebenbei was machen, deinen Job kündigen, bist du Mutter Teresa? Oder die Caritas?“ Er fragte, wie wir damit Geld verdienen wollen und warum ich meinen sicheren Job mit 14 Gehältern kündige. „Du machst etwas, wo niemand weiss, was das ist: Leuten Fragen stellen.“ Das war natürlich verletzend damals, wenn der eigene Vater nicht an das glaubt, was man macht. Aber ich verstehe es auch, für ihn war es einfach nicht greifbar. Das erste Mal, als er dann gesagt hat, das könne funktionieren, war, als er davon im Radio hörte.

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AM: Meine Mama hat sich damals um Langzeitarbeitslose gekümmert. Als ich ihr gesagt habe, dass ich kündige und gründe, hat sie mich gefragt, ob ich einen Vogel habe. Ohne Anstellung und Versicherung ab sofort, das sei gefährlich! Jubin und ich dachten aber immer so: Wir werden das schon machen. Leute fragen mich oft, ob sie mit Freunden gründen sollen. Ich kann sagen, es kommen so viele Dinge – bei uns in der Firma stirbt niemand, es geht nicht um Leben und Tod, trotzdem kommen dann Leute, die dich kopieren und so weiter. Du denkst dir: Verdammt! Dann siehst du, dass es dem anderen genauso geht, und da ist jemand, mit dem du das teilst.

JH: Ich hätte nie mit jemand ­an­derem gegründet als mit Ali.

AM: Ich auch nicht.

JH: Egal was wir durchgemacht haben an Problemen und Reibereien, weil wir manchmal unterschiedliche Sichtweisen haben: Ich würde nie tauschen wollen, weil wir konträr sind, aber auch gleich. Und wir ergänzen uns, sodass wir keinen blinden Fleck bekommen.

AM: Wir kennen einander seit 20 Jahren. Es gibt Dinge, die verstehe ich nicht, es gibt Dinge, die versteht er nicht. Wir hatten immer Phasen, wo wir uns jeweils nicht sicher waren, wie der andere etwas meint. Ich kann nicht erklären, was es ist. Aber das hat uns nicht geschadet. Letztens sassen wir mit Hansi zusammen und er meinte: „Jungs, ihr habt euch so entwickelt!“ Das denke ich auch. Wir haben uns in den letzten sechs Jahren mehr entwickelt als davor, weil wir plötzlich so eng waren und die Reibungen dadurch härter wurden. Das bedeutet, dass du und die Sache entweder daran zerbrechen oder sich beides weiterentwickelt.

Waren diese Reibungen eher persönlicher oder geschäftlicher Natur?

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AM: Persönlich.

JH: Ich glaube, das kannst du ohnehin nicht trennen. Wenn du mit Freunden gründest, vermischt sich das Persönliche mit dem Geschäftlichen, die Grenzen verschwimmen.

AM: Vor allem bei Whatchado. Egal was wir gemacht haben, fortgehen oder arbeiten – es war nie für uns so „Businessplan und Opportunities“. Damit haben wir uns erst beschäftigt, als wir auf Investmentsuche gegangen sind.

JH: Wir hatten drei Jahre lang keinen Businessplan, bis Ende 2013 Lucanus Polagnoli ins Unternehmen ­gekommen ist.

Wie wurde Whatchado dann eigentlich erwachsen?

JH: Sind wir erwachsen geworden?

AM: Ich wollte gerade das Gleiche sagen. Das klingt komisch, denn wenn du bei uns durchs Büro gehst, siehst du, wie verspielt alles ist.

JH: Wir zwei sind ­unterschiedlich verspielt. Lucanus ist ein guter Geschäftsführer – er ist der Erwachsene in der Organisation, weil er strukturiert ist und auf Businesspläne schaut – das ist sein Naturell.

AM: Wir sind mittlerweile auch ruhiger geworden. Trotzdem glaube ich, dass das kreative Chaos am Anfang notwendig war, um aus dem Nichts heraus etwas auf die Beine zu stellen.

JH: Irgendwann brauchst du eine Form, wo beides zusammenlaufen kann, und das war mit Lucanus und auch der Umstellung intern bei uns. Da merkst du schon, dass sich einiges verändert. Ali war immer der Motivator, der Impulsgeber, die extrem starke, treibende Kraft. Ich habe kaum einen so impulsiven Menschen gesehen – das hat Vor- und Nachteile. Impulsivität kann in jede Richtung ausschlagen. Dann brauchst du jemanden in der Organisation, der das umsetzt, die Ideen und Impulse müssen kanalisiert werden. Wenn dann neue Menschen reinkommen und auf Augenhöhe mitspielen, ist das am Anfang schon schwierig.

Heute scheinen Sie einiges anders zu sehen. Was hat das angestossen?

AM: In meinem Fall waren das körperliche Probleme. Ich konnte nicht mehr atmen, nicht mehr schlafen. Whatchado war ein Schnellzug, der unaufhaltsam gerast ist, ohne Bremse. In meinem Kopf war alles extrem schlecht oder extrem super – es hat mich zerlegt.

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Anfang 2015 habe ich gesagt: „Aus, ich will nicht mehr CEO sein, ich kann das nicht mehr weitermachen.“ Mir ging es körperlich so mies. Das Logischste war, dass jeder das macht, was er am liebsten macht. Ich wollte draussen sein, das Aussenbild bedienen, die Story erzählen. Und irgendwann ist Jubin zu mir gekommen – ein paar Mal hatten wir in der Vergangenheit auch darüber gesprochen, dass es Sinn ergeben würde, wenn er CEO ist. Wir hatten immer gesagt, dass ich der falsche CEO bin. Die Gespräche waren nicht einfach. Ich hatte solche Panik. „Was passiert mit dem Unternehmen, wenn ich nicht mehr da bin und keiner mir mehr zuhört?“, dachte ich. Du hast ja auch kaum Vorbilder, die als CEOs abtreten und aber auf andere Weise im Unternehmen bleiben. Im Juni 2015 haben wir dann bekannt gegeben, dass Jubin die operative Leitung übernimmt.

Ich wusste: Okay, das halte ich nicht aus, und bin für einen Monat abgehaut. Zehn Tage Schweigeseminar, drei Wochen Hongkong. Ich bin dann zurückgekommen, um mich auf die Rolle als Aussenbotschafter vorzubereiten. Das war extrem schwierig, weil du Dinge siehst und weisst, du kannst und willst nicht eingreifen. Ich muss sagen, dass dies jetzt die bestmögliche Konstellation ist, auch vom Output her, trotz all dieser Reibereien. Wie wir gestritten haben …!

JH: Der Clash hat uns nachhaltig geprägt. Ich habe wahrgenommen und verstanden, wie es Ali geht – und konnte nachvollziehen, dass er erst einmal ruhen muss. Gleichzeitig empfand ich es als unfair, diese Bürde jetzt alleine tragen zu müssen. Davor hatten wir ja alles gemeinsam gemacht. Ich weiss, du hast die Auszeit gebraucht, Ali, aber für mich war das echt schwer. He, jetzt bist du weg …!

AM: Ich konnte nicht mehr. Ich bin zu Hause gesessen und konnte einfach nicht mehr.

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JH: Das kann ich heute viel besser nachvollziehen als damals: Dieses „Ich kann nicht mehr, ich trete zurück!“ ist einfach gesagt, aber schwer getan, und in der Situation ist es so besser für die Organisation. Sie muss nämlich trotzdem funktionieren, auch wenn du dich zurücknimmst. Wenn die Mitarbeiter das spüren, bekommen sie Angst, und dann gab es dieses Momentum, wo Ali gesehen hat, dass er sein Baby abgeben muss. Es gab dann unterschiedliche Ansichten zur Idee und zur Kultur – die Organisation hatte aber 30 Mitarbeiter und wir eine Verantwortung. Wir müssen weitermachen, es gibt auch Erwartungshaltungen von Kunden und Usern. Es muss schnell etwas passieren. Wir hatten das Unternehmen auf Emotionen aufgebaut, Lucanos kam rein mit Sachlichkeit und einer anderen Sicht.

Wir sind da emotionaler herangegangen, und das hat uns beide – genauso, dass wir von Anfang an dabei waren – auch beeinflusst in unserem Verhältnis. Wäre ich zu dem Zeitpunkt ausgereift gewesen, hätte mich das nicht beeinflusst. Ich musste aber noch sehr viel lernen. Das hat mich mitgeprägt.

AM: Ich glaube, so, wie wir uns in den letzten Jahren entwickelt haben, kann ich mich nicht erinnern, wann ich mich in meinem Leben je so stark entwickelt habe. Ohne die Reibereien wäre das nicht gegangen und ich bin unheimlich froh, wie es jetzt ist. Jubin macht das super. Er hat eine ganz neue Klarheit geschaffen und Klarheit ist enorm wichtig.

Text: Elisabeth Woditschka | Elisabeth.Woditschka@forbes.at

Fotos: David Višnjić

Forbes Editors

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