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Sie ist die berühmteste Sportlerin der Schweiz, hocherfolgreiche Instagramerin und Star- Angreiferin der Schweizer Nationalmannschaft: Im exklusiven Forbes-Interview spricht Alisha Lehmann über den Boom im Frauenfussball, die anstehende WM im Sommer, ihre mentale Gesundheit, Periodenschmerzen im Profi- sport – und darüber, warum Neider und Hater sie kaltlassen.
Eigentlich müsste sie gestresst sein, doch Alisha Lehmann hat es nicht eilig. Um kurz nach 13 Uhr erscheint sie in einem Fotostudio in Manchesters Vorort Salford. Die Angreiferin von Aston Villa hat heute trainingsfrei, zwei Stunden ist sie von Birmingham mit ihrem Mercedes-Geländewagen zum Fotoshooting in den englischen Norden gefahren.
Zur selben Zeit reisen ihre Eltern aus der Schweiz nach England, um die Tochter im letzten Heimspiel der Saison gegen den FC Liverpool anzufeuern. Lehmann hat einen Chauffeur organisiert, der Vater und Mutter abholt und in ihr Apartment bringt. So kann sie sich den ganzen Nachmittag Zeit für das Interview und das Fotoshooting mit Forbes nehmen. „Ich mag keinen Stress. Wenn ich etwas mache, soll es perfekt sein“, sagt Lehmann.
Perfektion – ein gutes Stichwort. Denn das Leben der 24-Jährigen wirkt ziemlich perfekt, wenn man durch ihren Social-Media-Feed scrollt: Dort sieht man Lehmann am Fussballfeld in Birmingham, am Pool in Portugal; im Trikot genauso wie in der modischen Bluse. Die Schweizerin hat nicht nur über 13 Millionen Follower auf Instagram, sondern spielt auch in der besten Fussball-Liga der Welt für einen aufstrebenden Verein, der das Frauenteam ähnlich professionell betreut wie die Männer. Millionen Fans von Pfäffikon bis São Paulo blicken mit Bewunderung und vielleicht auch ein bisschen Neid auf Lehmann.
Neben Instagram hat Lehmann auf Tiktok weitere acht Millionen Follower – und ist somit die mit Abstand populärste Fussballerin der Welt und einer der erfolgreichsten Internetstars unserer Zeit. Nicht einmal ihr Schweizer Landsmann und Tennisidol Roger Federer (zwölf Millionen Follower auf Instagram) erreicht im Netz so viele Menschen. Das macht Lehmann zu einer wertvollen Markenbotschafterin und Megainfluencerin – und zur einflussreichen Stimme der Gen Z. Doch wer ist der Mensch hinter der Online-Ikone? Wie sieht ihr analoges Leben aus? Und was will die Sportlerin und aufstrebende Unternehmerin erreichen?
Seit der Europameisterschaft 2022 erlebt der Fussball der Frauen einen Boom. Der Sport gilt als neue Milliardenbranche mit gigantischem Wachstumspotenzial – nicht nur in Europa, sondern weltweit. Die Uefa spricht von einer „starken Entwicklung des Frauenfussballs in den vergangenen Jahren“. Laut ihren Berechnungen könnte sich der kommerzielle Wert des Sports in der kommenden Dekade versechsfachen und einen Wert von rund 600 Mio. € pro Jahr erreichen.
Liverpool-Trainer< Jürgen Klopp outete sich als Fan; während der EM erklärte er: „Taktisch und technisch ist es ein unglaublich hohes Niveau. Ich liebe es, mir das anzuschauen.“ Und nicht nur der Respekt und die Wertschätzung gegenüber dem Spiel der Frauen ist in der traditionell männlich dominierten Branche gewachsen, auch aus wirtschaftlicher Sicht lohnt sich, zumindest für die international renommierten Klubs, die Investition in Frauenteams – einerseits aus Imagegründen, weil der Sport zu Recht als Ausweis von Inklusion dient; andererseits generieren die Frauenteams inzwischen Profite, allerdings im Durchschnitt nur zwei Mio. €, wie die Beratungsfirma Deloitte errechnete.
Die Weltmeisterschaft im Sommer in Australien und Neuseeland soll nun beim Zuschauerinteresse neue Rekorde aufstellen. Bizarr mutet allerdings im Vorfeld des Turniers der Streit zwischen Fifa und TV-Sendern an: Der Verband treibt die Preise für die Übertragungsrechte in die Höhe; die Fifa bringt die „moralische Verantwortung“ ins Spiel und setzt damit die Sender unter Druck. Die deutsche ARD verweist auf ihr „marktgerechtes“ Angebot – das natürlich weit unter den Preisen für die Übertragung der Männer-WM liegt.
Unabhängig davon, wer das Turnier zeigt und wie die Rechteverhandlungen ausgehen: Für Lehmann soll die kommende Weltmeisterschaft ein Karriere-Highlight werden. Die EM 2022 hatte sie verpasst – offiziell zog sie sich aus „persönlichen Gründen“ aus dem Schweizer Nationalteam zurück. Es wurde über ein Zerwürfnis mit dem ehemaligen Trainer Nils Nielsen spekuliert. Äussern will sich Lehmann nicht mehr dazu; sie blicke nur nach vorne, sagt sie. Der neuen Trainerin Inka Grings bot Lehmann ihr Comeback an – und beide können offenbar gut miteinander. Von Grings Arbeit ist die Angreiferin begeistert: „Ihre deutsche Mentalität tut dem Team gut. Sie pusht uns.“
Seit der Europameisterschaft 2022 erlebt der Fussball der Frauen einen Boom. Der Sport gilt als neue Milliardenbranche mit gigantischem Wachstumspotenzial – nicht nur in Europa, sondern weltweit. Die Uefa spricht von einer „starken Entwicklung des Frauenfussballs in den vergangenen Jahren“. Laut ihren Berechnungen könnte sich der kommerzielle Wert des Sports in der kommenden Dekade versechsfachen und einen Wert von rund 600 Mio. € pro Jahr erreichen.
Liverpool-Trainer Jürgen Klopp outete sich als Fan; während der EM erklärte er: „Taktisch und technisch ist es ein unglaublich hohes Niveau. Ich liebe es, mir das anzuschauen.“ Und nicht nur der Respekt und die Wertschätzung gegenüber dem Spiel der Frauen ist in der traditionell männlich dominierten Branche gewachsen, auch aus wirtschaftlicher Sicht lohnt sich, zumindest für die international renommierten Klubs, die Investition in Frauenteams – einerseits aus Imagegründen, weil der Sport zu Recht als Ausweis von Inklusion dient; andererseits generieren die Frauenteams inzwischen Profite, allerdings im Durchschnitt nur zwei Mio. €, wie die Beratungsfirma Deloitte errechnete.
Die Weltmeisterschaft im Sommer in Australien und Neuseeland soll nun beim Zuschauerinteresse neue Rekorde aufstellen. Bizarr mutet allerdings im Vorfeld des Turniers der Streit zwischen Fifa und TV-Sendern an: Der Verband treibt die Preise für die Übertragungsrechte in die Höhe; die Fifa bringt die „moralische Verantwortung“ ins Spiel und setzt damit die Sender unter Druck. Die deutsche ARD verweist auf ihr „marktgerechtes“ Angebot – das natürlich weit unter den Preisen für die Übertragung der Männer-WM liegt.
Unabhängig davon, wer das Turnier zeigt und wie die Rechteverhandlungen ausgehen: Für Lehmann soll die kommende Weltmeisterschaft ein Karriere-Highlight werden. Die EM 2022 hatte sie verpasst – offiziell zog sie sich aus „persönlichen Gründen“ aus dem Schweizer Nationalteam zurück. Es wurde über ein Zerwürfnis mit dem ehemaligen Trainer Nils Nielsen spekuliert. Äussern will sich Lehmann nicht mehr dazu; sie blicke nur nach vorne, sagt sie. Der neuen Trainerin Inka Grings bot Lehmann ihr Comeback an – und beide können offenbar gut miteinander. Von Grings Arbeit ist die Angreiferin begeistert: „Ihre deutsche Mentalität tut dem Team gut. Sie pusht uns.“
Aufgewachsen ist Lehmann in Tägertschi, einer kleinen ländlichen Gemeinde zwischen Bern und Thun. Die Mutter ist Zahnärztin, der Vater Architekt, zu Hause ist man auf einem Hof mit Pferden, Hunden und Katzen; die Tante wohnt gleich nebenan. Lehmann entdeckt bereits als Sechsjährige, dass sie mehr Talent hat als viele Jungs, mit denen sie Fussball spielt. Schon mit 19 Jahren wechselt sie vom Frauenteam der Young Boys Bern ins Ausland, nach London, zu West Ham United. „Viele haben damals gesagt: ‚Du bist doch noch zu jung für diesen Schritt!‘, aber meine innere Stimme hat gesagt: ‚Das musst du machen.‘“ Ihre Eltern hätten sie immer gefördert und nicht auf eine klassische Ausbildung oder ein Studium beharrt. Wenn es mit dem Fussball nichts geworden wäre, hätte sie wohl Recht oder Medizin studiert.
Längst wird ihr auch in der Popkultur gehuldigt: Rapperin und „Under 30“-Listmakerin Shirin David, mit der sie befreundet ist, widmete ihr im Song „Babsi Bars“eine Zeile: „Kontrollier das Game wie Alisha Lehmann beim Fussballspiel“, heisst es da. Doch auf dem Platz kontrollierte Lehmann das Game nicht immer den hohen Erwartungen entsprechend – sie wurde von West Ham an Everton verliehen und wechselte 2021 zu Aston Villa, wo sie in dieser Saison in 20 Spielen fünf Tore erzielt hat und vielleicht ihre beste Zeit erlebt. Eine klassische Torjägerin ist sie nicht; sie soll Aussenstürmerin Rachel Daly bedienen, die aktuell erfolgreichste Torjägerin der englischen Women’s Super League.
Doch Lehmanns Statistiken interessieren viele ihrer Sponsoren eher nur am Rande. Ihr Erfolg als Werbeikone ist längst nicht nur von ihrer Form abhängig, so gewaltig ist ihre Strahlkraft. Sie wirbt für Coca-Cola und Adidas, beim Computerspiel Fifa 23 von EA Sports ist sie Markenbotschafterin und hat im Spiel ihre eigene Kollektion. In ihrem Online-Webshop verkauft sie von der Trinkflasche bis zum Kalender Produkte unter der Brand Alisha Lehmann – und sie unterstützt die Gaming-App Bootbag, in der Spieler ihr Fussballfachwissen testen können.
Lehmanns Aufstieg zur globalen Online-Ikone vollzog sich rasant. Allein in den vergangenen sechs Monaten wuchs ihr Instagram-Account um weitere sieben Millionen Follower. Influencer mit Lehmanns Reichweite können mit einem gesponserten Post locker 20.000 € einnehmen. Mit zwei Posts hätte sie demnach fast so viel verdient wie eine andere englische Profispielerin im ganzen Jahr – denn das durchschnittliche Jahresgehalt einer Spielerin in der obersten Frauenliga liegt laut der BBC bei rund 50.000 € im Jahr.
Durch die Popularität des Sports steigen die Gehälter allerdings rasant. Topstars wie Arsenal-Kapitänin Leah Williamson verdienen demnach rund 250.000 € im Jahr (zum Vergleich: Bei den Männern verdient ein Leistungsträger diesen Betrag pro Woche). Dazu kommen Sponsorendeals, die ebenfalls mit zunehmender Aufmerksamkeit lukrativer werden.
Bei Olympique Lyon, dem Seriengewinner der Frauen-Champions-League, liegen die Gehälter für die bekanntesten Stars sogar bei einer halben Million €. Und die Amerikanerinnen Alex Morgan und Megan Rapinoe sind mit mehr als 5 Mio. US-$ an Einkünften laut Forbes die vermögendsten Fussballerinnen.
Lehmanns Gehalt bei Aston Villa ist eher durchschnittlich, der Klub gehört nicht zur Elite in der Women’s Super League. Doch Lehmanns Businesskonzept beruhe vor allem auf Werbekampagnen für globale Marken, sagt ihre Beraterin Dawn Goddard. Ihre Klientin sei eine Athletin, keine Influencerin, die einzelne Produkte bewirbt. Unter den Markenbotschaftern zählt Lehmann dank ihrer Popularität zu den Bestverdienern ihrer Branche.
Ihre Reichweite und ihren Einfluss nutzt Lehmann auch, um auf frauenspezifische Themen im Sport aufmerksam zu machen, etwa darauf, wie der Menstruationszyklus Leistung und Verletzungsanfälligkeit beeinflusst. Alexia Putellas (Barcelona), Dzsenifer Marozsán (Lyon), Beth Mead oder Leah Williamson (Arsenal) sowie Giulia Gwinn (FC Bayern) zählen zu den besten Fussballerinnen der Gegenwart und rissen sich im vergangenen Jahr das Kreuzband – mitunter schon zum zweiten Mal. Warum sich gerade Frauen fünfmal häufiger diese Verletzung zuziehen, ist noch nicht erforscht. Die geringere Muskelmasse oder eine erhöhte Tendenz zu X-Beinen könnten das Risiko steigern – und auch die Periode könnte eine Ursache sein. Als sie sich 2019 schwer am Sprunggelenk verletzte, hatte Lehmann ebenfalls ihre Periode gehabt.
Auch darum fordert sie nun eine bessere Betreuung von Sportlerinnen und lobt dabei den FC Chelsea: Dort hat das Frauenteam einen eigenen Coach, der mit Nahrungsergänzungsmitteln und einem individuellen Trainingsprogramm auf den Menstruationszyklus einer Spielerin reagiert. Spielerinnen nutzen dafür auch eine App, um Informationen zum Zyklus mit dem Betreuerstab zu teilen. „Als ich jünger war, habe ich trotz heftiger Periodenschmerzen immer durchgespielt. Inzwischen habe ich aber seltener schwere Schmerzen“, sagt Lehmann.
Abseits der Online-Inszenierung ist Lehmann weitaus bodenständiger, als es ihr Instagram-Profil vielleicht vermuten lässt. Sie kocht für ihre Mitspielerinnen Älplermagronen (Schweizer Rahm-Makkaroni) oder bringt ihnen selbst gemachtes Apfelmus mit in die Kabine. Ihr Lieblingstier ist der Gepard, das schnellste Landtier der Welt; sie hat es sich auf den Arm tätowieren lassen. Weil sie mit Mitspielerinnen im Bus auf Auswärtsfahrt gerne Blackjack und Poker spielt, trägt sie eine Krone auf dem Finger – als Symbol für die Königin im Kartenspiel.
Irgendwann will Lehmann in die Schweiz zurückkehren: „Es ist einfach ein megagutes Land, vor allem das Essen ist dort viel besser!“ Doch ihr Leben ist derzeit zu aufregend, um auch noch Zukunftspläne zu schmieden. Ihr Motto hat sie sich auf den Hals stechen lassen: „Be brave“ – sei mutig. Dazu passt ihre Laufbahn, in der sie stets ihre eigenen Wünsche und Ziele verfolgt hat, mit Ehrgeiz und Eigenständigkeit. Als Sportlerin und Unternehmerin steht Lehmann immer noch am Anfang ihrer Karriere. Ihre Strahlkraft, so ihre Managerin, wirke in allen Kulturkreisen, längst sei Alisha eine globale Ikone. „Sie hat etwas Einzigartiges, das sie von den meisten anderen Stars abhebt.“
Als Alisha Lehmann nach fast zwei Stunden in der Maske im Trikot der Schweizer Nationalelf vor der Kamera erscheint, ist ihr Auftritt makellos. Das Make-up, die langen blonden Haare, die lackierten Nägel, die schwarzen Wimpern – eine mit viel Aufwand modellierte Maske. Und sie sitzt – wie immer – perfekt.
Fotos: Perou