Agenten des Wandels

Die Trinkwasserindustrie ist einer der Hauptproduzenten von Plastik, ihre Lieferkette belastet die Umwelt. Laut Statista wurden in Österreich im Jahr 2020 rund 809 Millionen Liter abgepacktes Wasser getrunken – die Ironie liegt darin, dass eines unserer Grundbedürfnisse mit einer der grössten Bedrohungen für unsere Umwelt verwoben ist. Diese Problematik zu lösen ist das Ziel von zahlreichen Unternehmen, darunter auch Mitte und Waterdrop.

Moritz Waldstein-Wartenberg, CEO von Mitte, erzählt von jenem Tag, an dem einer seiner Kollegen in den Gemeinschaftsraum kam, einige leere Tassen sah, die ihm nicht gehörten, und sie trotzdem ­abräumte. „Das ist die richtige Einstellung“, dachte er, „weshalb sollte man nicht etwas für die Umgebung tun, in der man sich befindet, während man sowieso auf den Kaffee wartet?“ In diesem scheinbar unbe­deutenden Moment prägte er das Motto von Mitte: „Besser als vorher!“

Mitte, ein Wasserreinigungs-Start-up, das Waldstein-Wartenberg 2016 zusammen mit Faebian Bastiman gegründet hat (CMO Karan Sarin kam später dazu), hat sich zum Ziel gesetzt, Trinkwasser zu Hause zu filtern und zu mineralisieren. Dadurch soll die Lieferkette für abgefülltes Wasser unterbrochen und der Plastikverbrauch drastisch reduziert werden. Die Verantwortung, den Plastik­verbrauch zu reduzieren, liegt laut Waldstein-Wartenberg nicht nur bei den Kunden oder Regierungen, sondern auch bei den Unternehmen: „Man sollte die Wirtschaft als Agent des Wandels in den wirklich wichtigen Bereichen sehen“, meint der Unternehmer. „Für mich sind das der ökonomische, der ökologische und der soziale Nutzen.“

Waldstein-Wartenberg hat eine breite Palette internationaler Erfahrungen gesammelt. Geboren in Salzburg ging er in den Vereinigten Staaten zur Schule. Nach seinem Bachelor-Abschluss in Geschichte an der Uni Wien absolvierte er ein Wirtschafts­­studium, das ihn in drei Jahren nach Paris, London und Berlin führte. „Zwei Dinge motivieren mich“, sagt er. „Der Sinn in den Dingen, die ich tue, und die Tatsache, dass ich diese Dinge tun kann.“ Im Jahr 2007 gründete er zusammen mit seinem Bruder die NGO Project E, die jungen Frauen in Äthiopien Bildungs­chancen eröffnen sollte. Nach einer zweijährigen Station beim Berater Roland Berger gründete er sein nächstes Start-up: Coffee Circle. Die Idee dahinter war, den Bauern einen direkten Zugang zum Kaf­feemarkt und den Kunden einen direkten Zugang zu Qualitätskaffee zu ermöglichen.

Mitte Home, das erste Produkt von Mitte, wurde am 26. Oktober 2021 eingeführt. Das Gerät reinigt und mineralisiert Leitungswasser. So soll der Verbrauch von abgefülltem Wasser reduziert und damit die Lieferkette für Plastikflaschen verkürzt werden.

Es dauerte dann nicht lange, bis Waldstein-Wartenberg klar war, dass die Art und Weise, wie der Markt für abgefülltes Wasser funktioniert, keinen Sinn ergibt. „Das muss sich ändern, und das wird es auch“, betont er. Mit 35 Mio. € von externen Investoren, darunter Atlantic Food Labs und Danone Manifesto Ventures, hat sein Unternehmen Mitte am 26. Oktober 2021 sein erstes Produkt in Deutschland eingeführt: Mitte Home. Inspiriert vom natürlichen Wasserkreislauf war die Idee, den Weg nachzubilden, wie Wasser über Hunderte von Jahren durch Gestein fliesst, gereinigt wird und Mineralien aufnimmt. „Wir schrumpfen die Natur und stecken sie in ein Gerät.“, erklärt der CEO.

Die Markteinführung von Mitte Home fand jedoch mit einer Verzögerung von drei Jahren statt. „Ich habe völlig unterschätzt, wie kompliziert es sein kann, eine intelligente Maschine für den Heimgebrauch in Lebensmittelqualität zu bauen“, sagt Waldstein-Wartenberg. „Wir haben oft gedacht, dass wir bereits die Entwicklungsphase erreicht haben, obwohl wir uns noch in der Forschung befanden, in der es weiterhin viele unbekannte Faktoren gibt.“ Wie positioniert sich Mitte auf dem Markt? „Das ist die Herausforderung", ant­wortet Waldstein-Wartenberg „Wir eröffnen eine neue Kategorie an Trinkwasserprodukten, die eine nachhaltigere Alternative zu Flaschenwasser bietet”. Eine andere Lösung für das ­gleiche Problem kommt vom öster­reichischen Unternehmen Waterdrop. Das Mikrogetränke­unter­nehmen versucht seit 2017, die Menschen dazu zu bringen, mehr Wasser zu trinken, indem diesem verschiedene Geschmacksrichtungen hinzugefügt werden. Dadurch soll der Konsum von ungesunden Getränken aus Plastikflaschen reduziert werden. Das Unternehmen, das rund eine Million Kunden erreicht und ganz Europa sowie die USA beliefert, gab am 1. Februar 2022 eine Series-B-­Finanzierung in Höhe von 60 Millionen € bekannt.

Die Motivation der Gründer Henry und Martin Murray ist ähnlich der von Waldstein-­Wartenberg: den Zwischenhändler auszuschalten. „Das Geschäftsmodell, Wasser mit der Beigabe von Zucker in Plastikflaschen abzufüllen und um die Welt zu transportieren, ist eine Katastrophe“, kommentiert Martin Murray, CEO von Waterdrop. „Ich würde die Giganten der Getränke­industrie als Supply-Chain-Unternehmen betrachten, nicht als Pro­duktunternehmen.“

Moritz Waldstein-Wartenberg
...studierte Geschichte an der Universität Wien und Internationales Management an der ESCP Business School. Neben einer zwei­jährigen Tätigkeit bei der Strategie­beratung Roland Berger war er an zahlreichen Projekten beteiligt und gründete zwei Start-ups. Dazu gehören die NGO Project-E, das E-Commerce-Social-Business Coffee Circle und nicht zuletzt Mitte.

Wenn Henry Murray, COO und Mitbegründer von Waterdrop, über die innovativen Kräfte der Getränke­industrie spricht, erwähnt er die Bedeutung neuer dynamischer Ressourcen in Ver­bindung mit grossem Engagement. Daraus ergeben sich zwei Perspek­tiven: „Das Problem aus Sicht der Industrie ist, dass die grossen Unternehmen innovativ sein wollen, aber gleich­zeitig Marktführer sind und hohe Gewinne machen“, erklärt er. Die andere Sichtweise ist die des ­Kunden: Seiner Meinung nach wollen diese Teil der Gemeinschaft sein und den Wandel mitgestalten. Allerdings beobachtet er ein Glaubwürdigkeitsproblem zwischen den Missionen der grossen Unter­nehmen und den Kunden. „Ich habe selten ein zweckorientiertes Nachhaltigkeitskonzept eines etablierten Unter­nehmens gesehen“, sagt er.

Wie wird die Zukunft bezüglich der Verfügbarkeit von Wasser und des Verbrauchs von Plastik aussehen? Die Mitbegründer von Waterdrop gehen davon aus, dass der Verbrauch von Leitungswasser zunehmen wird; in Regionen, in denen Leitungs­wasser nicht trinkbar ist, werden sich Fil­ter­systeme immer mehr durchsetzen.

Die Verfügbarkeit von sauberem Wasser zu erhöhen ist eines der Ziele für Mitte. Doch für das Unternehmen ist neben der Filtration auch die Mineralisierung sehr zentral, denn durch die Filterung werden automatisch nützliche und gesunde Stoffe entfernt. „Ich ­halte es nicht für sinnvoll, einen weiteren Wasserfilter zu entwickeln. Das bringt die Sache nicht wirklich voran“, so Waldstein-Wartenberg. Was Waterdrop hin­gegen macht, geht den anderen Teil des Wasser-Plastik-Problems an: den Menschen Lust auf Leitungswasser zu machen. In diesem Sinne dienen beide Lösungen, jene von Mitte ebenso wie jene von Waterdrop, dem gleichen Ziel, das Martin Murray so beschreibt: „Die Vision sollte eine Welt sein, in der man nichts mehr in Flaschen abfüllen muss.“

Text: Ekin Deniz Dere
Foto: Mitte

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 1–22 zum Thema „Ressourcen“.

Ekin Deniz Dere,
Redakteurin

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