ZUGANG ZU GELD

Vom Handelslehrling zum Serial Entrepreneur: So lässt sich das Leben von Angelyne Larcher plakativ betiteln. Die Kenianerin kam 2007 mit ihrem Mann in die Schweiz und baute sich mehrere Standbeine auf – unter anderem das Fintech-Unternehmen Fea Money, das gemeinsam mit Partnern wie Mastercard Frauen dabei unterstützt, ihr Kapital zu vergrössern.

Frauen machen laut einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey inzwischen 53 % des Berufsfelds Finance aus – sie verdienen allerdings um 75 % weniger als Männer, und weniger als ein Drittel der weiblichen Beschäftigten ist im C-Level tätig. Dass Frauen in der Finanzbranche Unterstützung benötigen, weiss auch Angelyne Larcher; deshalb gründete sie im Februar 2021 die Fintech-Plattform Fea Money. Über Fea Money können Frauen eine auf sie zugeschnittene Debit-Mastercard beziehen. Wenn sie mit ihrer Karte Geld ausgeben, erhalten die Kundinnen Cashback zurück, welches anschliessend in­vestiert oder auch gespart werden kann – dabei werden sie die ganze Zeit über von Fea Money beraten. Gleichzeitig bietet das Unternehmen online eine „Financial Literacy School“ an, über die sich Kundinnen Finanzwissen aneignen können. „Frauen fehlt momentan einerseits das richtige Produkt und andererseits das richtige Mindset, um sich in die Finanzbranche zu trauen – und das bieten wir“, sagt Larcher. So sollen Frauen durch Fea Money auf ihrem Weg in die Unabhängigkeit unterstützt und ihre Finanzbildung gefördert werden. Denn wenn die Wahlzürcherin eines kennt, dann die Herausforderungen am Beginn einer Karriere in der Finanzbranche.

Vor 15 Jahren zog die Kenianerin mit ihrem Mann in die Schweiz. Während sie in ihrem Heimatland als Restaurantmanagerin tätig war, blieb die junge Mutter auf Bitte ihres Mannes in der Schweiz die ersten zwei Jahre bei ihrer Tochter zu Hause. Larcher wollte allerdings nicht abhängig bleiben; sie schloss eine Lehre zur Detailhandelskauffrau ab und ging zum Deutschunterricht. Dort vernetzte sie sich mit anderen Teilnehmerinnen und sah immer klarer, dass es eine grosse Notwendigkeit gab, Frauen auf ihrem Weg in die Unabhängigkeit zu unterstützen. Larcher begann, Banking Operations am Cambridge International College zu studieren, und startete kurz darauf bei Travelex Money als Cash Sales Consultant. „Durch meine Erfahrung bei Travelex Money öffneten sich viele neue Türen für mich und ich hatte die Möglichkeit, mich in der Finanzwelt zu etablieren“, so Larcher. Es folgte ein Abschluss in Fundraising Management an der ZHAWS (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) und später ein Diplom in Financial Services von der Universität St. Gallen. 2018 gründete Larcher mit dem Co-Working-Space und Business Club Ladyboss ihr erstes Unternehmen. Dort bietet sie für 299 CHF monatlich oder 35 CHF pro Tag Büroräumlichkeiten sowie eine Business-Club-Mitgliedschaft, eine Gratis-Debit-Card und die für Unternehmerinnen so wichtige Postanschrift an. Vor Corona hatte Ladyboss über 50 Mitglieder – neben dem Business Club startete Larcher in den folgenden Jahren auch ihr eigenes Unternehmensmagazin Swiss Entrepreneurs Magazine. Dieses betreibt sie momentan aber nicht mehr aktiv. Nun möchte sich die 45-Jährige auf den Aufbau von Fea Money konzentrieren.

Im Februar 2021 gegründet zählt das Fintech-Unternehmen im Moment drei Partner. Neben Larcher stehen Luis Franceschi und Selma Wobben an der Spitze. Während die Financial Literacy School bereits über die Website verfügbar ist, wurde der Launch des digitalen Bankings aufgrund von Corona auf 2022 verschoben. Gemeinsam mit Mastercard und der Hypothekenbank Lenzburg wird dieser Teil von Fea Money nun im Herbst dieses Jahres auf den Markt gebracht.

Angelyne Larcher steht bereits jetzt in den Startlöchern, ihren Herzenswunsch, Frauen in die Unabhängigkeit zu helfen, verwirklichen zu können. Auch sie selbst erinnert sich noch zu gut an ihre ersten Jahre in der Schweiz, in denen sie kein eigenes Konto hatte, oder als später ihre Kreditkartenabrechnungen auch ihrem Mann zugeschickt wurden. „Eine Frau ist erst dann sicher, wenn sie ihr eigenes Geld auf der Seite hat“, lautet das Credo der Unternehmerin, das ihr bereits ihre Mutter eingetrichtert hat. Ausserdem vertrage die Branche noch weiblichen Input, findet Larcher.

Angelyne Larcher möchte durch ihre Unternehmen Ladyboss und Fea Money Frauen in ihrer finanziellen Unabhängigkeit unterstützen.

Während die Repäsentantinnen in der Finanzwelt zwar stetig mehr werden, ist es vor allem die allgemeine Finanzbildung von Frauen, die zu wünschen übrig lässt. Bei einer 2021 durchgeführten Studie des Netzwerks „Frau in der Wirtschaft“ der Wirtschaftskammer Wien (WKW) gaben 46 % der Unternehmerinnen an, sich nicht mit Finanzen auszukennen. Wieder 46 % davon begründen diesen Zustand mit ihrer eigenen Unsicherheit. Warum Frauen sich tendenziell schlechter mit Finanzen auskennen, erklärte die Finanzforscherin Alexandra Niessen-Ruenzi vergangenes Jahr gegenüber Business Insider: „Ein Grundproblem ist die Sozialisation – Untersuchungen zeigen, dass mit Mädchen weniger über Geld gesprochen wird“; in der traditionellen Familie kümmere sich eher der Mann um das Geldmanagement, in der Schule mangle es an Finanzbildung, so Niessen-Ruenzi damals. Auch in puncto Geldanlagen ist das Gewicht ungleich verteilt: Während laut dem Deutschen Aktieninstitut 3,8 % der deutschen Männer im Jahr 2020 Aktien besassen, waren es bei Frauen mit 1,6 % weniger als halb so viele. Auf knapp 6 % der deutschen Männer, die ihr Geld in Fonds investieren, kommen nur 3,5 % der Frauen. Am Talent – wenn man es so nennen mag – liegt es allerdings nicht: Laut einer Privatanlegeranalyse der ING-Diba erzielten Frauen 2019 bessere Renditen als Männer.

Den Bedarf bei der Unterstützung von Frauen im Finanzwesen hat Angelyne Larcher aber nicht als Einzige erkannt. Natascha Wegelin von Madame Moneypenny erwirtschaftete mit ihren auf Frauen zugeschnittenen Workshops und Büchern rund um Finanzwissen bereits Millionenbeträge (Forbes DA berichtete); das deutsche Start-up Finmarie erhielt vergangenen Herbst 1,4 Mio. € für den Ausbau seiner digitalen Finanzplattform. Auch in den USA hat mit Jefa ein Start-up, das sich auf digitales Banking für Frauen spezialisiert, gerade zwei Mio. US-$ in seiner Seed-Runde aufgestellt. Die genannten Start-ups sind nur eine verkürzte Reihe an Namen, die sich den Branchentrend zu eigen gemacht haben.

Dass das Timing gut und die Nachfrage vorhanden ist, weiss auch Larcher. Anderen Frauen, die gerne ihr eigenes Unternehmen aufbauen möchten, rät sie, das Risiko einzugehen: „Ich weiss, warum sich viele Frauen nicht trauen, ins Unternehmertum zu gehen – sie haben Angst, kein Geld aufstellen zu können. Kein Investment zu bekommen ist meiner Meinung nach die grösste Sorge von Unternehmerinnen in spe. Aber manchmal muss man den Sprung ins kalte Wasser einfach wagen“, so Larcher.

Fotos: Mara Truog

Sophie Ströbitzer

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