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Einen guten Text zu schreiben dauert seine Zeit, darüber hinaus benötigt der Autor Hintergrundwissen und muss die grammatikalischen Grundregeln beherrschen. Für Maschinen ist das kein Problem – sie schaffen das heutzutage bereits in Sekundenschnelle.
Die „Frankfurter Bibliothek“ der Brentano-Gesellschaft ist ein jährlich erscheinender Gedichtband, in ihm soll Lyrik „aus der Mitte unseres Volks“ abgedruckt werden. In diese Mitte schaffte es 2018 auch ein nicht menschlicher Kandidat: GPT-3 von Open AI verfasste „Sonnenblicke auf der Flucht“, eingereicht wurde das Gedicht anonym von Tunnel 23. Am Tag der Poesie verkündete die Wiener Werbeagentur, wer die Zeilen produziert hatte: „Als wir das Geheimnis lüfteten, war der Aufschrei gross“, erinnert sich der Gründer und ehemalige CEO von Tunnel 23, Michael Katzlberger.
Sich selbst bezeichnet Katzlberger als „KI-Enthusiast“. Um seiner Leidenschaft nachzugehen, verliess er im Frühjahr 2021 Tunnel 23. Seitdem bereichert er über katzlberger.ai die Kreativbranche durch KI-generierte Texte, Bilder, Videos und Musik. Zu seinen Kunden gehören IBM Deutschland, der Art Directors Club Switzerland oder die Neue Zürcher Zeitung. „Die Nachfrage ist hoch und steigt weiter“, sagt Katzlberger. Seine Kunden freuen sich über den „frischen Wind“, den er mit künstlich erzeugtem Content liefert. Der grosse Vorteil von KI-Inhalten: „Unser Modell ist enorm skalierbar und damit wirtschaftlich hochinteressant“, so Katzlberger. Viel Umsatz macht er mit seinem Konzept noch nicht, aktuell sind es 30.000 € im Jahr. Aber er sieht das entspannt: „Ein schnelllebiger, krisengebeutelter Markt braucht datengetriebene maschinelle Intelligenz. Das steht ausser Frage.“
Einmal trainiert kann die KI schnell grosse Mengen an Text produzieren. Besonders praktisch ist die Geschwindigkeit für die Werbebranche, hier müssen schnell Texte erstellt werden. Darüber hinaus kann die KI neue Wörter kreieren – das ist etwa bei der Lancierung eines neuen Automodells nützlich, wenn ein neuer Name gebraucht wird. „Es kann auch als Werkzeug zur Inspiration genutzt werden“, so Katzlberger, „wenn ein Schriftsteller oder Drehbuchautor eine Schreibhemmung hat.“
Für Katzlberger handelt es sich bei den KI-kreierten Werken um Kunst, „denn die Maschine kann durch ein Produkt, das sie erschaffen hat, Emotionen auslösen“. Er vergleicht den Arbeitsprozess der Maschine mit dem des Menschen: „Wir erschaffen mit den Mitteln, die wir erlernt haben, und den Werkzeugen, die uns zur Verfügung stehen, etwas Neues.“ Statt mit Daten werden wir Menschen mit Fähigkeiten – etwa einen Stift zu führen oder einen Reim zu erkennen – gefüttert.
Auch die Künstlerin Johanna Reich arbeitet mit KI-generierten Texten. Sie alleine sind für Reich aber noch keine Kunst: „Die KI gibt eine Million Gedichte heraus, das fühlt sich belanglos an.“ Sie findet, dass erst die Emotionen und Erfahrungen des Verfassers das Gedicht zu etwas Besonderem machen. „Wir haben als Menschen Interesse an anderen Menschen“, meint Reich.
Die Texte, die KIs produzieren, sind zwar gut, aber nicht kreativ. „Das ist erst der Fall, sobald sich eine KI zu einer Superintelligenz entwickelt“, erklärt Katzlberger. Reich ergänzt: „Erst wenn die KI sagt: ,Ich habe heute das Bedürfnis, ein Gedicht zu schreiben‘, dann ist es auch wirklich Kunst.“ Vorteile bringen KIs in der Kreativbranche aber heute schon: Megatron von Nvidia, ein Programm, mit dem sich Sprachmodelle trainieren lassen, sagt dazu: „Das Aufkommen von KI und kreativen Partnerschaften mit KI wird die Kreativität steigern. Nutzen wir das, um die Grenzen zu verschieben.“
Michael Katzlberger
...berät über katzlberger.ai Unternehmen und teilt sein KI-Wissen in Seminaren, Lehrveranstaltungen und Gastvorträgen.
Johanna Reich
...ist Künstlerin und unterrichtet an der Akademie der Bildenden Künste in München.
Text: Juli Sixel
Illustration: KI Noah 9000
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 3–22 zum Thema „KI“.