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Die Hotelbranche hat es schwer: Steigende Preise, Personalmangel und die Folgen der Covid-Pandemie setzen den Beherbergungsbetrieben zu. Trotzdem wagt der Unternehmer Bernd Schlacher mit der Eröffnung des Wiener „Hotel Motto“ die Expansion – und baut seine millionenschwere Motto-Gruppe mit einer Eventlocation weiter aus. Ein riskantes Manöver oder genau die richtige Strategie in turbulenten Zeiten? Zu Besuch bei einem chronischen Optimisten.
Bernd Schlacher hat Stil. Das ist ein Satz, den ein Journalist nicht so einfach tippt – doch sobald man das neue Hotel Motto in Wien betritt, ist diese Tatsache – trotz der nötigen Distanz – nicht mehr von der Hand zu weisen. Das Gebäude, das aus dem 17. Jahrhundert stammt und ehemals das Hotel Kummer beherbergte, hat der Hotelier renoviert und modernisiert, doch Elemente aus den 1920er-Jahren blieben. Der Stil erinnert an Jahrhundertwende, Art déco und skandinavische Schlichtheit; ein Teil der Einrichtung stammt aus dem Hotel Ritz in Paris.
Hier passt so ziemlich alles: das Mobiliar zum Muster des Bodens, die Wandfarbe zum Licht, die Accessoires zur Atmosphäre. Und dann trifft man den Hausherrn im Restaurant Chez Bernard im siebenten Stock des Hotels. Schlacher flaniert durch den Raum, gekleidet in ein grünes Sakko, eine dunkelblaue Hose, Turnschuhe und ein T-Shirt des italienischen Labels MSGM. Es wirkt fast, als wäre das alles penibel aufeinander abgestimmt – aber eben nur fast.
Schlacher ist den Wienern nicht erst seit der Eröffnung seines Hotels bekannt. Seit mehr als 30 Jahren ist er als Gastronom tätig, kaufte und verkaufte mehrere Restaurants und baute mit der Motto Group ein Unternehmen auf, das in den Bereichen Catering, Gastronomie und Hotellerie auf einen Jahresumsatz von rund 50 Mio. € kommt. Mit dem Hotel Motto an der Wiener Mariahilfer Strasse erfüllte sich Schlacher einen langjährigen Traum: „Ich fand schon immer, dass ein solches Hotel in Wien fehlt. Unser Motto lautet: Paris trifft das Wien der 20er-Jahre. Es war wirklich viel Arbeit, aber es ist besser geworden, als ich es mir erhofft hatte.“
Bisher schien es, als würde so ziemlich alles, was Schlacher anfasst, zu Gold. Doch die letzten beiden Jahre verlangten dem erfolgsverwöhnten Unternehmer alles ab. Die Covid-Pandemie, die zu weitreichenden Schliessungen, Umsatzverlusten und Unsicherheit in der Gastronomie- und Hotelbranche führte, hinterliess auch bei Schlacher Spuren. „Manchmal war ich als Unternehmer wirklich verzweifelt, da wir ja nicht wussten, wie es weitergeht“, erzählt er bei einem Glas Limonade. „Wir haben keine Mitarbeiter gekündigt, doch ich musste mich erstmals ernsthaft fragen, ob mein Unternehmen vielleicht in Konkurs geht.“ 2020 und 2021 schrieb die Gruppe dann auch ein operatives Minus.
Doch das Schlimmste könnte nun überstanden sein und das Blatt sich langsam wenden. Eine Woche vor unserem Besuch waren die 91 Zimmer des Hotel Motto erstmals seit der Eröffnung im Oktober 2021 voll ausgebucht, wie Schlacher stolz erzählt. Doch das ursprünglich geplante Konzept habe durchaus geholfen, etwas leichter durch die schwierigen Zeiten zu kommen. „Ich mag keine Touristenlokale, und ich wollte auch nicht, dass unser Hotel und das Restaurant hier nur von Touristen besucht werden“, so Schlacher. Zeitweise seien 98 % der Restaurantgäste Wiener gewesen; selbst das Hotel hätte mit inländischen Touristen während der Reisebeschränkungen eine solide Auslastung erreicht.
Das vorläufige Ende der Covid-Pandemie scheint dem Hotelier eine Atempause zu verschaffen. Doch nun drohen steigende Inflation, erhöhte Ressourcen- und Energiekosten, Mitarbeitermangel sowie die Unsicherheit aufgrund des Kriegs in der Ukraine – und damit neue Krisen. Doch wie zuvor (das Hotel eröffnete ein paar Wochen vor dem dritten Lockdown in Österreich) reagiert Schlacher wieder mit Expansion: Denn nun eröffnet er am Cobenzl, dem Hausberg der Wiener, eine Eventlocation, in deren Umbau er insgesamt rund 15 Mio. € investiert. „Weitsicht Cobenzl“ soll eine exklusive Location für Veranstaltungen aller Art werden. Wie immer ist Schlacher auch diesmal zuversichtlich: „Plan B habe ich noch keinen.“
Die Branche feiert den Hotelier: Das Kulinarik-Magazin Falstaff zeichnete Schlacher 2021 als „Gastronom des Jahres“ aus, internationale Medien wie Travel+Leisure oder Condé Nast Traveler wählten das Hotel Motto unter die besten neuen Hotels weltweit; auch die New York Times sprach eine Empfehlung für einen Besuch aus. Viel Rückenwind also – doch kann Schlacher seine Unternehmen trotz der anstehenden Herausforderungen auch in Zukunft erfolgreich führen?
Die Anfänge der Motto Group sind bescheiden. Aus einem Lokal im fünften Wiener Gemeindebezirk Anfang der 90er-Jahre wuchsen in den folgenden 30 Jahren mehrere Gastronomieprojekte, ein Cateringbetrieb, das Hotel Motto, die Bäckerei Motto Brot sowie die Eventlocation Weitsicht Cobenzl, die im Oktober 2022 eröffnen soll.
Von den rund 50 Mio. € Jahresumsatz (brutto), mit denen Schlacher mit all seinen Projekten plant (sofern Corona keine gröberen Einschränkungen verursacht), entfällt rund die Hälfte auf das Catering sowie etwa zehn Mio. € auf das Hotel. Mit dem Projekt am Cobenzl will der Gastronom nächstes Jahr rund sieben Mio. € Jahresumsatz erzielen. Den Rest machen die weiteren Projekte aus, also Motto am Fluss und Motto Brot.
Dass das Unternehmen gut aufgestellt ist, liegt auch daran, dass Schlacher nie Angst vor Risiko hatte. Er übernahm das ursprüngliche Motto Restaurant nach einem Konkurs, nahm an der Ausschreibung für das Motto am Fluss teil, wobei eigentlich niemand glaubte, dass an diesem Standort ein florierendes Restaurant möglich ist.
In gewisser Weise ist das Weitsicht Cobenzl jedoch Schlachers riskantestes Projekt bisher – denn schon länger gibt es den Plan, die in die Jahre gekommene Location zu renovieren und neu zu beleben. Ursprünglich wurde 2017 der Unternehmer Martin Rohla als Pächter verkündet, doch Rohla sprang ab: Das Geschäft sei in Zeiten von Corona zu unsicher. Rohla ist kein unerfahrener Unternehmer – warum also glaubt Schlacher, dass er Erfolg haben kann, wo andere das Risiko scheuen?
Schlacher hat durchaus Erfahrung im Catering für grosse Events, versorgt etwa das Kongresszentrum Austria Center Vienna (ACV) sowie auch die Hofburg. Zudem organisierte er lange Jahre das Catering für den Life Ball. Auch in allen grossen Palais wie auf kleineren Events ist Motto Catering gefragt – und erzielt fast die Hälfte des Umsatzes der Gruppe.
Entstehen soll am Cobenzl neben dem renovierten Schloss inklusive Meierei auch ein Café sowie eine Eventlocation mit rund fünf Hotelzimmern. Rund 95 Sitzplätze innen sowie 200 Sitzplätze auf der Dachterrasse aussen sollen Platz finden.
Auf dem Dach des Cafés wird es zudem eine öffentlich zugängliche Aussichtsterrasse geben – eine Bedingung der Stadt Wien, die das Objekt besitzt. Die Summen sind hoch, insbesondere, da die Pächter den Umbau bezahlen – was eher unüblich ist. Das Entwicklungsunternehmen, das zu 70 % der Motto-Gruppe gehört und zu 30 % einem Unternehmen des Immobilienentwicklers Frank Albert, investiert rund 15 Mio. € in den Umbau, zusätzliche fünf Mio. € kommen von der Stadt Wien.
Nach Ablauf des 30-jährigen Pachtvertrags wird das Objekt dann zur Gänze der Stadt zufallen. Doch Schlacher hat sich das durchgerechnet, sagt er – und man habe sich auf eine moderate Pacht geeinigt, heisst es vonseiten der Stadt Wien. Schlacher plant langfristig: Das Projekt muss sich laut seinen Kalkulationen erst in 18 Jahren rechnen.
Dass er so viel Geld in das Eigentum anderer investiert, ist dennoch ungewöhnlich. 2,5 Mio. € flossen 2010 in den Umbau des Motto am Fluss, das Objekt besitzt eine Tochter der Wien Holding; das Gebäude, in dem das Hotel Motto sowie Motto Brot angesiedelt sind, steht im Besitz von Wertinvest, einem Unternehmen von Milliardär Michael Tojner, einem langjährigen Freund Schlachers; das Weitsicht Cobenzl ist wie gesagt im Besitz der Stadt Wien.
„Ich bin immer Pächter“, sagt Schlacher, „aber ich verdiene ja Geld mit den Projekten, also ärgert es mich nicht.“ Auch sein privates Geld steckt nahezu vollständig in seinen Projekten. „Ich habe kein Bargeld“, so Schlacher lächelnd – und sagt doch: „Ich bin ein glücklicher Unternehmer.“
Bernd Schlacher wurde im steirischen Obdach in bescheidenen Verhältnissen geboren. Er wuchs mit fünf Geschwistern auf, Geld war nie da. Sein Vater war Eisenbahner, und so musste auch sein Sohn eine Lehre bei den ÖBB (Österreichische Bundesbahnen) als Elektromechaniker und Maschinenbauer machen. „Der Beruf hat mich nicht interessiert“, so Schlacher. Er kellnerte abends nebenbei, unter anderem im Restaurant Wiener, und kündigte am letzten Tag der Lehre. Die Abschlussprüfung machte er noch, in der Gastronomie hatte er jedoch seine Bestimmung gefunden.
Schlacher ging 1987 für ein Jahr nach Jamaika, bevor er nach Wien zurückkehrte. Er kaufte erst einen Anteil am Restaurant Wiener, bevor er das Motto übernahm und quasi vor dem Ende bewahrte. „Ich habe eine grössere Masse angesprochen als der Vorbesitzer und hatte dann den dreifachen Umsatz“, so der Wirt. Einen Namen machte sich Schlacher damals auch mit grossen Partys, die er im bekannten Wiener Nachtclub U4, aber auch im Technischen Museum oder den Sofiensälen veranstaltete. Teilweise kamen mehr als 4.000 Leute zu seinen Events. Es folgten ein Motto-Restaurant am Wiener Karlsplatz und das Restaurant Halle im Museumsquartier – beide hat er, genau wie das Motto-Restaurant im 5. Bezirk, mittlerweile verkauft. 2010 folgte das Motto am Fluss, 2015 siedelte das Catering ins ACV, 2021 wurden Motto Brot und das Hotel Motto eröffnet und 2022 nun Weitsicht Cobenzl.
Mit der heutigen Aufstellung der Motto Group ist Schlacher zufrieden. Die Projekte machen ihm Spass und er ist auch guter Dinge, dass er dieses Jahr wieder Geld verdienen wird. Dass das aber nicht leicht wird, weiss er, denn Schlacher gibt sich keinen Illusionen hin: Die Herausforderungen werden eher grösser als kleiner. Schlacher ist dennoch zuversichtlich: „Es ist viel zu tun und das wird auch so bleiben, doch es ist schöne Arbeit.“
Der 57-Jährige will sich in den nächsten Jahren schrittweise zurückziehen, denn obwohl sein Team viel für ihn übernehme, sei er dennoch essenziell für den Erfolg: Beim Hotel ging jede Pflanze, jedes Stoffmuster, jede Wandfarbe über seinen Tisch. Er wollte einen eigenen Stil und überlegte sogar, die Fernseher in den Zimmern wegzulassen. Doch in dieser Frage setzte sich seine Hoteldirektorin durch. „Ich will in Zukunft weiterhin die Fäden ziehen, aber operativ weniger machen“, so der Gastronom. Er wolle sich dann seinen Charity-Projekten widmen – Schlacher unterstützt ein Waisenhaus in Südafrika – und sich auch mal eine Reise gönnen, etwa nach Südamerika.
Ob noch ein weiteres Projekt ansteht, kann oder will Schlacher nicht sagen. Ein geplantes Hotelprojekt am Standort der Alten Post in Wien realisierte sich nach dem Verkauf der Immobilie nicht. Womöglich wäre das sowieso zu viel gewesen, mutmasst der Unternehmer. Könnte es vielleicht aber doch noch ein anderes Hotel geben – oder ein weiteres Restaurant? Oder vielleicht ganz etwas anderes? Schlacher bremst: „Ich will jetzt mal das Projekt am Cobenzl in trockene Tücher bringen. Nach der Eröffnung habe ich dann Zeit und kann mir neue Projekte überlegen.“
Bernd Schlacher
...wurde 1965 geboren, machte eine Lehre zum Elektromechaniker und Maschinenbauer bei den ÖBB (Österreichische Bundesbahnen) und fing nebenbei an, zu kellnern. Er war Miteigentümer des Restaurants Wiener, bevor er das Motto-Restaurant übernahm. Heute umfasst Schlachers Motto Group mehrere Projekte in den Bereichen Gastronomie, Catering und Hotellerie.
Fotos: Philipp Horak