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Die Lackierung eines Sportwagens, das Menü in einem Luxusrestaurant und ein historisch wirkendes Gemälde
im berühmten Versteigerungshaus Christie’s: Hinter alldem steckt eine künstliche Intelligenz – und das Pariser Künstlerkollektiv Obvious Art. Hier wird eine neue Ära der Kunst eingeläutet, bei der KI eine Hauptrolle spielt.
Von aussen wirkt das Haus am Stadtrand von Paris, in das uns Obvious Art geladen hat, alt und verlassen. „Das alles soll bald abgerissen werden, bis dahin lässt der Besitzer junge Künstler hier arbeiten“, erklärt Gauthier Vernier, einer der drei Gründer von Obvious Art, als er uns die Tür öffnet. Auf einem Sofa im Dachboden des Hauses wartet schon Pierre Fautrel, ein weiterer Mitbegründer des Kollektivs, auf uns. Zusammen mit Hugo Caselles-Dupré, der die Rolle des Technikers der Gruppe einnimmt, wollen die drei Freunde vor allem eines: zeigen, was künstliche Intelligenz alles kann, und dabei die Wissenschaft mit der Kunst verbinden.
Einen ihrer grössten Erfolge feierten sie 2018, als das Gemälde „Edmond de Belamy“ für eine knappe halbe Million US-$ den Besitzer wechselte. Es war das erste von einer KI entworfene Bild, das es in das Versteigerungshaus Christie’s geschafft hat. Warum „Edmond de Belamy“ so beliebt war, liegt laut den Künstlern auch an der Konventionalität des Kunstwerks: „Wenn Menschen an eine künstliche Intelligenz denken, die Bilder entwirft, glauben sie meistens, das findet in der virtuellen Welt mit futuristischem Design statt. ‚Edmond de Belamy‘ ist alles andere als das“, erklärt Gauthier Vernier. Tatsächlich sieht das mittlerweile berühmte Gemälde auf den ersten Blick nicht so aus, als hätte ein Deep-Learning-Programm es erschaffen. Erst bei genauem Hinsehen wirkt es etwas kühl und einschüchternd – der Grund dafür könnte an der Arbeitsweise der KI liegen.
„Wir füttern den Computer mit Bildern oder Texten, aus denen er lernt, um später etwas Neues, Eigenes zu erschaffen“, so Vernier. Bei „Edmond de Belamy“ beispielsweise fütterten sie den Computer mit Tausenden Bildern aus dem 18. Jahrhundert, mit deren Hilfe er dann eine Reihe an Gemälden entwarf, die später „Die Familie de Belamy“ genannt wurde. Aber auch mit der sogenannten textbasierten Kunst arbeiten die drei Freunde: So fütterten sie die KI mit einer Vielzahl an Texten über die sieben Weltwunder und liessen den Computer so seine eigene Version der Hängenden Gärten der Semiramis entwerfen. Wir werfen einen Blick darauf und erkennen: Das Gemälde sieht ganz anders aus als bisherige Bilder von den Hängenden Gärten. „Die künstliche Intelligenz ist zwar vom Menschen gemacht, aber denkt und arbeitet ganz anders als wir“, erklärt Gauthier.
Hin und wieder versuchen sich die drei Künstler in Bereichen abseits der klassischen Kunstszene – so entwarfen sie letztes Jahr ein luxuriöses Gänge-Menü in Kooperation mit einem Koch. Die KI hat dabei Bilder von Gerichten entworfen, welche dann vom Koch entwickelt und nachgekocht wurden. „Ganz aktuell arbeiten wir mit dem Automobilhersteller Alpine zusammen, mit dem wir die Lackierung eines Sportwagens designt haben“, so die Freunde stolz, während sie uns Bilder des Autos auf ihren Handys zeigen.
In unserem Gespräch vergleichen die jungen Künstler sich selbst und ihre Arbeit immer wieder mit Fotografen bzw. der Fotografie: „Es hat lange gedauert, bis Fotografen als Künstler und nicht als Handwerker wahrgenommen wurden. Sie waren damals mit denselben Vorwürfen konfrontiert wie wir: ‚Das ist keine Kunst, das ist nur etwas für qualifizierte Ingenieure!‘“, argumentieren sie. Genau wie bei den Foto-Pionieren sind heute viele der KI-Kunst gegenüber skeptisch und sehen diese eher als Handwerk und nicht als etwas Künstlerisches an – ob sich das wandeln wird, werden die nächsten Jahre zeigen.
Obvious Art ist ein Kollektiv aus den drei Freunden und Künstlern Gauthier Vernier, Pierre Fautrel und Hugo Caselles-Dupré, die mit den neuesten Modellen des Deep Learning arbeiten, um das kreative Potenzial der künstlichen Intelligenz zu erkunden.
Text: Lela Thun
Fotos: Obvious Art
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 3–22 zum Thema „KI“.