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Ein Team führen, Chefin sein – das bedeutet für Claudia Eder vor allem, viel zu kommunizieren, zuzuhören, Stärken zu erkennen und diese auch zu fördern. Nach Führungspositionen im Bereich Human Resources, unter andrem bei den ÖBB, ist Eder nun als Geschäftsführerin der Asfinag erstmals gesamtheitlich für ein Unternehmen verantwortlich. Zugute kommt ihr bei dieser neuen Herausforderung ihr Executive MBA, den sie an der WU Executive Academy absolviert hat.
Wenn man sich Ihren Lebenslauf genauer ansieht, dann waren Sie die meiste Zeit Ihrer Karriere im Human-Resources-Bereich tätig. Warum?
Mein Wunsch war es, Personalleiterin im Steigenberger Hotel zu werden. Meine Eltern hatten ein Handelsgeschäft für Getränke und dort arbeitete ich immer mit – als ich mit meinem Vater einmal auf einer Geschäftsreise unterwegs war, habe ich einem seiner Geschäftspartner gesagt, dass ich einmal eine Lehre in der Gastronomie machen und später Tourismuswirtschaft studieren möchte. Er bahnte für mich sofort den Kontakt zu einem Hotel in Österreich an und innerhalb von zwei Wochen war mein Umzug entschieden. Die Lehre absolvierte ich dann in zwei statt vier Jahren. In dieser Zeit lernte ich viele Menschen in der Branche kennen. Mir wurde klar, dass ich jederzeit in den Tourismus zurückkehren kann, wenn ich das will – es hat sich für mich aber dann angeboten, Personalwirtschaft an der JKU zu studieren, da ich dort Praxis und Theorie miteinander verbinden konnte.
Nach Stationen bei der Buchhandelskette Thalia und dem Autobauer Daimler kamen Sie zu den ÖBB, wo Sie neun Jahre blieben. Warum so lange?
Angefangen habe ich bei der Tochter ÖBB-Technische Services in der Organisations- und Personalentwicklung, sehr schnell wurde ich dann Personalleiterin im Personenverkehr. Das war ein ziemlicher Sprung hinsichtlich Führungsverantwortung: Zuerst arbeitete ich mit zwei Mitarbeiterinnen zusammen, später wurden es mehr als 40. Damit stand ich dann auch vor grossen Herausforderungen – etwa die verschiedenen Anforderungen von pragmatisierten Mitarbeitenden auf der einen Seite und Kollegen mit Entlohnung nach Kollektivvertrag zu vereinbaren. Das war sehr lehrreich für mich.
Mit dem damaligen Konzernpersonalleiter bin ich dann in die ÖBB Holding gewechselt und übernahm daraufhin die HR-Strategie und baute diese neu auf. Das Credo war, dass HR, Kommunikation und Strategie als Dreieck zusammenarbeiten müssen und das dort Erarbeitete als Gesamtsicht der Dinge im Konzern umgesetzt und miteinander gelebt werden muss. Und das ist auch meine Maxime und Sichtweise.
Hat Sie nie ein anderer Bereich interessiert?
Nach aussen denken viele, dass es in der HR lediglich darum geht, mit Mitarbeitenden zu „reden“; die Dinge sind dann aber doch etwas komplexer. Ich denke da etwa an Angelegenheiten wie Gehaltszahlungen oder Änderungen in der Mitarbeiterentwicklung – Dinge also, die das persönliche Umfeld und Befinden eines Mitarbeitenden betreffen. Lösungen im Personalbereich sind nicht selten Kompromisse, und zwar im Idealfall jene, mit denen alle leben können. Ausserdem muss man ständig up to date sein und sehr weitsichtig und präzise definieren, welche Personalentscheidungen man trifft und wie man die gegebene Personalstrategie erfüllen will. Personal und HR sind eine ständige Reise mit täglichen Veränderungen, bei der man im Bestfall zusammen ans Ziel kommt. Das ist der Reiz daran.
Was macht denn einen guten HR-Verantwortlichen aus?
Dass er sehr gut zuhören kann, das Unternehmen möglichst versteht und die DNA eines Unternehmens mitträgt. Elementar ist, Interessen zwischen dem Unternehmen und den Mitarbeitenden abzuwägen und die Strategie darauf auszurichten. Die Mitarbeitenden sind das grösste Kapital des Unternehmens – daran besteht für mich kein Zweifel.
Abseits davon muss man bei der kleinstmöglichen, aber essenziell wesentlichen Einheit ansetzen: dem Mitarbeiter selbst. Und hier stellen sich verschiedene Fragen, die es zu bewältigen gilt: Wie erreiche ich kompetente Mitarbeiter, damit sie bei uns zu arbeiten beginnen? Einen guten IT-Experten findet man heute nicht mehr über ein einfaches Inserat. Wie halte ich einen Mitarbeiter im Unternehmen, den ich dringend brauche? Wie schaffe ich es, Betriebsratspläne mit den Anforderungen des Unternehmens in Einklang zu bringen? Da gibt es zahlreiche Herausforderungen, aber auch neue Möglichkeiten, diese Ziele zu erreichen.
Wo zeigen sich die grössten Unterschiede zwischen öffentlichem und privatem Sektor?
Im öffentlichen Sektor muss man vielleicht noch mehr auf gesetzliche Rahmenbedingungen und Richtlinien achten, da der Sektor entsprechend reguliert ist. Das bringt natürlich auch einen höheren Administrationsaufwand mit sich. Hier ist dann zudem der Auftrag – nämlich der Dienst an der Öffentlichkeit – absolut entscheidend. Aus meiner Sicht ist man im öffentlichen Bereich noch mehr den Menschen gegenüber direkt verantwortlich – das bringt eine riesige Verantwortung und Aufgabe mit sich.
„Einen guten HR-Verantwortlichen macht aus, dass er sehr gut zuhören kann.“
Waren die langen Entscheidungswege der Grund, warum Sie nach neun Jahren bei den ÖBB aufgehört haben?
Nein, im Gegenteil. Bei den ÖBB haben wir jeden Tag daran gearbeitet, besser zu werden – und das im Sinne unserer Kundinnen und Kunden. Diese Challenge macht dich aber auch hungrig, ständig Neues zu entdecken, und diese Neugier nach neuen Erfahrungen hat mich dazu bewogen, im Privatsektor zu arbeiten. Ich ging zu Senecura, dem grössten Betreiber von privaten Gesundheitseinrichtungen in Österreich. Auch das gehört aber für mich zu meiner persönlichen Entwicklung dazu, denn ich bin dort nicht lange geblieben. Ich hatte andere Erwartungen, aber ich bereue den Schritt natürlich überhaupt nicht. Ich konnte dann auch meinen MBA an der WU Executive Academy machen – eine äusserst wertvolle Weiterbildung, wie ich finde.
Warum haben Sie diesen MBA – trotz Ihrer reichlichen Erfahrung in Führungspositionen – gemacht?
Diese Ausbildung war schon während meiner ÖBB-Zeit ein Wunsch. Ich wollte noch einmal neue Trends erkennen und internationales Terrain kennenlernen. Wenn man zehn Jahre am selben Ort ist, dann kann man müde werden, Neues zu lernen. Der Executive MBA an der Wirtschaftsuniversität ist genauso vielseitig, wie ich meine Tätigkeiten überhaupt auch selbst sehe. Wir waren in Hongkong, China, Indien oder Südamerika unterwegs und haben uns die wirtschaftliche Situation und die Herausforderungen der dortigen Unternehmen angesehen; wir haben also Business im echten Leben kennengelernt. Ausserdem war mir wichtig, mehr akademischen Background zu bekommen. Wir befinden uns wirtschaftlich in einer Umbruchphase der Digitalisierung, und da wollte ich mich auf den neuesten Forschungsstand bringen. Das dritte Asset ist das Netzwerk: Den eigenen Kosmos ständig zu erweitern, Menschen kennenzulernen und sich auszutauschen ist für mich ein ständiger Begleiter in allen beruflichen Bereichen. Bei einem MBA lernt man eben die interessantesten Menschen kennen – die 40 Studenten kamen aus mehr als einem Dutzend Kulturkreisen und unterschiedlichen Branchen. Da gab es einen sehr anregenden Austausch, und vor allem auch andere Sichtweisen und Herangehensweisen.
Claudia Eder
...studierte an der Johannes Kepler Universität Linz und startete ihre Karriere bei Thalia und Daimler. 2008 kam sie zu den ÖBB, wo sie neun Jahre tätig war, zuletzt als Managing Director des ÖBB Business Competence Center. Nach ihrem Ausscheiden 2017 gründete sie ein eigenes Beratungsunternehmen, 2019 schloss sie den Executive MBA an der WU Executive Academy ab. 2021 wurde sie zum Managing Director der Asfinag ernannt.
Wie kamen Sie nach dem Abschluss zur Asfinag?
Ich habe zwischenzeitlich selbst ein erfolgreiches Beratungsunternehmen gegründet, da immer mehr Menschen auf mich zugekommen sind und nach meiner Expertise gefragt haben – das lief ein Jahr lang, bis eine Ausschreibung der Asfinag kam und eine Freundin mich mehrmals motivierte, mich doch dort zu bewerben. Der Reiz dieser Aufgabe bestand darin, dass ich als Geschäftsführerin diesen Ansatz von Kommunikation, HR und Strategie in einer Führungsposition umsetzen kann. Als ebenso wichtig empfinde ich die direkte Arbeit mit neuen Kolleginnen und Kollegen bei einem modernen Mobilitätsanbieter. Nach den ÖBB ist das wohl auch eine kleine Reise zurück zu den Anfängen. Ich bewarb mich also, weil ich als Beraterin zwar Ansätze und Vorschläge für andere unterbreiten durfte, in einer Managementposition kann ich das aber selbst leben, direkt beeinflussen und zusammen mit den Mitarbeitenden erarbeiten und umsetzen. Also versuchte ich es. Bei den Hearings gelang es mir, alle von meinen Ansätzen und Ideen zu überzeugen.
Was sieht Ihre neue Aufgabe vor?
Ich bin für die kaufmännische Geschäftsführung der sogenannten Asfinag Maut Service GmbH verantwortlich, bin also zuständig für die Mauteinhebung, für den Vertrieb und das Enforcement. Dazu gehört auch das Kundenmanagement, also quasi das Ohr bei den Wünschen, Anliegen, aber auch bei der Kritik der Kundinnen und Kunden zu haben.
Zusätzlich bin ich auch für das Controlling zuständig – eine immens wichtige Aufgabe, ist die Asfinag doch ausschliesslich nutzerfinanziert. Das bedeutet: Wir bekommen keine Zuschüsse aus anderen Budgettöpfen und erwirtschaften sämtliche Investitionen aus eigener Kraft. So fliessen Erlöse von mehr als zwei Milliarden €, mehr als eine Milliarde € investieren wir direkt in die Optimierung, Verbesserung und in die Verkehrssicherheit der österreichischen Autobahnen und Schnellstrassen. Und natürlich – und das ist wohl wenig überraschend – verantworte ich auch den HR-Bereich. Wie in jedem erfolgreichen Unternehmen brauchen auch wir bei der Asfinag sehr gute und zufriedene Mitarbeiter, und meine Aufgabe wird es sein, diese Entwicklung zu begleiten, zu steuern und zusammen mit allen Mitarbeitenden auch täglich zu leben.
Text: Muamer Bećirović
Fotos: Kurt Prinz
Dieses Advoice erschien in unserer Ausgabe 8–21 zum Thema „Women“.