DER AKTIVIST IM ENTERTAINER

Aus der Kleinstadt auf die grosse Showbühne: Die Erfolgsgeschichte von Riccardo Simonetti erzählt sich wie ein Hollywoodstreifen. Der Star, der ursprünglich aus der bayerischen Stadt Bad Reichenhall stammt, trägt vielerlei Hüte: Entertainer, Autor, Schauspieler, Moderator – und jüngst auch immer öfter den des Aktivisten.

Er geht in Grönland vor laufender TV-Kamera Wasserski fahren, entwickelt mit grossen Supermarktketten Smoothies und schreibt Bücher für Kinder – dieser kleine Ausschnitt aus dem Leben des Riccardo Simonetti verrät, wie vielfältig er sein kann. Als Entertainer, Moderator, Autor, Model und Aktivist macht er sich diese Rollen geschickt zu eigen. „Ich glaube, dass alle diese Rollen nur miteinander funktionieren und harmonieren, weil es so viele von ihnen gibt. Ich könnte mich nie auf nur eine Sache konzentrieren. Das war schon in meiner Jugend so“, sagt der 28-Jährige.

Im Rampenlicht stand Simonetti schon immer gern: Wenn er nicht vor Kameras und Mikrofonen stand, schrieb er Artikel für die lokale Presse, moderierte Radiosendungen oder stand auf der Bühne des Salzburger Landestheaters. Auf sein Stipendium verzichtete er; stattdessen lancierte er den eigenen Modeblog. Einen anderen Berufswunsch als zu unterhalten – in welcher Form auch immer – habe es nie gegeben, sagt er, denn auf der Bühne fühlte er sich immer wohl und geborgen.

Während für die Dinge, die er auf der Bühne tat, applaudiert wurde, war die Realität abseits des Rampenlichts allerdings eine ganz andere: „Seitdem ich mich erinnern kann, haben Menschen sich über mich lustig gemacht, haben mein Schwulsein instrumentalisiert, um irgendwie gegen mich zu hetzen“, erzählt Simonetti. Daraus habe sich dieser Wunsch entwickelt, später mal auf der ganz grossen Bühne zu stehen. „Ich dachte, das könnte das Zuhause sein, das der Junge, der ich damals war, unbedingt brauchte und in Bayern nicht gefunden hat.“

Die Riccardo Simonetti Initiative möchte Sichtbar­keit für margina­lisierte und benachteiligte Personen­gruppen schaffen.

Als Simonetti raus aus der Kleinstadt nach Berlin zog, seinen Mode- und Reiseblog The Fabulous Life of Ricci lancierte und die ersten Aufträge als Moderator und Entertainer annahm, fühlte er sich allmählich zu Hause. Heute erreicht Simonetti online mehr als 400.000 Menschen. Eine Zeit lang agierte er als klassischer Blogger bzw. Influencer – ein Begriff, mit dem sich der Multi-Entertainer heute nicht mehr identifizieren kann.

Die grosse (Fernseh-)Kulisse entdeckte Simonetti im Jahr 2017, als er erstmals auf dem Kanal E! Entertainment Germany seine eigene Show mit dem Namen „Riccardo’s Dream Date“ moderierte und dort mit deutschen Promis über ihre persönlichen Träume sprach. Seit 2020 moderiert er zusammen mit Andrea Kiewel den „Fernsehgarten“ im ZDF, seit 2021 eine weitere eigene Sendung, „Legendär!“, im WDR. Simonetti ist regelmässig zu Gast in diversen TV- und Talkshows, 2022 war er Teilnehmer der TV-Show „Wer stiehlt mir die Show?“. Ab September dieses Jahres sieht man ihn als Host bei der neuen Make-up-Show „Glow Up“ auf ZDF Neo. Insgesamt verbringt er im Durchschnitt 20 von 30 Tagen im Monat am Set von grossen Drehs und Fernsehproduktionen. Nicht zuletzt deswegen wurde es 2019 auch still um seinen Blog.

Für den Film „Die Unglaublichen 2“ synchronisierte Simonetti die Rolle von He-Lectrix. Er wirkt als Werbegesicht bei Kampagnen von grossen Unternehmen wie Google, About You und Schwarzkopf mit. Auch als Autor konnte sich der „Under 30“-Listmaker mittlerweile einen Namen machen: 2018 erschien sein autobiografisches Buch „Mein Recht zu funkeln“, gefolgt von „Raffi und sein pinkes Tutu“ ein Jahr später – ein Kinderbuch zum Thema Toleranz und Anderssein. Sein zuletzt erschienenes Buch „Mama, ich bin schwul“, das er gemeinsam mit seiner Mutter geschrieben hat, ist auf der Spiegel-Bestsellerliste.

Über seinem Schaffen steht – laut Simonetti – vor allem ein Ziel: Sichtbarkeit und Toleranz für andere zu schaffen, die es nicht so leicht haben. „Ich könnte meine Rollen nicht geniessen, wenn ich nicht wüsste, dass durch den Erfolg, den ich habe, auch was für meine Community herauskommt“, sagt er.

Riccardo Simonetti
...der „Under 30“-Listmaker begann mit 19 seine Karriere als Blogger. Heute gestaltet sich sein Leben facettenreich: Als Entertainer, Moderator, Autor, Model, Schauspieler und Aktivist schlüpft er in vielerlei Rollen.

Deswegen gründete der „Under 30“-Listmaker zusammen mit seinem Geschäftspartner Tobias Koppenhöfer im Jahr 2021 die Riccardo Simonetti Initiative. „Wir haben diesen Verein gegründet, weil wir uns in erster Linie für marginalisierte Menschengruppen aller Art starkmachen wollen. Das machen wir, indem wir kleine, teils lokale Projekte finanziell unterstützen und ihnen Sichtbarkeit geben, aber gleichzeitig eigene Projekte umsetzen“, so Simonetti. Beispielsweise arbeite man gerade an einer kostenlosen Broschüre für Schulen und Jugendzentren, die das Thema Lebensrealitäten jugendgerecht aufbereiten. „In der Schule lernt man alles über die heterosexuelle Fortpflanzung, mehr nicht – alles, was mit Gender Identity und sexueller Orientierung abseits der heteronormativen Vorstellung zu tun hat, wird ausgelassen. Deswegen wollen wir Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geben, auch über diesen Teil der Gesellschaft zu lernen“, sagt Simonetti.

Anfang Mai launchte er ausserdem eine neue Kooperation mit der Supermarktkette Edeka. Deren Eigenmarke All in Fruits brachte gemeinsam mit dem Entertainer die neue Smoothiesorte „Diverse Früchtchen“ in die Kühlregale – mit jedem verkauften Smoothie geht ein Beitrag in Höhe von 10 Cent an die Ricardo Simonetti Initiative. Bis zum Ende des Jahres 2022 erhofft man sich Produktabsätze im höheren sechsstelligen Bereich: „Ich denke, ein Smoothie ist eine gute Gelegenheit, auch Menschen zu erreichen, die mit Themen wie Diversität, Toleranz oder auch der Sichtbarkeit von Menschen der LGBTQ+-Community nicht automatisch zu tun haben und vielleicht dadurch trotzdem was dazulernen oder eben ihren Beitrag leisten wollen.“

Darüber hinaus unterstützt Simonetti diverse karitative Projekte und ist ehrenamtlicher Botschafter von Jugend gegen Aids und DKMS Life sowie Unicef-Projektpate. Im vergangenen Jahr konnte er neben seinem persönlichen Einsatz für seine eigene Organisation und als Botschafter für andere soziale Einrichtungen knapp 10 % seines persönlichen Gewinns für gemeinnützige Zwecke spenden.

Dass Stars ihre Marke nutzen, um auf Themen aufmerksam zu machen, ist nichts Neues. So engagieren sich viele deutschsprachige Promis – etwa die Moderatoren Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf, Arnold Schwarzenegger oder auch Carolin Kebekus – unter anderem für eine bessere Umwelt. Geht es um LGBTQ+-Rechte, ist Riccardo Simonetti gefragt: Persönlichen Angaben zufolge konnte sich der Instagram-Kanal seiner Initiative innerhalb eines Jahres zu einer der führenden deutschen Plattformen für LGBTQ+-Inhalte auf Social Media entwickeln. Die Initiative selbst wurde 2021 mit dem Klicksafe Award – einer Initiative der EU – ausgezeichnet.

„Mir bleibt nichts anderes übrig, als Aktivist zu sein. Weil ich ein gendernonkonformer Mann bin, der anders aussieht, mit seiner sexuellen Orientierung aneckt und Themen anspricht, für die viele Menschen noch nicht empfänglich sind, ist mein Leben immer noch davon beeinflusst, dass manche Türen verschlossen bleiben – und das, obwohl ich schon in so einem toleranten Umfeld wie der Medienbranche arbeite!“

Fotos: Edeka/Studio Eyecandy

Naila Baldwin

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