ATOMKRAFT? JA, BITTE!

Es wird Zeit, die historische Ablehnung der Atomenergie zu überdenken – denn wir haben ein Energieproblem.

Nicht nur durch den Angriffskrieg in der Ukraine und der damit einhergehenden Gas- und Ölknappheit. Schon vorher war klar, dass nachhaltige Energieträger wie Wasser- und Windenergie (noch) nicht die erforderliche Nennleistung von Atomenergie erbringen können.

Zum Vergleich: Ein modernes Windrad hat eine ungefähre Nennleistung von zwei bis fünf Megawatt, während ein klassisches Kohlekraftwerk 100 Megawatt an Leistung produziert. Mit einer Nennleistung von 1.400 Megawatt liegt die Kernkraft weit vorne.

In Österreich dominiert dennoch weiter die „Atomkraft? Nein, danke!“-Bewegung. Das Alpenland kommt dank Wasserkraft ohne Kernkraft aus. Seit der berühmten Volksabstimmung im November 1978 gegen die Inbetriebnahme des schon fertiggestellten AKW Zwentendorf bleibt die österreichische Bevölkerung ein kategorischer Ablehner der Atomenergie. Auch in Deutschland ist die Angst vor einem Unfall gross, daher soll Ende dieses Jahr das letzte Kernkraftwerk aus dem Stromnetz genommen werden.

Eigentlich schade, denn die oft verteufelte Kernkraft bietet viele Möglichkeiten und kann neben Wind-, Sonne- und Wasserkraft als CO2-freier „grüner Stromlieferant“ betrachtet werden. Als Brückentechnologie, also um den Umstieg von fossilen auf nachhaltige Energieträger möglichst rasch zu bewirken, setzen etliche Länder Europas – allen voran Frankreich, aber auch Polen, Ungarn, Finnland oder Schweden – auf Atomkraft. Dadurch wurde auf EU-Ebene Atomkraft auch als grün eingestuft. Was bei vielen Österreichern Unverständnis auslöst, ist tatsächlich keine dumme Idee, sondern eine notwendige Strategie für die Energiewende.

In einem Kernkraftwerk finden keine chemischen Verbrennungen statt, die zu Treibhausgasen führen. Das Problem mit der Endlagerung und dem Unfall-Risiko ist weiterhin gegeben, doch es gilt den möglichen Schaden mit dem aktuellen Nutzen abzuwägen. Für Deutschland ist der grösste und wichtigste Energieträger immer noch die Kohlekraft. Wie wir wissen, richtet diese durch den hohen CO2-Ausstoss einen weitaus grösseren Schaden für die Umwelt an als die Kernkraft. Warum schaltet man also die Kernkraftwerke ab, aber nicht die Kohlekraftwerke? Wo bleibt der Mut, kleine moderne und sichere Atomkraftwerke, sogenannte Mini-Meiler, als Brückentechnologie zu nutzen? Es wird Zeit für ein Umdenken. Es wird Zeit für eine Renaissance der Atomkraft und für eine rationale Debatte über eine effektive Klimapolitik.

Lela Thun studiert Technische Physik an der Technischen Universität Wien und ist Redakteurin für die deutschsprachige Ausgabe von Forbes.

Illustration: Valentin Berger

Lela Thun,
Redakteurin

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